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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

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Heft 8
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Bock, Fr.: Byzantinische Purpurstoffe mit eingewebten neugriechischen Inschriften: "Pallium litteratum" mit Elephantenmuster im reliquienschreine Karls des Großen des Aachener Münsters
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https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0080

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Lesung Zsu&rjTTOo einsetzten. Mit dieser glücklichen Deutung
erklärten sich auch in einem Schreiben r>om jüngsten Datum
an perrn Geheimrath Ilsen er die Professoren Geiz er
und Gundermann einverstanden. Des beschränkten Raumes
wegen ist es hier nicht am Orte, die gelehrten Auseinander-
setzungen und Titate wiederzugeben, die der obigen Lesung
und Deutung das Wort reden. Im Interesse der philo-
logischen und archäologischen Wissenschaft wäre es zu wünschen,
daß in einer einschlagenden Zeitschrift von berufener Feder
die Gründe eingehend entwickelt würden, die für die im Vor-
stehenden angedeuteten verbesserten Lesarten der oft venti
lirten Webe-Inschrift maßgebend sind.

Was zunächst die Zwecke der vorliegenden Zeitschrift
zur Förderung der Runstindustrie aus textilein Gebiete be-
trifft, so ist es als Gewinn zu betrachten, daß durch die oben
angedeutete rectifizirte Lesung der Inschrist in der zweiten
Zeile die Werkstätte — nach heutiger Sprechweise das
Fabriklokal — näher bezeichnet ist, in welcher auf Rosten
des kaiserlichen Aerars unser Llephantenstoff gewebt worden
ist. Diese Weberwerkstätte, offenbar identisch mit dem
gynaeceum, in welcher neben den kostbaren Purpurwebereien
auch von kunstgeübten Frauenhänden die reich in Gold und
perlen gestickten Ornate für das kaiserliche vestiarium (xoitwv)
angefertigt wurden, befand sich in einem ausgedehnten, an
tiken Bauwerke, dem Zeuxippos. Dieser umfangreiche Ge-
bäudekomplex, im Anschluß an ein altes Zeusheiligthum
unter Raffer Severus erbaut, umfaßte ehemals öffentliche
Bäder, Wandelgänge mit mächtigen Säulenhallen, an welche
sich Verkaufsmagazine und Werkstätten zur Anfertigung von
Rleinkunstgegenständen anlehnten; der heutige Bazar in
Stambul, dort besestin genannt, ein wahres Labyrinth von
alten und neueren Pallen und mit einem Walde von Säulen,
dürfte als Reminiszenz an den ehemaligen Zeuxippos zu be-
trachten fein, x) der wahrscheinlich an derselben Stelle sich
befand, wo heute der Bazar jenseits des „goldenen Porns"
sich ausdehnt.

Den Angaben des Lodinus und anderer zufolge fielen
in dein Nika-Aufstande verschiedene Bauten des ausgedehnten
Zeuxippos der Zerstörung anheim; in den nicht zerstörten
oder wiederhergestellten Räumen dieses mächtigen Bauwerkes
befanden sich, dem Berichte älterer byzantinischer
Schriftsteller zufolge, auch verschiedene Werkstätten
(ipyctaT'/jpLa.), insbesondere solche für Goldschmiede und Schmelz-
künstler, die hier die Ornate und Feierkleider des Pofes,
insbesondere aber für den kaiserlichen xoitüjv jene herr-
lichen Zellenschmelze (ernaux cloisonnes) anfertigten, welche
in Verbindung mit vielfarbigen Nadelmalereien und Perl-
ftickereien die Säume — lora — und Verbrämungen —
chrysoclavi — der kaiserlichen Gewänder zu heben und
zu verzieren bestimmt waren, ff Ls ist anzunehmen, daß
mit diesen Werkstätten für kostbare ärarische Goldschmiede-
und Zellenschmelz-Arbeiten auch das gynaeceum unmittelbar
in Verbindung stand, in welchem jene reichen Purpur- *)

*) Ausführliches über den Zeuxippos mit seinen kj allen, Verkaufs-
magazinen und Werkstätten findet sich bei Du (lange, Constantinopolis
Christiana I, 37. 2 (im Corpus byzantinae historiae, tom. XXI —
Venet. 1729 — pag. 74—78).

2) Auch an dem saccos und den übrigen sacralen Gewändern des
Patriarchen, vornehmlich in den Tagen des prachtliebenden Konstantin
Porphyrogenitus, kommen solche plicae aureae mit vielfarbigen Zellen-
schmelzen vor.

Webereien in Verbindung mit Gold- und Perlstickereien von
kunstgeübten Frauenhänden angefertigt wurden. Diese meist
reichgemusterten Purpurwebereien mit polychromen Stickereien
und aufgenähten plicae aureae von eingefchmelzter Arbeit
waren ein Reservat für den kaiserlichen Pos und durften von
noch so hochstehenden Fremden weder angekauft noch aus-
geführt werden. Solche Prachtwebereien der ärarischen Werk-
stätten in: Zeuxippos wurden von verschiedenen Raffern an
hervorragende abendländische Fürsten und Rönig-Höfe als Ge-
schenke zugleich mit goldenen Rronen übersandt; auch durch
jüdische Raufleute gelangten solche ärarifche Purpurstoffe
durch Bestechung der Beamten der epyxo-z^p'.x auf Schleich-
wegen in das Abendland und wurden an den pöfen und
von Rirchenfürsten für hohe Preise angekauft, ff Wenn also
die Lesung des dritten Wortes der zweiten Zeile Zeuxippos
an Stelle des unhaltbaren supYjTzou sich als richtig erweisen
sollte, so ließe die vielfach besprochene Webe-Inschrift keinen
Zweifel darüber aufkommen, daß in einem Theile des
Zeuxippos das ärarische Webe- und Stick-Institut sich be-
fand, in welchem unter einem kaiserlichen Oberstkämmerer ff
und einem Direktor, als artistischen und technischen Leiter,
die Pof- und Feierkleider für die Schatz- und Gewandkammer
der Raffer angefertigt wurden.

Ls wird in der Folge schwer halten, den Nachweis zu
erbringen, wann die beiden in der Inschrift genannten Pof-
beamten Michael und Petrus gelebt haben, um so auch die
Zeit der Anfertigung unserer Textur genauer bestimmen
zu können. Auch die noch sehr zweifelhafte Indiktion 6 (?),
die zugleich mit den beiden oft genannten Jesuiten deutsche
Schriftkundige am Schluß der zweiten Zeile gefunden haben
wollen, dürfte, wenn sie sich auch als richtig erweisen sollte,
dennoch kein hinlängliches Licht über die Thronologie unseres
Purpurgewebes verbreiten. Um Anhaltspunkte zur chrono-
logischen Fixirung unseres pallium elephantinum zu gewinnen,
find zunächst die reich stilisirte Musterung desselben, die ent-
wickelte Farbtönung und die heute noch vorfindlichen form-
verwandten Texturen zu Rathe zu ziehen, deren Lntstehungs-
zeit ziemlich feststeht. Was nun zunächst die reich stilisirten,
wiederkehrenden Muster des Gewebes, ferner den harmoni-
schen Wechsel der vielen Farben und endlich die vollendete
Solidität und Technik des Gewebes betrifft, so muß unbedingt
zugegeben werden, daß der Aachener Purpurstoff die Pöhe
der technischen und artistischen Lntwickelung bezeichnet, den
die Weberei, das schwierige opus pecrinis, in dem kaiser-
lichen Weberhaus (Zeuxippos) zu Byzanz in der letzten pälfte
des \2. Jahrhunderts erreicht hatte.

Mit dieser Annahme scheint auch übereinzustimmen
die phantastisch reiche Aufzäumung und Ausstaffirung der
Llephantenbilder, die ornamental behandelten Satteldecken nebst
zierlichem Riemenwerk und den Spangen an den unteren
Fußtheilen; auch das merkwürdige Pflanzengebilde, das aus
blumenreichem Erdreich hinter den Llephanten aussproßt, redet
in seiner originellen, gesuchten Lntwickelung obiger Annahme
das Wort. Dasselbe dürfte als Lebensbaum der Lotophagen

ff Line solche planeta, offenbar aus dem Weber- und Gewand-
Hause des Zeuxippos herrührcnd, mit kolossalen, nicht von Kreisen ein-
gefaßten Adlern, im dunkeln und Hellen Purpur durchwirkt, befindet
sich heute noch im Lchatze der Domkirche zu Brixen; diese seltene easula
aquilinata dürfte dem Beginne des XI. Jahrhunderts angehören,
ff Primicerius cubiculi et comes rerura privatarum.
 
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