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auch für die Behandlung des angewandten Naturformen-
studiuins und hieraus ist cs auch zu erklären, daß das letztere
bisher vorwiegend in naturalistischen: Sinne gehandhabt
wurde, oder in einer Weise, die fast ausschließlich dein De-
korateur, sehr wenig dem plastisch bildenden Kunsthandwerker
Nutzen brachte. Endziele ähn-
licher Art boten auch die mei-
sten Werke, welche die Natur-
formenbenutzung behandelten,
letztere kann erst dann mit Er-
folg gepflegt werden, wenn der
Schüler bereits einer praktischen
Aufgabe gegenübersteht, wenn
er ein technisches Kunstwerk in
bestimmten: Materiale und
in einer bestimniten Technik
herzustellen und die Zweck-,
Konstruktions- und Funklions-
gedanken, die diesen: Gebilde
zu Grunde liegen, in Kunst-
formen auszudrücken hat. Aus
der Bekanntschaft mit den: zu
formenden Material crgiebt
sich erst die Art der Verwend-
ung der natürlichen Vorbilder.
Nur eine Thätigkeit in oben
angedeutetem Sinne deckt sich
mit den: Begriffe des viel miß-
handelte» Wortes „Stilisieren"
Ein Stilisieren ohne Erfüllung
dieser Bedingungen gleicht den:
Bemühen, Worte für einen
nicht vorhandenen Gedanken
suchen zu wollen. Es ist also
ein Unding, eine Pflanze her-
zunehmen :::it der Absicht, die-
selbe stilisieren zu wollen; der
richtige Weg wird vielmehr der
un:gekehrte sein, die Natur-
forn: se nach Material, kon-
struktiven: und funktionellem
Bedürfniß rc. zu einer Kunst-
forn: mnzuwandeln.
Weil jedoch die Form-
sindung auch bei::: technischen
Künstler wie bei::: Dichter und
Komponisten ein instinktiver
Vorgang ist, so läßt sie sich nicht
lehren, wie sich auch das Stili-
sieren, das Anpaffen der Natur-
forn: an einen Kunstform-
gedanken, nicht lehren lassen
wird. Etwas anderes aber wird
dem Unterrichte zugewiesen
werden können auch ohne unmittelbar bildende Thätigkeit der
Schüler, nämlich die Erkenntniß der Verwandschaft der Natur-
mit den Kunstforinen, der chinweis auf die Aehnlichkeit des
Bildungsgcdankens und andere Analogieen, welche an mustcr-
Siltigen Beispielen früherer Stilepochen unter gleichzeitiger Be-
zugnahme auf Naturformen erklärt werden können.
X
Der Schüler n:uß daher vor allen: struktive und stati-
sche Eigenschaften aus der Naturform herausfinden lernen,
deren Verwerthung an der Kunstform ihm klar gemacht
werden kann; er wird darauf auf:::erksam gemacht werden
»nissen, daß gleichwie bei der Naturform so auch in der
or::an:entalen Forn: eine ge-
wisse organische Entwicklung
zu finden sein müsse, und daß
die Schönheit der Formen nicht
in einer Zusammenwürfelung
„origineller" aber fremder
Elemente liege, sondern in log-
ischer Aneinanderreihung von
Einzelheiten, welche einheitlich
als Bestandtheile einer Ge-
sainmtform durchzubilden sind.
Ein besonderer Gewinn eines
solchergestalt durchgeführten
Unterrichts wird für den Schüler
darin liegen, daß er durch das
Studium der so mannigfachen
Formen in Stand gesetzt wird,
selbständigere und eigenartigere
Gebilde zu schaffen, als wenn
er feine Formstudien nur an
den traditionellen, im Lharakter
irgend einer Stilperiode ge-
haltenen, Vrnamentformen zu
»rachen hat. Wie wohl heut-
zutage keine Kunstschule mehr
besteht, welche dem Studiun:
der Antike gegenüber das Stu-
diuin nach dem lebenden Modell
hintansetzt, so müßten auch die
kunstgewerblichen Schulen mu-
tatis mutandis ihr etwas „ver-
gipstes" Gewand auffrischen.
Soviel von den idealen Zielen
Meurer's, welche er bei rich-
tiger Durchführung seiner Lchr-
nrcthode zu erreichen hofft.
Uin noch über das that-
sächlich bis heute Erreichte zu
referiren, sei zunächst auf die
in Zeile { erwähnte kurze Be-
sprechung hingewiesen, welcher
noch Folgendes hinzuzufügen
wäre. Die Arbeiten, welche
M eurer mit pilfe seiner
Assistenten in Ron: fertigen
ließ, wurden finanziell durch
das kgl. preußische Kultus-
ministerium unterstützt, welches
sich dadurch in den Besitz der
Arbeiten setzt, deren geistigen: Krheber jedoch das Verviel-
fältigungsrecht auf die Dauer von fO Jahren überläßt.
Das kgl. Handelsministerium betheiligte sich an dem Unter-
nehmen insoferne, als es die, den Stipendiaten zugewiesenen,
bedeutenden Mittel auf seinen Etat überninnnt. Die beiden
Assistenten, welche dadurch Meurer beigcgeben werden
Blülhenkerze von Akanthus mollis.
3m Aufblühen begriffen.
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auch für die Behandlung des angewandten Naturformen-
studiuins und hieraus ist cs auch zu erklären, daß das letztere
bisher vorwiegend in naturalistischen: Sinne gehandhabt
wurde, oder in einer Weise, die fast ausschließlich dein De-
korateur, sehr wenig dem plastisch bildenden Kunsthandwerker
Nutzen brachte. Endziele ähn-
licher Art boten auch die mei-
sten Werke, welche die Natur-
formenbenutzung behandelten,
letztere kann erst dann mit Er-
folg gepflegt werden, wenn der
Schüler bereits einer praktischen
Aufgabe gegenübersteht, wenn
er ein technisches Kunstwerk in
bestimmten: Materiale und
in einer bestimniten Technik
herzustellen und die Zweck-,
Konstruktions- und Funklions-
gedanken, die diesen: Gebilde
zu Grunde liegen, in Kunst-
formen auszudrücken hat. Aus
der Bekanntschaft mit den: zu
formenden Material crgiebt
sich erst die Art der Verwend-
ung der natürlichen Vorbilder.
Nur eine Thätigkeit in oben
angedeutetem Sinne deckt sich
mit den: Begriffe des viel miß-
handelte» Wortes „Stilisieren"
Ein Stilisieren ohne Erfüllung
dieser Bedingungen gleicht den:
Bemühen, Worte für einen
nicht vorhandenen Gedanken
suchen zu wollen. Es ist also
ein Unding, eine Pflanze her-
zunehmen :::it der Absicht, die-
selbe stilisieren zu wollen; der
richtige Weg wird vielmehr der
un:gekehrte sein, die Natur-
forn: se nach Material, kon-
struktiven: und funktionellem
Bedürfniß rc. zu einer Kunst-
forn: mnzuwandeln.
Weil jedoch die Form-
sindung auch bei::: technischen
Künstler wie bei::: Dichter und
Komponisten ein instinktiver
Vorgang ist, so läßt sie sich nicht
lehren, wie sich auch das Stili-
sieren, das Anpaffen der Natur-
forn: an einen Kunstform-
gedanken, nicht lehren lassen
wird. Etwas anderes aber wird
dem Unterrichte zugewiesen
werden können auch ohne unmittelbar bildende Thätigkeit der
Schüler, nämlich die Erkenntniß der Verwandschaft der Natur-
mit den Kunstforinen, der chinweis auf die Aehnlichkeit des
Bildungsgcdankens und andere Analogieen, welche an mustcr-
Siltigen Beispielen früherer Stilepochen unter gleichzeitiger Be-
zugnahme auf Naturformen erklärt werden können.
X
Der Schüler n:uß daher vor allen: struktive und stati-
sche Eigenschaften aus der Naturform herausfinden lernen,
deren Verwerthung an der Kunstform ihm klar gemacht
werden kann; er wird darauf auf:::erksam gemacht werden
»nissen, daß gleichwie bei der Naturform so auch in der
or::an:entalen Forn: eine ge-
wisse organische Entwicklung
zu finden sein müsse, und daß
die Schönheit der Formen nicht
in einer Zusammenwürfelung
„origineller" aber fremder
Elemente liege, sondern in log-
ischer Aneinanderreihung von
Einzelheiten, welche einheitlich
als Bestandtheile einer Ge-
sainmtform durchzubilden sind.
Ein besonderer Gewinn eines
solchergestalt durchgeführten
Unterrichts wird für den Schüler
darin liegen, daß er durch das
Studium der so mannigfachen
Formen in Stand gesetzt wird,
selbständigere und eigenartigere
Gebilde zu schaffen, als wenn
er feine Formstudien nur an
den traditionellen, im Lharakter
irgend einer Stilperiode ge-
haltenen, Vrnamentformen zu
»rachen hat. Wie wohl heut-
zutage keine Kunstschule mehr
besteht, welche dem Studiun:
der Antike gegenüber das Stu-
diuin nach dem lebenden Modell
hintansetzt, so müßten auch die
kunstgewerblichen Schulen mu-
tatis mutandis ihr etwas „ver-
gipstes" Gewand auffrischen.
Soviel von den idealen Zielen
Meurer's, welche er bei rich-
tiger Durchführung seiner Lchr-
nrcthode zu erreichen hofft.
Uin noch über das that-
sächlich bis heute Erreichte zu
referiren, sei zunächst auf die
in Zeile { erwähnte kurze Be-
sprechung hingewiesen, welcher
noch Folgendes hinzuzufügen
wäre. Die Arbeiten, welche
M eurer mit pilfe seiner
Assistenten in Ron: fertigen
ließ, wurden finanziell durch
das kgl. preußische Kultus-
ministerium unterstützt, welches
sich dadurch in den Besitz der
Arbeiten setzt, deren geistigen: Krheber jedoch das Verviel-
fältigungsrecht auf die Dauer von fO Jahren überläßt.
Das kgl. Handelsministerium betheiligte sich an dem Unter-
nehmen insoferne, als es die, den Stipendiaten zugewiesenen,
bedeutenden Mittel auf seinen Etat überninnnt. Die beiden
Assistenten, welche dadurch Meurer beigcgeben werden
Blülhenkerze von Akanthus mollis.
3m Aufblühen begriffen.
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