Heft 22
DasBuchsürAlle
S47
Am Flamingoteich bn stellinger Tierpark.
„Bis dahin ist dein Schwarm zu dem jetzigen vorbei, und
dann mutz doch der nächste Sänger verhimmelt werden? Voriges
Jahr — erinnere dich — da war's der verflossene Tannhäuser-
sänger. Von dem wolltest du gerne ein paar Zeilen haben.
Ich schrieb dir den Brief an ihn. Jetzt wünschtest du die Locke.
Beim nächsten steigen deine Ansprüche wieder und da hilf dir
dann nur selber. Ich mag nun nicht mehr, das hat nun ein
Ende."
Anna hatte inzwischen den Brief samt der Locke in ihrem
Täschchen geborgen. Nun sah sie die Freundin lächelnd an.
„Beruhige dich, Hedi, es hat uns ja sonst niemand gesehen. Und
wer weitz, wer der Fremde sein mag, mir hat er keinen besonderen
Eindruck gemacht."
„So! Da hast du eben keine Augen im Kopf. Fein und
klug sah der aus."
Anna blickte die Freundin betroffen an.
Stumm gingen sie nebeneinander hin. Als sie sich trennten,
flüsterte Anna der Freundin zu: „Du, ich wünsch'dir den, der
mir keinen besonderen Eindruck gemacht hat."
Frau Herson empfing ihre Tochter mit den Worten: „Du
sollst zum Vater kommen. Ins Büro. Aber gleich."
„Warum denn, Mutter?"
„Ich weitz nicht, wozu dich Papa haben will. Er hat mir's
nicht gesagt."
„Mutz ich gleich gehen? Ich bin müde und möchte ein bitzchen
ausruhen."
„Wenn du's auf dich nehmen willst, den Vater vielleicht zu
erzürnen, dann kannst du es aufschieben. Ich habe sein Gebot
ausgerichtet."
Hedwig drückte sich herum. „Sah er lieb aus oder böse,
der Vater?"
Frau Herson blickte ihre Tochter an: „Hast du denn was auf
dem Gewissen?"
„Was soll ich denn auf dem Gewissen haben," erwiderte
Hedwig grotzartig.
„Nun, wenn nicht, dann geh nur gleich zum Vater. Er
wird es sicher besser aufnehmen, wenn du ihn nicht warten
lässt."
Da hob das Mädchen den Kopf und wandte sich zur Türe.
„Ich will gleich zum Vater gehen."
„Tu' das, mein Hedchen," rief die Mutter ihr nach. iForis. folgt.,
Der Stellinger Tierpark. Von Ernst Brodersen.
Mit 6 Bildern.
einst ohne Ruhmredigkeit und Übertreibung weltberühmt gewor-
s dene Tierpark in Hamburg-Stellingen ist durch die Kriegsfolgen
eine Lage geraten, die vom wissenschaftlichen und volkswirt-
schaftlichen Gesichtspunkte aus gleicherweise tief bedauerlich ist. Die An-
fänge dieses bedeutend gewordenen Unternehmens, das sich mit seinen viel-
verzweigten Ausstrahlungen zuletzt über die ganze Welt erstreckte und in den
verschiedensten Erdteilen Tausende von Menschenhänden in Bewegung
setzte und in seinen weitreichenden geschäftlichen Ausbildungen einem
großen Kreis von Menschen Verdienst verschaffte, sind recht bescheiden
gewesen. Als der im Jahre 1810 geborene Gottfried Klaus Karl Hagenbeck,
der später eine Fischhandluna in Hamburg betrieb, 1848 von einem Fischer
einige Seehunde erwarb, die er in Krolls Etablissement in Berlin aus-
stellte, ahnte er gewiß nicht, daß er damit den ersten Anstoß gegeben hatte
zu dem großen Stellinger Tierpark, der allein an Bodenfläche über sieb-
DasBuchsürAlle
S47
Am Flamingoteich bn stellinger Tierpark.
„Bis dahin ist dein Schwarm zu dem jetzigen vorbei, und
dann mutz doch der nächste Sänger verhimmelt werden? Voriges
Jahr — erinnere dich — da war's der verflossene Tannhäuser-
sänger. Von dem wolltest du gerne ein paar Zeilen haben.
Ich schrieb dir den Brief an ihn. Jetzt wünschtest du die Locke.
Beim nächsten steigen deine Ansprüche wieder und da hilf dir
dann nur selber. Ich mag nun nicht mehr, das hat nun ein
Ende."
Anna hatte inzwischen den Brief samt der Locke in ihrem
Täschchen geborgen. Nun sah sie die Freundin lächelnd an.
„Beruhige dich, Hedi, es hat uns ja sonst niemand gesehen. Und
wer weitz, wer der Fremde sein mag, mir hat er keinen besonderen
Eindruck gemacht."
„So! Da hast du eben keine Augen im Kopf. Fein und
klug sah der aus."
Anna blickte die Freundin betroffen an.
Stumm gingen sie nebeneinander hin. Als sie sich trennten,
flüsterte Anna der Freundin zu: „Du, ich wünsch'dir den, der
mir keinen besonderen Eindruck gemacht hat."
Frau Herson empfing ihre Tochter mit den Worten: „Du
sollst zum Vater kommen. Ins Büro. Aber gleich."
„Warum denn, Mutter?"
„Ich weitz nicht, wozu dich Papa haben will. Er hat mir's
nicht gesagt."
„Mutz ich gleich gehen? Ich bin müde und möchte ein bitzchen
ausruhen."
„Wenn du's auf dich nehmen willst, den Vater vielleicht zu
erzürnen, dann kannst du es aufschieben. Ich habe sein Gebot
ausgerichtet."
Hedwig drückte sich herum. „Sah er lieb aus oder böse,
der Vater?"
Frau Herson blickte ihre Tochter an: „Hast du denn was auf
dem Gewissen?"
„Was soll ich denn auf dem Gewissen haben," erwiderte
Hedwig grotzartig.
„Nun, wenn nicht, dann geh nur gleich zum Vater. Er
wird es sicher besser aufnehmen, wenn du ihn nicht warten
lässt."
Da hob das Mädchen den Kopf und wandte sich zur Türe.
„Ich will gleich zum Vater gehen."
„Tu' das, mein Hedchen," rief die Mutter ihr nach. iForis. folgt.,
Der Stellinger Tierpark. Von Ernst Brodersen.
Mit 6 Bildern.
einst ohne Ruhmredigkeit und Übertreibung weltberühmt gewor-
s dene Tierpark in Hamburg-Stellingen ist durch die Kriegsfolgen
eine Lage geraten, die vom wissenschaftlichen und volkswirt-
schaftlichen Gesichtspunkte aus gleicherweise tief bedauerlich ist. Die An-
fänge dieses bedeutend gewordenen Unternehmens, das sich mit seinen viel-
verzweigten Ausstrahlungen zuletzt über die ganze Welt erstreckte und in den
verschiedensten Erdteilen Tausende von Menschenhänden in Bewegung
setzte und in seinen weitreichenden geschäftlichen Ausbildungen einem
großen Kreis von Menschen Verdienst verschaffte, sind recht bescheiden
gewesen. Als der im Jahre 1810 geborene Gottfried Klaus Karl Hagenbeck,
der später eine Fischhandluna in Hamburg betrieb, 1848 von einem Fischer
einige Seehunde erwarb, die er in Krolls Etablissement in Berlin aus-
stellte, ahnte er gewiß nicht, daß er damit den ersten Anstoß gegeben hatte
zu dem großen Stellinger Tierpark, der allein an Bodenfläche über sieb-