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172

DasBuchfürAtte

Heft 11

Gerechtigkeitswage zürn Kläger— nur den Überhang. Nur was
wirklich „darüber hängt", das heisch was in den nachbarlichen
Garten hineinragt, unterliegt auch dein Zugriff des Nachbarn.
Das könne aber nach vorgenonnnener gerichtlicher Ortsbesich-
tigung und nach dem übereinstimmenden Gutachten zweier
Obstsachverständiger höchstens ein Waschkorb voll gewesen sein.
Den zweiten Waschkorb voll habe sich der Beklagte Hachtel rechts-
widrig angeeignet. Er habe darum in Höhe der halben Forde-
rung des Klägers Schadenersatz zu leisten. Die Kosten des Pro-
zesses tragen beide Parteien zur Hälfte.
Der Kleinbauer und der Krähenwirt, sie mutzten tief in die
Kassette greifen und viele Scheine herausholen. Der Streit
hatte schrecklich viel Geld gekostet. Das ging nicht, wie früher
in die Zehner, das ging gleich in die Hunderter. Die Zeugen, die
Sachverständigen, die Gerichtsherren, alle hatten sie aufgeschlagen.
Und nun erst gar die Advokaten. Es war „a beeses G'schüft".
Und doch trugen der Hachtel wie der Erpel nach autzen ein
frohes Gesicht zur Schau. Sie gebürdeten sich so, als wenn sie
beide gesiegt Hütten.
Kam jemand in das Gasthaus und fragte den Wirt: „Na,
Klemens, wie isch es ausg'falle?" dann sagte der Gefragte
seelenruhig: „Nu, wie soll's ganga sei? Der Hachtel isch abg'falla."
Stellte aber ein Einheimischer den Kleinbauern und wollte
von ihm wissen, wie der Rechtsstreit ausgegangen sei, dann
sagte Hachtel, schmunzelnd an seiner Pfeife schmauchend: „Na,
's isch gut ganga. Den Erpel, den Gaudieb, den hoben's aber
wacker runter'putzt, die G'richtsherre."

Datz sie beide an dem Überhang schwer tragen mutzten, das
verriet keiner.
Nur eines wurde den Leuten im Ort aus den Neden der
Prozessierenden klar; der Spruch des Gemeindegerichts wurde in-
sofern anerkannt, als der wirkliche Überhang dem Nachbarn gehört.
Für Verbreitung dieses Rechtsgrundsatzes sorgte jetzt selt-
samerweise niemand stärker im Dorf als der Krähenwirt. Der
abgeschlagene Bruder hatte auch seine guten Gründe dazu.
Datz seine Türkenpflaume in diesem Jahre so gut wie nichts
tragen würde, dessen wurde er schon vor Martini gewahr.
Mit wachsender innerer Freude hatte er jedoch im März fest-
stellen können, datz sich das Quittenbüumle des Nachbarn gerade
nach seinem Grundstück zu recht gut entwickelte. Wenn die
Fruchtansätze alle angingen, so gäbe das einen reichen Überhang.
Der Krähenwirt hatte richtig in die Zukunft geguckt. Die
Türkenpflaume setzte in diesem Jahre ganz aus. So, nun konnte
sich Hachtel seinen Überhang holen. Es stand ja jetzt endgültig
fest, datz das das gute Recht des Nachbarn ist.
„Hachtel, hol der dein Jberhang, i hol mer mein a jetzt," rief
Erpel ironisch hinüber. Und damit ging er ans Quittenbüumle
und brach sich ein Körble voll der schönsten, saftigsten Früchte.
Die Magd und der Knecht mutzten jedoch dabeistehen, als
Zeugen, datz er sich „nur holte, was wirklich überhing". Nicht
eine Frucht mehr, als ihm rechtmützig zustand, wollte er haben.
Der Kleinbauer war an dem Tage nicht zu sehen. Für den
Krähenwirt aber war dieser heitere und warme Augusttag ein
Tag des höchsten Triumphes.

Frische Teefische. Von Öl', rer. pol. Hans David, Hamburg.
Mit vier Bildern.

n Bord des Flschdconpfers weit drautzen in der Nordsee steht
alles bereit, den ersten Fischzug der Fahrt zn versuchen. Da
kommt ein anderer Fischdampfer in Sicht. Es ist ein Schiff der-
ieederei; vielleicht kann man noch einen Wink über die besten
„Jagdgründe" bekommen. Das Signalisieren beginnt — ohne komplizierte
Apparate, durch einfachste Zeichensprache.
Noch eine Stunde Fahrt, und das große Grundschleppnetz wird fach-
gerecht über Bord gebracht und durch die Scherbretter weit ausgespannt.
Volldampf voraus führt der Dampfer, während die Stahltaue, au denen
die Scherbretter hangen, sich von den Trommeln abwickeln. Jetzt ist
genügend Leine ausgelaufen, das Netz hat die richtige Lage im Wasser
und die nötige Entfernung vom Schiff. In langsamer Fahrt zieht der
Dampfer das ausgespannte Netz durch das Wasser, zwei, drei Stunden
lang. Dann wird aufgehievt. Nasch werden die Stahltaue durch die
Dampfwiude auf die Trommeln gewickelt. Das Netz zieht sich zusammen,
kommt längsseit, kommt an Bord, wird am Mast aufgehievt.
Der Steuermann öffnet das Netz, die Fülle der Fische fällt in den großen
Behälter. Das zappelt und spaddelt und springt und schlägt! Das schim-
mert und schillert in Silberweiß und Braungrau uud Blaugrau und Rot!
Der Fang ist gut. Zufrieden stellt das der Kapitän von der Brücke aus

selbeu



Signalisieren.

fest; es mögen wohl dreitausendfünfhundert bis viertausend Pfund sein.
Sogleich wird das Netz von neuem ausgesetzt.
Die Mannschaft macht sich über den Fang her. Alles Überflüssige
— der sogenannte „Beifang" — wird aussortiert und über Bord geworfen:
Seesterne und Seetank, Muscheln und zu kleine oder minderwertige
Fische. Der gute Fang wird „gekehlt": jeder einzelne Fisch wird mit
raschem Schnitt aufgeschlitzt und ausgenommen. Die Lebern wandern
in einen Kessel, der Tran wird sogleich ausgekocht.
Zum Kehlen gehört eine kräftige, fest zufassende Hand und tüchtige
Übung. Zwar der Hauptteil des Fanges, die Schellfische und Kabeljaue,
ist verhältnismäßig leicht zu behandeln— diese schönen großen Fische ver-
lieren rasch ihre Regsamkeit, wenn sie ihrem Element entrissen werden—,
anch mit den beweglicheren Heilbutten und Rotzungen weiß eine geschickte
Hand gut fertig zu werden; aber da sind andere Fische im Fange, die sehr
unbequem uud auch wohl etwas gefährlich werden können: vor allem die
Kattfische, die wütend mit ihren großen, harten Zähnen zuschnappen,
und die Rotbarsche, die mit schlimmen Stacheln bewehrt sind. Zeit ist
nicht zu verlieren, die Arbeit muß flott voraugehen; denn die vielen,
vielen Hunderte von Fischen müssen regelrecht verstaut seiu, bevor der
neue Fang hereingeholt wird; und länger als drei bis vier Stunden dauert
der neue Fischzug nicht.
Nach dem Kehlen geht's ans Waschen der Fische, evind sie gründlich mit
frischem Seewasser abgespült, werden die Körbe an die Luke gebracht und in
den Fischraum hiuabgelassen. Dort erfolgt die sorgfältige Verpackung unter Eis.
Nun kann sich die Mannschaft einen Augenblick verschnaufen. Nur wenige
Minuten. Denn schon wird es Zeit, das Netz von neuem anfzuhieven.
Schwer ist die Arbeit an Bord eines Fischdampf'ers. Solange die Tage

warm und hell sind, geht
es noch; wenn aber erst die
Herbststürme das Schiff
schaukeln und die Nebel-
hörner ihre Warnungs-
rufe brülleu, wenn im
Winter das volle Netz,
kaum aus dem Meere ge-
hoben, sich mit einer Eis-
kruste umzieht und die
Finger der arbeitenden
Leute zu Eiszapfen er-
starren wollen, dann ist
es ein hartes Stück, die
Arbeit mit der gebotenen
Forsche voranznbringen.


Oaö Retz wird geöffnet.
 
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