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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

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Heft 10
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Hondt, Pieter de: Flandrische Teppiche
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https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0095

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ach und nach entstehen unsere alten Kunstindustrien wieder!
Jene bewundernswerthen Industrien, welche Flandern
während des Mittelalters mit einem künstlerischen Glorien-
schein umgaben; welche dann durch einen Wechsel der
Mode — eine jener Verirrungen, die dem heißen Wunsch nach Neuem
entsprießen — in Ungnade gefallen waren oder untergegangen in
den Leidenstagen unseres Landes: sie sind jetzt der Vergessenheit
entrissen, wiederbelebt und in ihrem ganzen verführerischen Zauber
neu erstanden.

, Nicht weit vom „Anghemannen Los" der rue de Jardin zu
Antwerpen (in der rue du vieux Llraleau) erhebt sich das lfaus der
Gräfin Jearme de Merode, unter deren edlen Schutz sich die „Fabrik
flandrischer Teppiche von Westerloo-Blauberg" gestellt hat, die dem
ksause Guillon & <£o. (Grands magazins de la Bourse) gehört. Der
herrschaftliche Wohnsitz der Merode, unter dem Zeichen der heiligen
Elisabeth stehend, macht einen zugleich ernsten und amnuthigen Eindruck.
Der krauch künstlerischer Vergangenheit, der dies Gebäude durchweht,
sollte den Uebergang zu den Meisterwerken der Teppichwebekunst wie
sie irr den früheren Zeiten entstanden, erleichtern, deshalb wurde gerade
hier eine Werkstatt für flandrische Teppiche gegründet.

Die Ausstellung der «Magazins de la bourse« ist sehr bemerkens-
werth und nichts beeinträchtigt weder den schönen Gesammteindruck
noch die innere Einrichtung der Räume. Das dein Publikum zugäng-
liche Gemach ist in ein sanftes Liäft gctaudft, welches durch buntfarbige
Scheiben fällt, und ist im alten flandrischen Styl gehalten. Die Ein-
richtung dieses Zimmers besteht hauptsächlich aus Täfelwerk; Decke
und Möbel sind aus Eichenholz und links vorn Eingang ist es in
seiner Länge von einem großen Teppich-Wirkstuhl besetzt; im kfinter-
grund, an der Breitseite, durch einen gleichen, der aber von geringerer
Größe ist. vor diesen Wirkstühlen denke man sich eine Anzahl Ar-
beiterinnen; alle gleichmäßig im blauen Anzug, den klopf mit dem
althergebradften weißen Bänbcheu der Arbeiterinnen de la Larnpine
bedeckt. —

In dem kleinen Saal, wo in den Sonnenstrahlen, welche durch
die bunten Scheiben fallen, geheinmißvolle Erinnerungen vergangener
Jahre zu schweben scheinen, haben die schweigenden Arbeiterinnen

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Nachdruck verboten.

vor den Wirkstühlen Platz genommen und rollen über ungeheure
Walzen von polirtem Eichenholz aus hundertjährigen Baumstämmen
hergestellt, die schönfarbigen Teppiche. wie die Saiten einer kfarfe in
einer Linie nebeneinander aufgezogen sind, so auch die Leinenfäden,
auf welche die Arbeiterinnen mit staunenerregender Geschicklichkeit die
bunten Wollenden knüpfen. Mit kfülfc eines schweren klammes aus
Metall werden diese letzteren aneinandergepreßt und bilden so die
dicken, weichen Teppiche, deren Zusanrmensetzung durch verschiedene
Farben die weitgehendste Abwechslung gestattet.

Die kleinen Zauberinnen, welche bei dieser täuschend nachgeahmten
Mosaikarbeit die wunderbarsten Gebilde schaffen — die Muster sind
aus klarten vorgezeichnet - neigen sich über den Wirkstuhl und halten
auf ihren klnieen Kästen, denen sie die verschieden gefärbte wolle
entnehmen. Diese Kasten gleichen in ihrem zarten und doch glänzenden
Farbenreichthum den Paletten der berühmtesten Maler. Die kleine
Werkstatt in St. Elisabeth, wo beständig zahlreiche Zuschauer be-
wundernd den geschickten ksänden dieser künstlerisch veranlagten Ar-
beiterinnen folgen, ist der schlagendste Beweis des Erfolges, welchen
das edle Werk der Gräfin Merode unterstützt von M. Guillon, er-
reicht hat. Dieses interessante Unternehmen, welches eine unserer
ältesten und hervorragendsten Industrien erneuert und welches Belgien
in den Stand setzt, in Mitbewerb mit den größten Teppichfabriken
des Auslandes zu treten, gibt tausenden von jungen Leuten im Alter
von n—20 Jahren Arbeit. Der Gräfin Merode und M. Guillon
ist es gelungen, die Einnahmequellen einer großen Zahl einheimischer
Familien dadurch zu vergrößern, daß sie, wie in Schlesien und Böhmen,
Kinder zur Teppichanfertigung verwenden. Um das Gedeihen des
Werkes zu fidler», müssen sie die Teppiche, nachdem die letzte Band
an deren Vollendung gelegt war, zu denselben Bedingungen und Preisen
darbieten können, wie die fremden Produzenten.

Da und dort an die wände gehängt, durcheinander auf die
Erde geworfen oder über ein Möbel malerisch hingelegt, fallen die
Teppiche des kjauses Guillon 8c Lomp. dem Beschauer gleid; in die
Augen. Da sind Teppiche 'mit Zeichnungen nach alten und neuen
Mustern, gewebt oder mit der Band geknüpft, ä Jaquard u\; Zimmer-
teppiche und Foyerteppiche, Bettvorleger, Läufer zu Treppen und

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