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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

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Heft 2
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Krell, Paul F.: Die Papiertapete: das Wesen der Papiertapete [und] aus der Geschichte der Papiertapete [und] die Tapetenindustrie in unserer Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0030

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■#- 20 -4'

Hinsichtlich des schlafzimmers gehen neuerdings die
Ansichten sehr auseinander. Die einen sehnen sich vor Allem
darnach, in diesem Raume nach des Tages buntem Bilder-
wechsel Ruhe zu finden und suchen sich daher die ruhigen,
in dunkleren Tönen gehaltenen Muster aus. Andere, und
aus dieser Leite dürfte namentlich die Damenwelt stehen,
sehen in diesem Raum nicht nur einen Schacht, worin das
Bewußtsein für so und so viele Stunden versinkt, als viel-
inehr eine stille Grotte, in welche sie sich von des Tages
Arbeit und Mühe zurückziehen, um sich einem wohligen
Ruhen und lieblichen Träumen hinzugeben. Ebenso wollen
sie sich ein angenehmes Erwachen bereitet sehen. Die so
Gesinnten finden daher die tiefgetönten, nur in leisem Leben
athmenden Muster (wie sie früher fast allgeniein üblich waren)
ganz und gar nicht zusagend. Sie wählen vielmehr statt
derselben die Rankendessins und duftigbunten Blumenmuster
nach Art jener, welche den Tretonne verzieren, nur von
etwas gedämpfterem Tolorit.

Außer den stilistischen Bedingungen und der Rücksicht auf
die Lokalität ist beinr Entwurf eines Tapetenmusters der all
gemeinen Geschmacksrichtung einer Zeit, der Mode Rechnung
zu tragen. — Der entwerfende Aünstler, der Dessinateur,
wie er genannt wird, erhält vom Tapetenfabrikanten häufig
ganz bestimmte Weisungen, mit denen er wohl oder übel
sich abfinden muß, welche ihm aber allerdings auch eine
gewisse Anregung gewähren. Bei Arbeiten für den Export
ist natürlich eine Hingabe an den speziellen Geschmack und
Wunsch der betreffenden Völker unerläßlich. So will man
beispielsweise in Oesterreich von den großmustrigen, kräftig
gezeichneten, lebhaft colorirten Tapeten, welchen man bei
UNS so häufig begegnet, nichts wissen, vielmehr wünscht man
dort Tapeten mit kleinein Muster, von einfachem Tolorit,

ja mit Toi: in Ton. Wahrscheinlich rührt dies daher,
daß bei den Oesterreichern reichfarbige Möbelstoffe und Dra-
perien beliebt sind, daß somit ein ruhiger Hintergrund ge-
schaffen werden muß. Auch der Amstand mag dabei von
Einwirkung fein, daß, während in Deutschland, und nament-
lich Süddeutschland, meist die Frauen die Tapetei: auswählen,
in Oesterreich die Architekten uiid die Tapeziere, resp. die
Dekorateure dazu berufen werden. Die größeren Tapeten
Händler in Wien halten sich ihre eigenen Tapeziere.

Bon maßgebendem Einfluß auf die Gestalt einer Tapete
sind natürlich auch die finanziellen Erwägungen. Der
Hauptpunkt, um welche sich dieselben drehen, ist die Frage,
wie vielerlei Farben zum Druck verwendet werden dürfen.
Von einer guten Tapete verlangt der Fabrikaiit nicht iiur,
daß sie in weiten Areisen Anklang fiiidet, es koiiiint ihnr
auch sehr darauf an, daß die Zahl ihrer Farbtöne keine sehr
große sei. Es gibt zwar Tapeten mit ^0 Farbtönen und
mehr, gewöhnlich bewegt sich die Tolorirung jedoch in der
Scala zwischen 2 und s2 Töneii. Die Zeichnung des Musters
hat den: Tolorit insoweit entgegenzukommen, daß sie für
mehrere Toloritvariationen geeignet ist. Bei Tapeten mit
wenig Farben hat das Muster derart beschaffen zu sein,
daß es auch Ton in Ton eine gute Wirkung hervorbringe.

Die Tolorirung hat sodann Rücksicht auf die Technik
uiid ihre Eigenthümlichkeiten zu nehiiren. Schon der Am-
stand, daß iiian sich der Deckfarben zu bedienen hat, welche
voi: etwas staubigem Ansehen sind und saftige, satte Töne
entbehren, ist von großem Belang. (Als Bindemittel wird
in Deutschland meist thierischer Leim in lauem Zustande

3. Boudoirtaxete.

französisch, (repou58öe) j)Kantasiemuster. Gold auf grau.
Nachahmung von Goldstickerei.
 
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