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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

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Heft 3
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Gmelin, L.: Kunstgewerbliches von der Weltausstellung in Chicago, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0039

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Alabaster bekleidet, manchmal einschließlich der Decken. Stuck,
Steinpappe und Aehnliches spielen in den Wohnungen des
Mittelstandes gar keine, in denen der Reichen keine bedeut-
ende Rolle. Ebenso verhält es sich mit der Dekorations-
malerei. Dieselbe steht deßhalb auch auf recht schwachen
Füßen. In den Paupträumen der großen poteis begegnet
man oft guten figürlichen Deckengemälden, die durch Gaze
vor Beschmutzung bewahrt werden und von denen jeder
Rellner genau sagt, welcher Aünstler und um welchen Preis fl)
er dieselben gemalt hat; daneben aber verunzieren schreckliche
Ornamentmalereien, die man bei uns kaum einem sechs-
wöchigen Lehrjungen Zutrauen würde, die Wände.')

* *

*

piemit schließen wir die allgemeine Betrachtung der
amerikanischen Wohnungen, aber bevor wir auf die Be-
sprechung des Mobiliars im Einzelnen eingshen, welche Ge-
legenheit genug zu Ergänzungen geben wird, müssen wir
noch kurz die Arbeitsweise der amerikanischen Möbelindustrie
in's Auge fassen.

pinsichtlich der technisch-künstlerischen Perstellung der
Möbel lassen sich zwei Pauptrichtungen unterscheiden, die
zwar in einander Hineinspielen, aber sich doch gegenseitig
fremd sind und bleiben. Die eine geht von der Thätigkeit
der Maschine aus; die andere Richtung verfolgt die freie
künstlerische Bearbeitung des Polzes, besonders durch Schnitz-
erei. Da aber), wie bekannt, in Amerika die menschliche
Arbeitskraft, namentlich bei allen im weitesten Sinn „hand-
werklichen" Leistungen, ein sehr theueres Ding ist, so hat
die Maschine ein viel bedeutsameres Wort bei der Gestalt-
ung des Mobiliars mitzureden, als die künstlerische pand:
Die aus geradliniger Bewegung oder Rotation entstehenden
Formen — ebene Flächen, geradlinige Gesimse, gedrechselte
Stützen, kreisförmige und elliptische Rähmchen :c. bilden
hier den Grundstock der Formenelemente, was nicht aus-
schließt, daß auch gehöhlte Stuhlsitze und geschweifte Arm-
lehnen, geschwungene Tischbeine und glatte Sophalehnen wie
überhaupt alle nicht zu komplizirten, aus dem vollen polz
zu schneidenden Möbeltheile auf maschinellen: Wege her-
gestellt werden. Namentlich geschieht dieß, wenn dasselbe
Stück nicht dutzendweise, sondern gleich in mehreren punderten
von Exemplaren hergestellt wird. Dazu kommen noch Blatt-,
Eier-, Perl-Stäbe und Aehnliches, welche mittelst Stahl-
walze in die dazu vorbereiteten Aehlleisten gepreßt sind.*)
Möbel dieser Art sind für die ainerikanischen Wohnungen
charakteristisch. Sie sind durchweg von einer geradezu be-

') Dem Amerikaner dekoratives Geschick absxrechen zu wollen,
wäre indessen verfehlt; die Ackerbau-Ausstellung und auch viele Staaten-
gebände gaben erfreuliche Beweise von dem großen Geschick, mit welchem
man drüben die verschiedenen Feldfrüchte in freistehenden Gruppen und
an den Wänden hinauf zusammenstellt, oder ganze Innenräume da-
mit in zierlichen Mustern verbrämt.

») Bei besonders reicher Ausstattung (wie z. B. an den Thüren
der vornehmeren Gelasse des bfütel Savoy in New-Pork) sind solche
Jierstäbe aus Bronze hergestellt. — Ueberdieß finden in neuester
Zeit die Maschinenschnitzereien, bei welchem nach einem einzigen als
Lehre dienenden Modell gleichzeitig eine ganze Anzahl anderer ganz
gleicher Stücke geschnitzt werden immer mehr Verbreitung. Line solche
Maschine hatte die Moore Carving Machine Co. in Minneaxolis aus-
gestellt; das Prinzip beruht darauf, daß eine Anzahl Fräsen so mit
einem Führungsstift verbunden sind, daß sie stets genau dieselbe (parallele)
Bewegung machen, welche der Führungsstist über das Modell hin macht.

stechlichen Sauberkeit der Ausführung und von höchster So-
lidität; die stramme Zucht, welche aus denselben spricht,
flößt Jedem schon bei den: ersten Bekanntwerden damit eine
große Pochachtung vor diesen Leistungen ein, die indessen
nur solange vorhält, bis man, oft an denselben Stücken,
gänzlich unverstandenen, wie aus Teig gepreßten oder stümper-
haft geschnitzten Ornamenten begegnet. Die hier gegen-
wärtig herrschenden Stilrichtungen — soweit man von solchen
überhaupt reden kann — kommen in gewissen: Sinne den:
Leistungsvermögen auf diesem Gebiet an: ineistcn entgegen:
den: geradlinigen, steifen Empire-Stil') leistet die Maschine
ebenso willig ihre Dienste wie den: modern englischen Stil,
und mit der Unbehülflichkeit in: freien Schnitzen läuft das
grobe byzantinisch-romanische Ornament parallel. Letzteres
geht bisweilen unmerklich in den Aerbschnittcharakter über.

Auch der Reichthun: an prächtigen polzarten, von
welchen das Forstgebäude auf der Ausstellung in überwält-
igei:der Weise Zeugniß gab/) ist von großem Einfluß auf

den Charakter des amerikanischen Mobiliars, nicht nur in
Bezug auf das oberflächliche Aussehen des polzes (Färbung,
Maserung), sondern auch hinsichtlich der technischen Behand-
lung: fast Alles wird inassiv gearbeitet, — das fournirte
Möbel ist eine seltene Erscheinung nicht nur in den besseren
Räumen/) auch an Stelle unserer Holzfarben angestrichenen * 2

-) In enger Verwandtschaft mit diesem steht der gleichfalls dnrch
einfache, schlichte Formen charakterisirte „Aolonial-Stil", von den Ameri-
kanern so genannt, weil dessen Wurzeln bis zu jener Periode hinab-
reichen, da das Land noch englische Kolonie war.

2) Als Beispiel sei nur eine polirte, etwa halbzöllige Mahagoni-
tafel erwähnt, welche über 2 m breit und 3 ni lang war! — Der
Werth des in den vereinigten Staaten von Nordamerika jährlich ge-
fällten tjolzes wird vom Sekretär für Agrikultur auf rund \ Milliarde
Dollars (H,;80 Millionen Mark) angegeben, wovon ca. 80 °/<> im Lande
selbst verbraucht werden. Der verbrauch von Bauholz ist absolut und
auch im verhältniß viel größer als in jedem anderen Lande der Welt;
trotz dem anscheinend unerschöpflichen Reichthum an kjolz dürfte doch
der Waldbestand in ca. ;oo Jahren völlig aufgebraucht sein, wenn
nicht mit allen Mitteln, namentlich durch Einführung einer geregelten
Forstwirthschaft, dagegen gewirkt wird. (Letztere Angaben nach einer
Mittheilnng vom Patentbureau G. Dedreux, München.)

3) Damit hängt es auch zusammen, daß Intarsien an amerikan-
ischen Möbeln fast so gut wie gar nicht Vorkommen; bei der dekora-
tiven Auschmücknng der Schlafwagen begegnet man denselben häufiger.
 
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