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Heft 16 DasVuckfürAlle 251
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hoi. Ariaittic Uhol. Co.. Oerim.


Gemeinsame Heimarbeit in der Stube einer erwerbslosen Mutter.

Von der Arbeitstätte Zu ihrem Kinde heimgetährte Mutter.


von der Siedlungsleiterin oder von einer Mutter, die gerade keine Tätig-
keit ausübt, beaufsichtigt. Unsere Siedlungskinder, die doch auch Groß-
stadtkinder sind, sehen blühend aus; sie sind gut genährt.
Kehrt die Mutter von ihrer Arbeit zurück, so übernimmt sie ihr Kind
selbst, holt sich auch wohl das Kindchen einer Freundin ins Zimmer,
wenn dessen Mutter noch verhindert ist, es selbst zu betreuen.
Schlimm isüs, wenn die Arbeitstelle, die Fabrik oder das Büro
geschlossen wird und Arbeitslosigkeit droht. Aber auch da ist Rat geschafft
worden. Vorübergehend Erwerbslose können ihr Brot verdienen. Eine
Mutter erhielt durch Vermittlung des Vereins in einein grossen Berliner
Geschäftshaus Arbeit, und es stellte sich heraus, dass sie eine ausgezeichnete
Gardinennäherin war; erwerbslose Mütter halfen bei dieser Arbeit und
schafften sich so Erwerb. Viel Mühe und Sorge kostet es, und auch manches
Unerfreuliche muh der Geschäftsführer erleben; doch bei vorsichtiger Aus-
wahl und Zusammenbringen geeigneter Charaktere kann viel erreicht wer-
den, so daß in der Müttersiedlung alle in gutem Einvernehmen leben-

Einer groszen Zahl von Kindern, die sonst dem Elend preisgegeben
wären, kann eine glückliche Jugend bereitet werden. Sollen sie unserem
Vaterland erhalten bleiben, dann müssen wir dauernd zu helfen suchen.
Vor mehreren hundert Jahren gab es Findelhäuser. Doch das sind nicht
die rechten Stätten für die Heranwachsenden Kinder. Die Mutter muh
selbst die Verantwortung für ihr Kind tragen, die soll ihr nicht genommen
werden. Und die Kinder dürfen die Mutterliebe nicht entbehren. Da
wollen und können die Müttersiedlungen helfen.
Es ist gelungen, die Müttersiedlungen durch die schwere Kriegszeit
zu bringen; nun musz es auch möglich sein, die bestehenden zu erhalten
und weitere Siedlungen erst noch einzurichten. Material und Kosten-
berechnung liefert die Geschäftstelle des Vereins Mutter und Kind,
Berlin-Weiszensee, Caselerstrasze 4 a, gern an alle Kommunen und
Jndustrieunternehmungen, die Müttersiedlungen einrichten wollen.
Wer an dem Werke mithelfen will, erhält dort jede gewünschte Auskunft.
Möchten recht viele für diese grosse soziale Arbeit gewonnen werden!

Ägypten als Vasallenstaat Englands. Vou F. Herrmann.

an hat Ägypten das Land der unvermittelten Gegensätze genannt.
Reben Denkmalen geschichtlicher Epochen, die Jahrtausende vor
Üeginn der neuen Zeitrechnung zurückliegen, stehen Schorn-
steine mooerner Industrieanlagen, dicht bei Tempelruinen und Königs-
gräbern entlegenster Vorzeit Spinnereien, Webereien und Geschäfts-
gebäude groszer Weltfirmen. Noch bearbeitet der Fellah den Acker mit
primitivem Hakenpflug, während unweit davon der moderne Dampfpflug
intensivste Arbeit verrichtet. Noch heute quälen sich dort Menschen im
regenarmen Land, mittels Schöpfrädern Wasser aus dein Nil höheren und
von den fruchtbaren Uferstreifen abgelegenen Landesteilen zuzuführen. Und
dasselbe Ägypten hat in der Nilsperre bei Assuan eine Wasserstauvorrich-
tung, wie sie auf dein Erdenrund nicht ihresgleichen findet. Dichtbevölkerte
Groszstädte an der Küste, menschenleere endlose Wüsteneien im Innern.
Nicht minder schroff sind die Gegensätze zwischen den Orientalen und den
Fremdländern westeuropäischer Kultur, die trotzdem zahlreicher in der
Oberschicht vertreten sind als die Eingeborenen. Noch sind etwa neunzig
Prozent der letzteren Analphabeten, und doch kommen die Gelehrten
Europas, um die Schätze uralter Weisheit und Schönheit nicht etwa nur
als Merkwürdigkeit zu studieren, nein, auch von ihnen zu lernen. Solche
Ausblicke auf Zunehmenden geistigen Austausch Zwischen Orient und Okzi-
dent, Gedanken, die in Deutschland vor dem Krieg grosse Hoffnungen er-
weckten, haben durch den für uns unglücklichen Ausgang des Ringens an
Glanz verloren. Deutscherseits hatte man sich von der Erstarkung und
nationalistischen Erhebung der Türkei ein Aufblühen auch in dem von
englischer Gläubigerverwaltung befreiten Ägypten versprochen. Statt
dessen hat der Vertrag von Sövres die türkische Selbständigkeit zu einem
Schattendasein herabgedrückt und Ägypten, auf das die Briten seit 1882
als Gläubiger des damaligen verschuldeten Sultans ihre Hand gelegt hatten,
ganz und gar zu einem Vasallenstaat Albions gemacht. Was besagt die
gewährte Autonomie, wenn doch die Finanzen und die Verwaltung des
Suezkanals in englischer Hand verbleiben, Alexandria als englische Flotten-
basis dient und Großbritannien bedeutende militärische Kontingente in
Ägypten unterhalten kann. Englands Verlangen seit fast einem Jahrhundert

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und wichtigstes Kriegsziel ist in Erfüllung gegangen: Arabien, Ägypten, die
Euphratländer und Vorderasien in ihre Macht zu bringen. Der Weg von
London über Kairo—Aden nach Bombay ist frei- England, dessen Minister
Palmerston einst nicht müde wurde, die Erbauung des Suezkanals für
eine Verrücktheit zu erklären, hat damals gewußt, welche lebenswichtige
Bedeutung die Beherrschung dieser geradesten Verbindung von Orient
und Okzident hat, und Schritt für Schritt hat es seinen feingesponnenen
Plan zu verwirklichen verstanden. Ägypten soll in loserer
For m, aber in Wirklichkeit fester als Vasallen st aal
dem immer mehr zu einem Staatenbund sich u m bil-
de n d e n englischen Imperium eingefügt werden.
Ob die steinernen Denkmale des Pharaonenlandes, die im Lauf von Jahr-
tausenden schon manche Wandlung in den Machtverhältnissen überdauerten,
vielleicht auch dann noch stehen werden, wenn einmal auch Ägypten volle
Freiheit und Selbständigkeit haben sollte, das ist heute eine müszige Frage.
Hat Deutschland — das ist wichtiger für uns — nun alle Aussicht ver-
loren, in Ägypten wissenschaftlich und wirtschaftlich sich zu betätigen?
Nach den Bestiminungen des Versailler Friedensveitrages unterliegt frei-
lich auch in Ägypten das Eigentum deutscher Staatsangehörigen dem
Liquidationsverfahren. Und dennoch: trotz der Verluste und trotz der nach-
wirkenden Verhetzungs-und Verleumdungskanonade der von der Entente
beeinflußten Presse werden sich weder die deutschen Gelehrten noch die
deutschen Kaufleute und Techniker dauernd verdrängen lassen. Wohl steht
den Franzosen das Verdienst zu, vor hundertzwanzig Jahren, als Napo-
leon I., der mit politischen Zielen auch wissenschaftliche Bestrebungen klug
zu verbinden verstand, einen Stab von Gelehrten mit sich nach Ägypten
nahm, mit der eigentlichen wissenschaftlichen Erforschung des sagenum-
wobenen Pharaonenreiches begonnen zu haben. Dein genialen Lhampol-
lion glückte die Entzifferung der Hieroglyphenschrift, diese bahnbrechende
Entdeckung zur Entschleierung der verhüllten Wahrheit über uralte, herr-
liche Kulturepochen ägyptischer Geschichte. Ihm folgten aber bald deutsche
Gelehrte in stattlicher, nicht einzeln aufzuführender Anzahl von Richard
Lepsius und dem verdienten Heinrich Brugsch, Bunsen, Ebers bis zu
 
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