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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

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Heft 4
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Gmelin, L.: Kunstgewerbliches von der Weltausstellung in Chicago, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0046

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aus Ungarn, Türkise aus Persien, Aquainarine aus dem
Ural u. s. w. — man müßte alle Länder auszählen, wenn
inan die peimath all dieser Schätze nennen wollte!

Bei einem auf so breiter Grundlage fußenden Edelstein-
geschäft darf man sich nicht wundern, daß dasselbe that-
sächlich mit der Größe, Schönheit und Zahl seiner Edelsteine
alle andern Geschäfte überragt und daß das paus vollends
mit seinen Filialen in Paris und London der Hauptlieferant
auch an Edelsteinschmuck ist; daß es feine eigene Diamanten-
fchleiferei besitzt, erscheint da eigentlich selbstverständlich. Die
betreffende Gruppe auf der Ausstellung war bekrönt von einem
beständig in Drehung erhaltenen weingelben Diamanten,
der mit seinem Gewicht von \25* 2 3/s Karat1) noch den be-
rühmten Kohinor 2) um 253 */8 Karat übertrifft. Die mit
dunklem Sammt überzogenen Stufen dieser Gruppe waren
bedeckt mit einer Unzahl größerer und kleinerer Schmuck-
sachen, deren U)erth eine Million weit überstieg. Freilich
fiel das Meiste mehr auf durch die natürliche Schönheit des
Materials, als durch die künstlerische Bearbeitung desselben.

Servir-Platte.

In Silber getrieben. Von Gorham Manufacturing Co., New-1)ork.

Tine aus Diadem, breiter Halskette und handgroßem
Brustschmuck bestehende Garnitur z. B. enthielt )47 kleine
und große Aquamarine und s8^8 Diamanten, - aber eine
rechte Freude konnte man an diesem „protzenstück" nicht
haben, sowenig wie an anderen.3) Als Beispiel, zu welchen
Absurditäten man drüben bisweilen greift, mag ein fast hand-
großer Schulterschmuck erwähnt werden, der seine Gestalt
von einer herabhängenden dreitheiligen Spitzenschleife ent-
lehnt und mit st gelben Saphiren, 86 s Smaragden und
1072 Diamanten besetzt ist. Ist auch bei Tiffany die Zahl
solcher ungewöhnlich großer Schmuckstücke eine beschränkte,
so wächst dagegen die Menge der kleineren Stücke, an denen

9 Geschätzt ist der Stein auf ;oo 000 Dollar.

2) Im englischen Aronschatz.

3) Raffinirt ist die Vorführung solchen Frauenschmuckes: es sind

Frauenbüsten von fast schwarzer Farbe aufgestellt, auf und an denen

die betreffenden Schmuckstücke angebracht sind. So abstoßend dieß im

ersten Momente wirkt, so vorthcilhaft ist es für die Wirkung des
Schmuckes; hellfarbige Büsten würden zwar der Natur näher kommen,

aber durch ihre große Masse die übrigen, auf den schwarzen Stufen

liegenden Kleinode beeinträchtigen.

kostbare Steine die Hauptrolle spielen, — Brachen, Ringe,
Uhren, Parfümfläschchen, Dosen, Schreibstifte u. s. w. — ge-
radezu in's Unübersehbare. Eine bestimmte Stilrichtung ist
wohl hin und wieder wahrzunehmen, aber kein Stil kann
eigentlich als herrschend angesehen werden; alles ist nur auf
brillante farbige Wirkung und hohe Kostbarkeit hin com-
ponirt, — wo es gerade zu paffen scheint, werden altägyptische
Skarabäen, assyrische Keilschriftcylinder oder griechische Gem-
men neben modern geschliffene Topase gesetzt und Aehnliches.
Ein besonderes Schaustück war die Darstellung einer wild
ente (in wirklicher Größe), die eben den Umschlingungen
einer Klapperschlange erliegt uitd deren geöffneter Schnabel
zur Aufnahme eines Dochtes diente; das Ganze bestand im
Kern aus Silber, die Schuppen der Schlange aus Opal,
Kopf und Klappern aus amerikanischen perlen, die Augen
aus Smaragden; diese Farbenwirkung bestach jeden, — aber
das Email, welches das Gefieder der Ente selbst darstellte,
und die Durchbildung des Kopfes und der Füße reichten
bei Weitem nicht an ähnliche japanische Arbeiten. -

Auch Korallen, Muscheln, Perlmutter, Elfenbein, ge-
fchnittenes Glas oder auch Steineinlagen und kostbare Polz-
arten werden zur Ausstattung von allerlei Phantasie- und
Luxusartikeln herangezogen; Fächer aus dünngeschliffenem
Nephrit, Schüsseln und Waffen aus Eisen mit Aetzung oder
Tauschirung, Scheeren und Buchbeschläge mit buntem Email,
Stock und Schirmgriffe aus Metall, mit Steinen besetzt,
Notizbücher und Tigarrenetuis aus Schlangenhaut ■— das
mögen einige Beispiele sein aus Tiffany's weitem Arbeits-
gebiet, in welchem so ziemlich jedes Gebrauchsgeräth Platz
gefunden und dessen Centrum doch eigentlich im Bereich der
reinen Silberwaaren liegt.

Der Gesammteindruck der Tiffany'schen Gruppe, nament-
lich soweit man die größeren Arbeiten aus Silber in's Auge
faßt, war der, daß Alles, was einer Künstlerphantasie ent-
springen kann, hier willige Ausnahme findet — nur nicht
das schon Dagewesene; hiergegen besteht eine ganz entschiedene
Abneigung. Sobald ein in Tiffany's Diensten arbeitender
Kunsthandwerker nichts Neues mehr erfinden kann, wird
er für ihn werthlos; dem gleichen Geschäftsgrundsatz ist es
auch zu verdanken, daß — wie uns mitgetheilt wurde —
keines der Stücke schon auf einer anderen Ausstellung zu
sehen und daß weitaus das Meiste für die Chicago-Aus-
stellung angefertigt worden war. — Deshalb ist auch weder
von dem Festhalten irgend einer bestimmten Stilrichtung,
noch gar von einem Nachahmen bestimmter älterer Stücke
irgendwie die Rede. Man steht vor einer Kunstrichtung,
die man nicht ganz begreift, die aber im Einzelnen so
manchen Keim der Schönheit in sich trägt, daß man wohl
an ihre Zukunft glauben kann; es sind fremdartige Klänge,
die hier an unser Ohr schlagen, aber sie ertönen manchmal
so syrenenhast, daß man von ihrem Zauber befangen wird.
Zu einem gewaltigen Gährungsprozeß haben sich hier alle
je in die Erscheinung getretenen Stilarten vereinigt; indische
und chinesische, altägyptische und arabische, griechische und
keltische, ja sogar peruanische und altindianische Formen und
Ornamente vermählen sich hier mit den aus der Renaissance
abstammenden Motiven und mit modernstem Naturalismus.
Ein silberner Toilettetisch mit Drehspiegel und 6 Kerzen
armen erinnert an Marie Antoinette's Zeit, bei einer großen
eisernen Schüssel mit geätzten Ornamenten und silberner
 
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