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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

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Heft 8
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Bock, Fr.: Byzantinische Purpurstoffe mit eingewebten neugriechischen Inschriften: "Pallium litteratum" mit Elephantenmuster im reliquienschreine Karls des Großen des Aachener Münsters
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https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0079

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■h 69 •*

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p Lingewebte byzantinische Inschrift

aus dem Glephantenstoff (Tafel 50 u. 5^) in dem Reliquienschreine Aarls des Großen zu Aachen. (Wirkliche Größe.)

(A)

Die zum zweiten Mal unter unserer Acberwachung von
stilkundiger Hand auf dem Vriginalgewebe der Reliquien-
hülle im Jahre s86s durchgepauste Webeinschrift in natür-
licher Größe zeigt eine eigenthümliche Verbindung von Ancial-
und Minuskelbuchstabcn. Das vielfach verschnörkelte und
durch Webefehler entstellte legendariurn ist auf dunkelrothem
Purpurfonds in intensivgelber Farbe ersichtlich an der unteren
Seite des Scidengewebes rechts, unmittelbar über der Weber-
kante — vgl. unsere farbige Tafel.

In griechischer Minuskelschrift mit Einklammerung der
fehlenden Buchstaben würde die Inschrift nach den unten
folgenden Erläuterungen den Wortlaut ergeben:

f ’ETei M(i)x(ai]X) 7tpi(fu)x(r]pwo) xot,x(6)vos) v.od eiSocoö
f Ilexpou <2p)(ovxo(s) Zsu^Tjuou üvS(ixxtöjvos),? (C)

Die Übersetzung würde den Sinn geben: Unter Michael
dem Mberstkämmerer und Rcchnungsrath der Kaiserlichen
Privat-Schatulle während Petrus' Verwaltung des Zeuxippos.

Da unseren langjährigen Forschungen auf textilem Ge-
biete das Studium der Paläographie und der byzantinischen
Alterthumskunde ferne liegt, so war es Aufgabe, zunächst
durch Beihilfe kundiger Fachmänner des In- und Auslandes
die richtige Lesung der in vielen Punkten dunkeln webe-
inschrift genauer feststellen zu lassen.

Es sei gestattet, in Folgendem, so weit es der enge
zugemessene Raum der vorliegenden Zeitschrift zugibt, die
Ansichten hervorragender Gelehrten zur Richtigstellung obiger
Webe-Inschrift hier in Kürze folgen zu lassen.

Professor 21. Kondakoff, Direktor des Kaiserlichen
Museums de 1’Ermitage zu St. Petersburg, dein wir, wie
auch den übrigen Fachgelehrten eine Pause der Inschrift zu-
gesandt hatten, war der Erste, der in einem längeren Schreiben
die ältere Lesung der beiden Pariser Jesuiten auf die Probe
stellte. Der russische Gelehrtedem die Alterthuinskunde
mehrere vortreffliche Werke verdankt, erklärte sich im Ganzen
und Großen mit der ersten Entzifferung der beiden fran-
zösischen Archäologen ziemlich einverstanden. Nur mit der
Lesung des Schluffes »inäicrio 6«, die von Einigen auf-
gestellt worden ist, war derselbe nicht einverstanden, sondern
in den letzten Buchstaben der zweiten Linie erkennt Prof.

>) Als hervorragendste Leistung dieses ausgezeichneten Archäologen
ist in jüngster Zeit durch die Munifizenz Sr. Lxcellenz des russischen
Ltaatsrathcs, Herrn von Swenigorodskoi, ein polychrom aufs reichste
ausqestattetes prachtwcrk erschienen, das in einer russischen, französischen
und deutschen Ausgabe die vollständige „Geschichte des byzantinischen
Zellenschmelzes" erschöpfend behandelt mit besonderer Berücksichtigung der
einzig in ihrer Art dastehenden Sammlung A, w, v. Swenigorodskoi.

Kondakoff nicht einen Buchstaben „B der Indiktion", sondern
ein s (s) und liest demnach SvSuraövo? oder auch ivStxxrj?.
Auch über den viel umstrittenen »archonte d’Eubee?« er-
hebt derselbe Gelehrte Zweifel Utid glaubt im Hinblick auf
den Charakter der Schriftzüge seine Ansicht dahin aussprechen
zu sollen, daß die Datirung des Gewebes viel später als
das 9. Jahrhundert, die Zeit der Karolinger, anzusetzen sei.

Von wenigerem Belang waren die Erläuterungen des
französischen Akademikers Schlumberger, der in einem
kurzen Schreiben an E)r. Krumbacher in München an dent
Archonteri von ElTHÜOr festhält, welche letztere Bezeich-
nung er gleichbedeutend mit Negroponte, Euböa auffaßt.
Was die Entstehungszeit des kaiserlichen Purpurgewebes
betrifft, so glaubt derselbe im Hinblick auf den Typus der
Buchstaben das Gewebe in das f3., sogar in das sch Jahr-
hundert versetzen zu sollen, eine Annahine, die mit seiner
vor zwei Jahren — allerdings auf das Facsimile bei Tahier
und Martin hin in seinem gelehrten Werk »Nicephoros
Phocas«1) ausgesprochenen Meinung im starken Widerspruch
steht. Aus Seite ^37 seines unten citirten Werkes näntlich
lautet seine damalige Auffassung wörtlich wie folgt: Elve
inscription byzantine, qui semble du dixieme siede . . .

Den erfolgreichen Forschungen des Herrn Geheimrath
Dr. Äsen er, Professor an der Universität zu Bonn, ist es zu
danken, daß derselbe in ilebereinstimniung mit gelehrten
Kollegen der Universitäten Leipzig und Jena neue Tonjek-
turen über eine verbesserte Lesung der fraglichen Webe-Inschrift
aufgestellt und das Dunkel, welches noch über verschiedene
Ligaturen und Abkürzungen herrschte, aufgehellt hat. Wenn
auch die Lesung in der ersten Zeile npiiuxrjpfou an Stelle
der betreffenden Abkürzung Pros. Gelzer noch zweifelhaft
erscheint, so hält Professor Usener, wie es auch unsere Lesung
oben unter 6 und C erkennen läßt, in Uebereinstimmung
mit Prof. Gardthausen und Hase an dieser Trans-
scription fest.

An: meisten Schwierigkeiten verursachte die Lesung des
dritten Wortes in der zweiten Zeile, welche Ligatur auf der
Farbtafel bei Cabier et Martin vol. II planche XI durchaus
unrichtig kopiert und wiedergegeben ist.

Den Professoren Usener und Gardthausen gebührt das
Verdienst, daß dieselben auf Grundlage der durchgepausten
Webe-Jnschrift (X) das vielgedeutcte EI'PHIIOf der zweiten
Zeile, 'aus dem Hase und andere Euripus, Negroponte rc.
herausgelesen hatten, fallen ließen und dafür die bedeutsame

») vgl, Gust, schlumberger, membre äe I'Insrirur. Un Em-
pereur Byzantin aux dixieme siede, Niciphore Phocas. Paris *890.

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