Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1888

DOI Heft:
Heft 1/2
DOI Artikel:
Gmelin, L.: Ein verlorener Kirchenschatz: Mittheilungen aus dem "Heilthumbuch" der St. Michaels-Hofkirche zu München
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.7906#0010

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
6

schwachen Füßen; einen parallelen Fall kann man bei
Arbeiten fj. Müelich's beobachten, wenn nian nämlich
seine Pergamentmalereien (mit denen ja die Zeichnungen
Miller's nicht in die Schranken treten können) vergleicht
mit seinen flott hingeworfenen getuschten Entwürfen zu

F'g. 6. vf'ö r.

Fassungen der Glaszylinder.

den prachtrüstungen; auch hier findet man ebenso große,
aus der Verschiedenheit der Maltechnik hinreichend zu
erklärende Differenzen. Die Verschiedenheit des zeichner-
ischen Vortrags der Schaustücke und des Silbergeräths
kann also kein Grund sein, die Darstellungen des letzteren
dem Mich. Miller abzusprechen; bei genauen Vergleichen
lassen sich auch in manchen Einzelheiten, z. B. in der
Behandlung der Engelsköpfchen, verwandte Züge Nach-
weisen und als äußerliche Uebcreinstimmung ist die Gleich-
artigkeit des Papiers, bei völliger Verschiedenheit desselben
von den späteren Blättern immerhin nicht außer Acht zu
lassen. Daß der Schreiber der Präfatio das Monogramm
Miller's nicht auch den Silbergeräthen beigesetzt hat, erklärt
sich leicht aus der ganzen Haltung des Vorworts, welches
die Reliquienbehälter mit der größten Wichtigkeit behandelt,
während es des Silbergeräths nur beiläufig gedenkt.

Der gegenwärtige Zustand des Buches zeigt deut-
lich, daß es viele Wandlungen durchgemacht. Wiederholte
Numerirung der Blätter — bald nach Seiten, bald nach
Folien—Beschneiden und Bekleben der abgegriffenen Ränder,
Einschalten oder Einkleben späterer Zeichnungen u. s. w.
haben ausnahmslos deutliche Spuren hinterlassen. Die
letzte und wohl einschneidendste Operation dieser Art muß
vor \7\2 stattgcfunden haben, da sich bei einem Blatt ein
lose einliegender Zettel befindet, welcher eine auf die
Abbildung bezügliche Notiz mit obiger Iahrzahl enthält;
aus dieser Zeit — also kein halbes Jahrhundert nach der
Revision von s66^ — stammt also die letzte paginirung^°)
und der letzte Einband. Die ursprüngliche paginirung
von f66H läßt sich nun aber mit bjilfe des Reliquien-Index
und des Silberregisters wieder Herstellen, was insoferne von
Interesse ist, als sich hieraus Schlüffe ziehen lasten auf den

1,1) Lrst im November Z887 wurde Seitens der kgl. bfof-Rultus-
Stiftungs-Administration, wo beide ffeilthumbiicher nunmehr verwahrt
werden, eine durchgreifende, sä mm t liehe Blätter umfassende Nuine-
rirung nach Folien vorgenommen.

ursprünglichen Bestand an Zeichnungen. Der erste Theil
— jener der Schaustücke — muß demnach ursprünglich 65,
muthmaßlich von M. Miller gezeichnete Blätter enthalten
haben, von denen mit der Zeit elf verloren gingen,
während von anderer bsand drei neue hinzukamen, wodurch
sich die gegenwärtige Blattzahl auf 57 stellt. Größer scheint
der Verlust an Zeichnungen in dem zweiten Theil —
demjenigen der Silbergeräths — zu sein, da sich hier im
Vergleich mit dem Silberregister sehr bedeutende Lücken
ergeben; hier ist die ursprüngliche Zahl der muthmaßlich
Miller'schen Blätter von auf 25 zusammengeschmolzen,
während nur zwei Blätter — darunter eines mit einer absolut
werthlosen Darstellung einer Monstranz — hinzugekommen
sind, so daß der Bestand sich zur Zeit auf 27 Blatt beläuft.

lieber den Inhalt der verlorenen Blätter lassen
sich nur Vermuthungen anstellen. Aus dem ersten Theil
sind u. A. einige Reliquiarien und eine Monstranz durch
den Index zu ermitteln; für den zweiten Theil fehlte jeder
Anhaltspunkt, wenn uns nicht das bereits erwähnte Ver-
zeichniß aus der k. Staatsbibliothek zu f)ilfe käme. Das-
selbe zeigt hinsichtlich der aufgeführten Stücke bei den
meisten Posten eine große Uebereinstimmung mit der nach
unfern Handzeichnungen zu ermittelnden Zahl. Völlig
übereinstimmend ist z. B. die Anzahl der Zimbeln, der
Rauchfässer mit den Schiffchen, der Hostienbüchsen, der
Gluthpfannen; kleine Abweichungen finden sich bei den
Leuchtern, Lichtscheeren und Blumenvasen, während sich die
Zahl der Kannen und Becken nicht kontroliren läßt, da das
Verzeichniß sie nicht einzeln, sondern in Gruppen anführt.
Was aber am meisten auffällt,
ist, daß mehrere wichtige Gat-
tungen, die hier angeführt sind,
unter den Abbildungen voll-
ständig fehlen, die wir demnach
als auf den abhanden ge-
kommenen Blättern dargestellt
vermuthen dürfen. Es sind
27 Kelche (darunter ein ganz
goldener) mit Patenen, ^ Tom-
munikantenbecher, Eiborien,

2Wandleuchter, 6 Tragleuchter;
dazu darf man wohl auch noch
den „Dreyeggeten Leichter mit
den \5 Kerzen" rechnen, der
gelegentlich in einem hand-
schriftlichenBüchlein (v.I. s 66^)
über die Kirchenordnung für die
Michaelskirche erwähnt wird.

Trotz diesen Verlusten ist
aber der Inhalt des älteren
Heilthumbuches noch so bedeu-
tend, daß er die Schenkung
Herzogs Wilhelm im hellsten
Lichte zeigt. Es ist schon oben
darauf hingewiesen worden, niit dem Wappen des Deutschritter-Vrdens.
daß nicht alles Dargestellte

vom Herzog gegeben sein kann, da sich bei einigen Stücken
eine Kostenberechnung befindet; dagegen weisen sich sehr
viele Stücke durch ihre Wappen direkt als seine Schenkung
aus. Mau kann annehmen, daß die im Auftrag des Herzogs

Fig. 8. Außtafel (pax.)
 
Annotationen