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Frimmel, Theodor von [Hrsg.]
Blätter für Gemäldekunde — 2.1906

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Heft 2
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Die Überbleibsel eines Marienbildes von Albrecht Dürer
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https://doi.org/10.11588/diglit.27899#0063

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Nr. 2.

BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.

39

Unter den Zeichnungen Dürers be-
findet sich manche, die nahe Stilver-
wandtschaft mit der Madonna Reichel
bekundet. Es sind die leider undatier-
ten Studien nach der Natur, die bei
Lippmann als Nr. 84 und 85 abgebildet
sind. Man sieht da Kinderköpfe, die
ganz nahe an den Kopf des Christ-
kindes auf der Madonna Reichel heran-
kommen, ohne ihm übrigens genau zu
entsprechen. Wieder bei einer anderen
Zeichnung ist die Darstellung zwar
eine andere, aber der Stil derselbe. Ich
meine die kleine Ammendarstellung
von 1512 in der Albertina (Schön-
brunner und Meder Nr. 180).

Später fallende Zeichnungen, gegen
1520 und noch später entstanden, lassen
keine auffallenden Beziehungen zum
Stil der Madonna Reichel bemerken.
Eher noch läßt sich Verwandtes er-
kennen auf früh entstandenen Blättern,
wie auf Lippmann 336.

Zu den gegebenen Erörterungen
füge ich noch hinzu, daß auch die Ge-
wandfalten der Zeit ungefähr zwischen
1505 und 1515 entsprechen.

Wenn nun ein Monogramm vor-
gefunden wurde mit der Jahreszahl
151(0) darüber, eine Inschrift, die starken
Putzmitteln Stand gehalten hat, so er-
höht sich die Wahrscheinlichkeit Dürer-
scher Entstehung um ein wesentliches.
Die Form des Monogrammes, das an-
bei in doppelter Größe auf photomechani-
schem Wege nachgebildet erscheint, ent-
spricht der mittleren Schaffenszeit Dü-
rers; die Züge stehen sogar in der Ver-
größerung mit solcher Sicherheit da, wie
sie niemals bei einer Fälschung vorge-
kommen sind. Die Jahreszahl darüber
paßt zum Stil des Bildchens, so daß wohl
gegen die Benennung Albrecht Dürer
nichts stichhältiges einzuwenden ist.*)

Ein wenig kümmern wir uns noch

*) Zur Nachbildung der Inschrift sei be-
merkt, daß die Null in der Jahreszahl durch
das Verreiben sehr mitgenommen worden ist.

um die Beschreibung und nochmals
des Besonderen um den Erhaltungs-
zustand. Im allgemeinen läßt sich beob-
achten, hier wie anderswo auf Bildern,
daß die helleren Töne, besonders die
mit Beimischung von Weiß dem Ver-
putztwerden am besten widerstanden
haben. Von Lasuren ist keine Spur
mehr da, und wo leichtlösliche braune
Töne vorauszusetzen sind, schimmert
das Holz durch. Die Vorzeichnung mit
dem Pinsel hat nur dort die Kuren über-
dauert, wo sie von schwerlöslichen Far-
ben bedeckt ist. Am meisten sagt uns
noch das Kind und das in seinen For-
men leidlich erhaltene, jetzt bläulich
grüngraue Tüch-
lein, auf dem es
sitzt. Dieses Stück
des Gemäldes
wird deshalb auch
in der Größe des
Vorbildes wieder-
gegeben. Daran ist
zu erkennen, daß
Maria mit ihrer
Rechten einen
Zipfel des Tuches
festgefaßt hat und,
wie die straffen
Falten erkennen
lassen, emporziehen will. Wie man sich
die Finger der Linken vorzustellen hat,
bleibt unklar. Denn gerade unter der
Achsel des Kindes, wo die Finger Mariens
heraufreichen dürften, ist die meist ver-
riebene Stelle des ganzen Bildes.

Immerhin sieht man auf dem Original genug,
um 1516 oder 1519 ausschließen zu können.
Unmittelbar vor der 1 ist auf dem Bildchen
selbst eine kleine unregelmäßig gestaltete
Fehlstelle zu sehen, die in der Nachbildung
den Verdacht erwecken könnte, als sei es eine
1 mit Anstrich gewesen. Auf dem Original
gewahrt man zweifellos den Unterschied der
hellgelben Farbe in der Jahreszahl von dem
Hellbraun der kleinen Fehlstelle. So störend
das Fleckchen auch ist, habe ich es doch
belassen, um keinerlei „Verbesserung“ vor-
zunehmen.

Monogramm und Jahreszahl
auf der Madonna Reichel.
 
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