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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1894

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Heft 11
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Stockbauer, Joseph: Das Holz im ländlichen Kunstgewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.6754#0108

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hältnissen: er setzt seine Jahresringe enger aneinander, wird zäher
und ausdauernder und liefert dann ein kiolz, das für gewisse technische
Zwecke, 5. B. Musikinstrumente, vor allem andern bevorzugt wird.
Auf besserm und feuchtem Boden, geschützt vor Wind und großer Kälte,
wächst der Baum rasch und kräftig in die bsöhe, sein I70I3 ist weicher
und zarter und hat eine besonders große Spaltfähigkcit, cs läßt sich,
wie bei Siebsargen, in die dünnsten Platten zerlegen und spalten, gibt
überall nach und hat am wenigsten Selbständigkeit und Charakter.
Ls kann auch Vorkommen, daß vor der Zeit die schlimmen Einwirkungen
von Wind und Kälte den Baum in seiner normalen Entwicklung
hemmen: er wird dann ungeschlacht und verwildert, fein Wuchs nimmt
spirale Drehungen an, knorrige Aeste verderben sein Aussehen und
Ansehen; er ist bloß noch zu Brennholz nutze. Die Anwendungen
und Parallelen niit dem Menschenleben ergeben sich von selbst.

Noch, eines hat aber der Baum des Waldes mit denr Menschen
gemein: seinen Eigensinn. Das lfolz behält seinen ursprünglichen
Lharaktcr und man muß auf denselben Rücksicht nehmen. Die spitzen
Kirchthürme, wie schauen sie oft so originell gewunden und gedreht
aus! Ursprünglich hatten sie diese Gestalt nicht. Die Schindeln, mit
denen der Bauer sein Dach deckt, wie werfen sie sich je nach Regen
und Sonnenschein, wie wächst und verdreht sich das Dachgespärr in
ksäusern zu den festesten Verbindungen, während das Auge eher den
Zusammenfall desselben erwarten möchte!

Was wäre das ganze Menschenleben ohne den so wohlthätigen
Wald! Völker und Reiche verkümmerten, wo eine thörichte Aus-
rottung der Wälder den nothwendigen Wasserzufluß absperrte. Ueber-
schwemmungen und Verwüstungen sind die Folgen der Ausrottungen
der Wälder in den Gebirgen und Jahrhunderte können nicht ersetzen,
was thörichte Gewinnsucht in Wochen und Monaten verschuldete. Der
Waldbestand ist nicht bloß ein Nationalreichthum, er ist auch die Grund-
lage einer gedeihlichen Wirthschastsentwicklung, er ist die ergiebigste
Tuelle zur Beförderung von Gesundheit, Leben und Kraft des Ein-
zelnen und des Ganzen. Wer noch nie erfahren, wie der im Dienste
des Berufes in unseren rauchigen Städten abgemattete Geist beim
Aufenthalte in den Wäldern sich kräftigt und erfrischt, der hat den
schönsten Genuß entbehrt.

Zu den ältesten Gewerben und industriellen Thätigkeiten gehören
die Bearbeitungen des lfolzes. Die ersten und ältesten Werkzeuge,
die sich der Mensch selbst gemacht, waren aus bfolz, das erste ordent-
liche lqaus war ein kjolzban.

Der Zimmermann leitet das lholzgewerbe ein: er baut die Zimmer,
er macht das lfaus. Art und Säge find seine Werkzeuge, damit fällt
er die Bäume, richtet sie zu und stellt über dieselben, wenn er sie zu-
sammengefügt hat, das mehr oder weniger kunstlose Dach.

Der kfolzbau gehört so recht eigentlich in die Berge und in das
Gcbirg. lficr kommt er zur vollen Geltendmachung seiner Schönheit.
Das weitausladende Dach, das den Unterbau gegen Regen und Nässe
schützt, die Galerien unter demselben, das reich geschnitzte Dachgespärr,
die auf technischen Gründen beruhenden Ueberkragungen der Stock-
werke, dazu die Blumen vor den Fenstern und auf den Galerien, die
Zuthatcn von Farben an Fensterläden, Altanen und den Dachsparren,
die Giebelverzierungen und ein gemüthlicher Spruch, sie heben den
braunen Bau so wohlthätig ab von dem grünen Waldesgrund und
dem blauen ksimmel und setzen das lfaus in wohlthuende Harmonie
zu der frischen farbenbunten Tracht der fröhlichen Bewohner.

Wie das Aeußere, ebenso anmuthig, echt gemüthlich, hat der
Zimmermann das Innere des lfauses, vor Allem die große Stube,
hergerichtet. Die roh behauenen Balken hat er mit Brettern ver-
kleidet, vertäfelt, darüber ein vorspringendes Gesims angebracht, das
die Vertäfelung abschließt und über den Fenstern weggeht; die Zwischen-
wand zwischen Decke und Vertäfelung hat der Maurer weiß getüncht
und die Decke selbst ist in der einfachsten, dem Zweck und Material
vollkommen entsprechenden und deshalb schönen Art hergestellt.

Jetzt kommt der Tischler an die Reihe; er möblirt das Zimmer,
er stellt den Familientisch in die Ecke und umzieht die Wände mit der
fortlaufenden bequemen Bank. J,n Gefolge des Tischlers erscheint
der kiafncr und setzt den großen Kachelofen aus tellerförmigen Kacheln
oder reliefirten grünglasirten Platten zusammen. Auf der Bank vor
ihm, der Mfenbank, spielt sich im Winter das traulichste plauderleben ab.

Was bedeuten gegenüber dem in einem so eigenartigen einfachen
Zimmer alle die Luxusmöbel, welche die spätere Zeit erfand! Das
Sopha, Kanapee, der Divan und wie die Ausdrücke alle heißen, sind

von fremdster zn uns gekommen und bewahren stets etwas Fremd-
artiges. Welche Wandlungen hat man doch mit ihnen vorgenommen
bis anf den heutigen Tag und ist damit noch lange nicht zum Ab-
schluß gekommen, und doch haben wir, wollten wir unsere deutsche
Stnbe etwas prächtiger schmücken, die schönsten Vorbilder aus alter
Zeit: ich meine die losen Kissen anf den Bänken und dahinter die
faltigen, an Knöpfen mit Ringen befestigten Rücklacken oder Teppiche,
an deren Ausschmückung die kunstfertige weibliche lfand sich so sehr
Genüge thun kann.

lfeutzntage bedeuten Tischler und Schreiner das Gleiche. Früher
war das nicht so. Der Schreiner Hatto seine Aufgabe für sich, er stellte
die Schreine, die Kastenmöbel her. Die einfachste Art dieser Möbel
bestand, in der Truhe, in der die Kleider, Wäsche, Weißzeug über-
haupt, aufbewahrt wurden. Das junge Mädchen spann sich den Flachs
und verwahrte die daraus gefertigte Leinwand in derselben, um später
diesen Brautschatz in der Branttrnhe dem Bräutigam ins Baus zu
bringen. In Italien wurden aus diesen Truhen Meisterwerke der
lsolzbildhauerei, nicht minder in Deutschland, wo das Schnitzwerk durch
Einlagen und architektonische Gliederungen ersetzt wurde.

;o. Tasse in emaillirtem Silber von bsans Lcncker.

In der kgl. Schatzkammer zu München.

Neben der Truhe brachte sich der Wandschrank zur Geltung,
zur Aufbewahrung der Kleider und zu Wirthschaftszwecken, z. B. zur
Aufbewahrung der Milch im Zimmer. Rein äußerlich hat er mit der
deutschen Truhe die nächste Verwandtschaft insofern als die ins Breite
gehende Ausgestaltung der letztern, beim Schrank eine vertikale Richt-
ung anstrebte. Genetisch ist er aus der Vertäfelung erwachsen und
war mit ihr anfänglich auch fest verbunden gewesen. Ein Nachklang
dieser Verbindung ist uns noch in den in -die Mauer eingelassenen
Wandschränkchen der Gebirgshäuser erhalten.

Jetzt haben wir eine Menge Kastenmöbel aus der Fremde ein-
geführt und der sogenannte gute Ton hat ihnen gute Aufnahme ge-
währt. Wir haben das Buffet, das ursprünglich ein Lattengestell zur
Schaustellung der Prunkgefäße an größeren Tafeln war, aus Frank-
reich genommen, ebenso die Kommode, der Ehiffoniere, ursprünglich
zur Aufbewahrung der Lumpen bestimmt, und das Dreffoir oder der
Anrichtetisch, dann den vertico aus dein Lande der Phantasie. Ans
kirchlichem Gebrauch stammt die Kredenz, ein kleiner Tisch mit Zwischen-
xlatte, zum Aufstcllcn der für lsandreichungen an der Tafel nöthigen
Geräthe.

lsat unsere Einrichtung durch dieses Durcheinander von Möbeln
gewonnen? Niemand wird das im Ernst behaupten. Bei der Aus-
stellung ;8?s in München fiel recht wohlthuend das Seidl'fche Baucrn-
zimmer auf und ein französischer Berichterstatter sprach sich irgendwo
darüber in einer Weise aus, daß man erkannte, gerade diese Stube
habe ihm am meisten imponirt. Sie sei etwas ganz eigenes, sagte er,
etwas spezifisch deutsches und ansprechender als alle andern Einricht-
ungen von Zimmern auf der Ausstellung. Wir würden einfach sagen,
es war ein gemüthliches Zimmer, es bewirkte in dem Beschauer jenes
Gefühl, das wir Gemüthlichkeit nennen, ein Wort, für das andere
Völker keinen Ausdruck haben.

Der eigenthümliche Reiz dieser Bauernstuben wird wesentlich er-
höht durch eine Art der Bemalung, wie sie in früherer Zeit, noch zu
Anfang dieses Jahrhunderts überall im Gebirge heimisch war und
die trotz aller Unvollkommenheit in ihrer charakteristischen Eigenthüm-
lichkeit durch nichts kann erseht werden.

Noch zwei Möbel sind zu nennen als wichtige Bestandtheile des
Bauernhauses — das Bett und die Wiege, kjat letztere außer ihrer
 
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