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Frimmel, Theodor von [Editor]
Blätter für Gemäldekunde — 2.1906

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Heft 6
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Zu Baldissera d'Anna
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Einige Werke des Carlo Cignani
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https://doi.org/10.11588/diglit.27899#0149

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Nr. 6.

BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.

125

Baidissera d’Anna scheint einer nieder-
ländischen Familie zu entstammen, die in
Venedig eine Zeitlang seßhaft war. Unser
Künstler wäre also einer von denen, die trotz
niederländischen Blutes doch ganz italienisch
gemalt haben, wie etwa Pietro Lungho und
Giacomo Denys.

EINIGE WERKE DES CARLO
CIGNANI.

Bei Lebzeiten mit Ehren überhäuft, bald
nach seinem Tode der Apelles seiner Zeit ge-
nannt, noch lange geschätzt, danach unter
die minderen Eklektiker verstoßen, in neuester
Zeit wieder beachtet, sogar bewundert, ist
Carlo Cignani ohne Zweifel eine geradewegs
bedeutende Figur in der italienischen Kunst-
geschichte. Will man ihn verstehen, so muß
man neben seinen vielen Staffeleibildern auch
seineFresken beachten,die denn doch vor jenem
wegwerfenden Urteil sicher sind, das hie und
da seine Galeriebilder getroffen hat. In Woer-
manns und Woltmanns Geschichte der Malerei,
wo Cignani doch nur als ein „routinierter,
wenngleich sorgfältiger Durchschnittsmeister“
behandelt wird, heißt es von der Himmelfahrt
Mariens im Dom zu Forli, daß sie „in der
Tat heute noch zu den besten Kuppelgemälden
der Welt gezählt werden muß“. Was für
prächtige, vornehme Schöpfungen sind dann
auch die Wandmalereien im Palazzo del giar-
dino bei Parma und die von dort abgenom-
menen vorläufig im Vorrat der Galerie be-
findlichen Grisaillen unseres Künstlers! Und
ist nicht auch das große Altarblatt in der
Münchener Pinakothek eine imposante Lei-
stung? Viele der kleineren Werke, wie man
sie der Reihe nach in zahlreichen Galerien zu
sehen bekommt, haben gewöhnlich so viele
Vorzüge, daß man nun doch nicht mehr mit
allgemeinen abgetragenen Phrasen über sie
hinweggehen kann. In akademischem Sinne
sind Cignanis Werke alle geradewegs vorzüg-
lich. Man hat auch vor Kurzem einen Cignani
mit 8000 Mark bezahlt'1'), freilich wurden an-
dere noch kurz vorher mit wenigen Hunderten,
z. B. noch 1902 ein gutes Bild mit rund 200 los-
geschlagen.*) **) Manche der Werke des Cignani
stoßen viele Beschauer dadurch ab, daß sie
gar so demonstrativ gut gemalt und dabei
doch innerlich ziemlich hohl sind. Sie lassen
es erkennen, wie selbstbewußt der Maler die

*) Bei der Auktion A. Jaffe (Hamburg) in Berlin
im November 1904. Vergl. „Der Kunstmarkt“ II, Nr. 7.

**) Über die Preise für Cignanis Bilder vergl.
mein Handbuch der Gemäldekunde und: Mireur, Dic-
tionnaire des ventes.

Regeln alle anwendete, die er von den älteren
Eklektikern erlernt hatte. Durch seine Schüler,
insbesondere durch M. A. Franceschini, ist
diese Art in zunehmender Leerheit bis an
den Rand der Unmöglichkeit getrieben worden.
Cignani selbst aber hat in seinen guten Ar-
beiten noch stets einen gehaltvollen Kern.
Jedenfalls lohnt es die Mühe, den Künstler
wenigstens in seinen gelungenen Werken zu
beachten, und die Kunstgeschichte, die nach
dem Geschmack der Majorität überhaupt nicht
zu fragen braucht, wird einem Carlo Cignani
ihre Aufmerksamkeit ab und zu schenken
müssen. In diesem Sinne werden auch diese
Zeilen dem Künstler gewidmet, den schon
seiner ehemaligen Berühmtheit wegen die
heutige Geschichtsschreibung nicht übergehen
dürfte.

I.

Zanelli und Zanotti sprechen in ihren
Biographien Cignanis von drei Darstellungen
des keuschen Josef bei Putiphars Weib,
die Conte Cignani gemalt hat.'1') Die eine sei
im Besitz des Prokurators von San Marco
Contarini, die andere bei Niccolö Pallavicini,
die dritte bei Johann Sobieski König von
Polen gewesen. Das eine Bild ist seither, wie
der Katalog der Dresdener Galerie aufweist,
nach Sachsen in die königliche Gemälde-
sammlung gewandert. Es ist das Gemälde aus
Contarinis Besitz. Das zweite Bild, das aus
Pallavicinis Besitz und das dritte aus Polen
bleiben noch nachzuweisen. Unter den er-
halten gebliebenen Werken Cignanis gibt es
allerdings noch einige solche mit dem keuschen
Josef. Mehrere dieser Werke vertreten einen
anderen Typus der Komposition als er auf
dem Bilde in Dresden gewählt worden war.
In anderer Weise als das Dresdener Bild ist
z. B. ein Putipharbild in Kopenhagen kom-
poniert. Dieses ist wohl nicht das Exemplar
aus Pallavicinis Besitz, das Zanelli und Zanotti
kannten, da es schon 1709 aus Italien fort-
gekommen war**), also kaum 1722 und 1739
noch als italienischer Besitz erwähnt worden
wäre. Noch dazu dürfte das Exemplar in
Kopenhagen eine alte Kopie, vielleicht eine

*) „Ebbe l’Eccellentissimo Contarini Procurator
di S. Marco, e il Marchese Niccolö Pallavicini un Gio-
seffo casto ... ed altro n’ebbe il vittorioso Giovanni
Re di Polonia.“ Zanelli, Vita del gran pittore cavalier
Conte Carlo Cignani, dedicata al signor Conte Cristo-
foro Tardini (1722), S. 20, und Giampietro Zanotti:
Storia dell’ Accademia Clementina di Bologna (I. 1739)
S. 144, wo als Vorbesitzer des Exemplares bei Palla-
vicini der „mercatante Stefano Piastra“ genannt wird.
Lanzi-Quandt in der „Geschichte der Malerei in Italien“
(III. 1833, S. 150) wissen etwas von einem keuschen
Josef des Cignani bei den Grafen Bighini zu Imola.

**) Hierzu Madsens Katalog der Kopenhagener
Galerie.
 
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