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DasBuchfüvAlle
Heft 26
HM5
I. Ein mit Vorsatzgittern gesichertes großstädtisches
Schaufenster.
Phot. Atlantic, Äerim.
Z. Einige Sicherheitsvorrichtungen aus derBerliner Selbstschutzausstellung.
heftig bewegte. Das Mädchen schien
bei seinem Auftreten unter nur müh-
sam verhehlter Angst zu leiden. Es
machte ihm den Eindruck, als fürchte
sie, eines seiner scharfen Messer könne
sein Ziel verfehlen. Diesen bangen
Zustand empfand sie gewiß nicht um
seinetwillen.
Obwohl Rolf kein Trinker war,
kam es setzt öfter vor, daß er eine
Weinstube aufsuchte und, vor sich
hinbrütend, mehr genoß, als er ge-
wohnt war. Wenn dann die Stunde
kam, da er auftreten mußte, er-
nüchterte sich sein ganzes Wesen, und
er arbeitete ruhig und sicher. Unter
den Nachwirkungen einer leichten
Nervenüberspannung schien sein ge-
fährliches Spiel fast noch sicherer zu
werden. Leicht und zuversichtlich
flogen dann aus seiner Hand die
im Licht blitzenden Klingen an ihr
Ziel und fuhren mit dumpfem Klang
in das Brett.
Heute war Rolf erregter als sonst.
Ein Gutsherr, der fast täglich den
Zirkus besuchte, und den offenbar
die Kunst des Jongleurs anzog,
hatte ihn am Nachmittag zu einem
Champagnergelage im Kreise seiner
Freunde eingeladen.
Als Rolf in auffallender Stimmung den Zirkus betrat, be-
unruhigte den Stiefvater zum erstenmal ein unsicheres Gefühl.
Doch nahm er äußerlich ruhig seinen
Platz ein. Die Unruhe schwand sedoch
rasch wieder.
Das erste Messer, das heranschwirrte,
fuhr mit gewohnter Sicherheit dicht
neben seinem Hals in das Holz.
Das zweite mußte unmittelbar da-
nach auf der anderen Seite einschlagen,
so daß er den Kopf nicht mehr bewe-
gen konnte.
Auch dieser Wurf gelang, und nun
folgte Messer auf Messer. Alle trafen
sie sicher die Stellen rings um den
Körper. Nun schleuderte Rolf die
Messer zwischen die ausgespreizt ge-
haltenen Finger, bis die hölzerne Wand
damit gespickt war.
Rolf wog die letzte Klinge in seiner Hand, die hart über
dem Kopf einschlagen sollte. Ehe er jedoch zum gefährlichsten
Wurf ausholte, wartete er das Ende des stürmischen Beifalls ab.
Da fiel sein Blick auf Al-
ma. Sie hatte bei dieser Vor-
führung nichts zu tun und saß
auf einem Seitenplatz unter
den Zuschauern. Auf ihrem
blassen Gesicht spiegelte sich
deutlich ein Gemisch von zärt-
licher Liebe und sorgender
Furcht wider. Rolf emp-
fand, daß sie nicht um seinet-
willen in Sorge war. Einen
Augenblick schien sein Herz-
schlag zu stocken. Seine
Miene verdüsterte sich.
Mit ruhiger, sicherer Hand
hob er das letzte Messer. Aber
im Moment, da er es hin-
,Und nun, Alma,
,Nun ist geschehen, was uns für immer trennen muß."
.Alma!" schrie er auf. „Ich schwöre dir . . ."
„Still!" Feierlich sah sie
ihn an. „Was willst du denn
schwören?"
„Daß ich . . ." Noch ein-
mal blickte sie ihn ernst an.
Rolf schwieg.
Tränen traten in ihre
Augen. „Dein Schweigen
ehrt dich, aber es spricht
unser Urteil. Wenn ich auch
wollte, ich könnte nie ver-
gessen. Sein Schatten wird
immer zwischen uns stehen."
Sie wankte zur Tür und
ging.
Nie hat Rolf Rodau sie
wiedergesehsn.
ausschleudern wollte, irrte sein un-
steter Blick, statt fest auf das Ziel
gerichtet zu sein, noch einmal ver-
wirrt nach dem Mädchen hinüber.
Dann warf er das Messer.
Ein Schrei schrillte durch den
Zirkus. Mitten in Luzians Hals
steckte das zitternde Messer.
Der Unglückliche stand noch einige
Sekunden. Dann stürzte er leblos
nieder.
Ein zweiter Schrei gellte schauer-
lich. Als wäre sie selbst getroffen,
war Alma emporgeschnellt. Ehe
sie forteilen konnte, brach sie ohn-
mächtig zusammen.
Rolf stand an seinem Platz mit
stieren Augen. Dann wankte er
vorwärts; seine Knie knickten ein,
er fiel zu Boden, wurde umringt
und fortgetragen.
Rolf Rodan lag bewußtlos.
Als er wieder zu sich kam, saß
Alma an seinem Lager.
Staunend betrachtete Rolf das
Mädchen.
„Wie konntest du mich pflegen?
Mich, der ich deinen Geliebten
mordete!"
In jähem Schreck erblaßte Alma.
„Weißt du denn nicht, wen ich liebte ?"
Ihr trauriger Blick sagte ihm alles. Grauen überlief ihn.
„Alma, ist es möglich? Um meinetwillen lebtest du in
Angst?"
Ihr blondes Haupt sank einen
Augenblick an seine Brust; dann schreckte
sie wie vor einer Todsünde wieder
zurück.
Rolf konnte sich nicht fassen. „Für
mich ängstetest du dich. Jst's wahr?"
„Für dich fürchtete ich, daß du das
tun könntest, was geschehen ist!"
„Du wußtest, wie ich dich liebte?"
„Ja. Darum mied ich dich. Aus
Angst vor dem, was nun doch ge-
schehen ist. Ich wußte, daß Luzian
Baltus mich nicht mit den Augen eines
väterlichen Beschützers ansah."
Mit zitternden Fingern faßte er
ihre Hand.
sage doch, was ist nun?"
2. Das elektrische Auge am Kassenschrank. (X)
DasBuchfüvAlle
Heft 26
HM5
I. Ein mit Vorsatzgittern gesichertes großstädtisches
Schaufenster.
Phot. Atlantic, Äerim.
Z. Einige Sicherheitsvorrichtungen aus derBerliner Selbstschutzausstellung.
heftig bewegte. Das Mädchen schien
bei seinem Auftreten unter nur müh-
sam verhehlter Angst zu leiden. Es
machte ihm den Eindruck, als fürchte
sie, eines seiner scharfen Messer könne
sein Ziel verfehlen. Diesen bangen
Zustand empfand sie gewiß nicht um
seinetwillen.
Obwohl Rolf kein Trinker war,
kam es setzt öfter vor, daß er eine
Weinstube aufsuchte und, vor sich
hinbrütend, mehr genoß, als er ge-
wohnt war. Wenn dann die Stunde
kam, da er auftreten mußte, er-
nüchterte sich sein ganzes Wesen, und
er arbeitete ruhig und sicher. Unter
den Nachwirkungen einer leichten
Nervenüberspannung schien sein ge-
fährliches Spiel fast noch sicherer zu
werden. Leicht und zuversichtlich
flogen dann aus seiner Hand die
im Licht blitzenden Klingen an ihr
Ziel und fuhren mit dumpfem Klang
in das Brett.
Heute war Rolf erregter als sonst.
Ein Gutsherr, der fast täglich den
Zirkus besuchte, und den offenbar
die Kunst des Jongleurs anzog,
hatte ihn am Nachmittag zu einem
Champagnergelage im Kreise seiner
Freunde eingeladen.
Als Rolf in auffallender Stimmung den Zirkus betrat, be-
unruhigte den Stiefvater zum erstenmal ein unsicheres Gefühl.
Doch nahm er äußerlich ruhig seinen
Platz ein. Die Unruhe schwand sedoch
rasch wieder.
Das erste Messer, das heranschwirrte,
fuhr mit gewohnter Sicherheit dicht
neben seinem Hals in das Holz.
Das zweite mußte unmittelbar da-
nach auf der anderen Seite einschlagen,
so daß er den Kopf nicht mehr bewe-
gen konnte.
Auch dieser Wurf gelang, und nun
folgte Messer auf Messer. Alle trafen
sie sicher die Stellen rings um den
Körper. Nun schleuderte Rolf die
Messer zwischen die ausgespreizt ge-
haltenen Finger, bis die hölzerne Wand
damit gespickt war.
Rolf wog die letzte Klinge in seiner Hand, die hart über
dem Kopf einschlagen sollte. Ehe er jedoch zum gefährlichsten
Wurf ausholte, wartete er das Ende des stürmischen Beifalls ab.
Da fiel sein Blick auf Al-
ma. Sie hatte bei dieser Vor-
führung nichts zu tun und saß
auf einem Seitenplatz unter
den Zuschauern. Auf ihrem
blassen Gesicht spiegelte sich
deutlich ein Gemisch von zärt-
licher Liebe und sorgender
Furcht wider. Rolf emp-
fand, daß sie nicht um seinet-
willen in Sorge war. Einen
Augenblick schien sein Herz-
schlag zu stocken. Seine
Miene verdüsterte sich.
Mit ruhiger, sicherer Hand
hob er das letzte Messer. Aber
im Moment, da er es hin-
,Und nun, Alma,
,Nun ist geschehen, was uns für immer trennen muß."
.Alma!" schrie er auf. „Ich schwöre dir . . ."
„Still!" Feierlich sah sie
ihn an. „Was willst du denn
schwören?"
„Daß ich . . ." Noch ein-
mal blickte sie ihn ernst an.
Rolf schwieg.
Tränen traten in ihre
Augen. „Dein Schweigen
ehrt dich, aber es spricht
unser Urteil. Wenn ich auch
wollte, ich könnte nie ver-
gessen. Sein Schatten wird
immer zwischen uns stehen."
Sie wankte zur Tür und
ging.
Nie hat Rolf Rodau sie
wiedergesehsn.
ausschleudern wollte, irrte sein un-
steter Blick, statt fest auf das Ziel
gerichtet zu sein, noch einmal ver-
wirrt nach dem Mädchen hinüber.
Dann warf er das Messer.
Ein Schrei schrillte durch den
Zirkus. Mitten in Luzians Hals
steckte das zitternde Messer.
Der Unglückliche stand noch einige
Sekunden. Dann stürzte er leblos
nieder.
Ein zweiter Schrei gellte schauer-
lich. Als wäre sie selbst getroffen,
war Alma emporgeschnellt. Ehe
sie forteilen konnte, brach sie ohn-
mächtig zusammen.
Rolf stand an seinem Platz mit
stieren Augen. Dann wankte er
vorwärts; seine Knie knickten ein,
er fiel zu Boden, wurde umringt
und fortgetragen.
Rolf Rodan lag bewußtlos.
Als er wieder zu sich kam, saß
Alma an seinem Lager.
Staunend betrachtete Rolf das
Mädchen.
„Wie konntest du mich pflegen?
Mich, der ich deinen Geliebten
mordete!"
In jähem Schreck erblaßte Alma.
„Weißt du denn nicht, wen ich liebte ?"
Ihr trauriger Blick sagte ihm alles. Grauen überlief ihn.
„Alma, ist es möglich? Um meinetwillen lebtest du in
Angst?"
Ihr blondes Haupt sank einen
Augenblick an seine Brust; dann schreckte
sie wie vor einer Todsünde wieder
zurück.
Rolf konnte sich nicht fassen. „Für
mich ängstetest du dich. Jst's wahr?"
„Für dich fürchtete ich, daß du das
tun könntest, was geschehen ist!"
„Du wußtest, wie ich dich liebte?"
„Ja. Darum mied ich dich. Aus
Angst vor dem, was nun doch ge-
schehen ist. Ich wußte, daß Luzian
Baltus mich nicht mit den Augen eines
väterlichen Beschützers ansah."
Mit zitternden Fingern faßte er
ihre Hand.
sage doch, was ist nun?"
2. Das elektrische Auge am Kassenschrank. (X)