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Frimmel, Theodor von [Editor]
Blätter für Gemäldekunde — 2.1906

DOI issue:
Heft 6
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Zu Baldissera d'Anna
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https://doi.org/10.11588/diglit.27899#0148

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124

BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.

Nr. 6.

die der Künstler verschiedenen Gestalten gab.
Die drei Sklaven, die ganz vorne mitten
kauernd dargestellt sind, wurden vom Maler
geradewegs braun gemalt. Das riesige Breit-
bild ist voller Figuren. Links thront der Papst,
umgeben von Kardinälen. An den Stufen des
Thrones zwei knieende Figuren. Rechts, wie
es scheint, ist das schlechte Los der Sklaven
durch Mißhandlungen angedeutet. Mitten blickt
man über eine Balustrade hinaus aufs Meer.
Oben in Wolken die Dreieinigkeit. Überein-
stimmend wird als Datierung des Bildes 1619
angegeben. Bezüglich der Signatur weichen die
Angaben voneinander ab. Ich habe die Sig-
natur nicht kopiert. Doch unterliegt es keinem
Zweifel, daß dieses Bild zu den beglaubigten
Werken des tüchtigen Meisters gehört, da es
bei Boschini schon 1664 angeführt wird.

Auch eine wenig bekannte und wenig
besprochene Reihe von Altarbildern des Bal-
dissera d’Anna ist durch eine Signatur aus-
gezeichnet.'1') Es ist die stattliche Suite, die
den Hauptschmuck der Garnisonskirche zu
Brünn bildet. Auch in diesen Arbeiten verrät
Baidissera d’Anna eine nahe stilistische Ver-
wandtschaft mit Palma Giovane, mit dem er
eine merkliche Vorliebe, z. B. für hellmatt
kirschrote Gewänder gemein hat. Bei d’Anna
sind sie übrigens heller als bei Palma. Einige
Nachklänge Tizianscher Kunst sind in den
wolkentragenden Engeln recht auffallend. Wie
auf der großen Leinwand in Santa Maria For-
mosa zu Venedig, hat der Künstler auch in
der Bilderreihe zu Brünn auf mannigfache
Karnation geachtet. Er benützt starke Gegen-
sätze der Gesichtsfärbungen. Die Engel werden
von ihm mit Lockenköpfen gebildet. Die ganze
Reihe bildet einen Marienzyklus, der mit
Mariens Geburt beginnt und mit der Krönung
endigt. **) Die acht Bilder sind mäßig groß.
Ihre Figuren kaum lebensgroß. Oben halb-
runde Leinwänden auf Holz aufgezogen. Das
Bild mit der Himmelfahrt Mariä zeigt unten
in einem großen Buche die Künstlerinschrift:

»B ALDISSERA
DE ANNA
P.<

(Große dunkle Züge in lateinischer Kapital-
schrift.)

*) Dieser Zyklus fehlt bei Julius Meyer. Be-
schrieben und erwähnt wird er bei Kisa und Trapp.
Bei Prokop „Die Markgrafschaft Mähren in kunst-
geschichtlicher Beziehung" III, 892 und IV, 1318 wird
d’Anna durch ein Miilverständnis mit Coello ver-
wechselt. Prokop verweist auch auf die „Neue freie
Presse" vom 13. Juli 1883 und auf den „Mährisch-
schlesischen Korrespondenten" vom 15. Juli 1883.

**) Trapp: „Brünns kirchliche Kunstdenkmale"
(1888), S. 33, teilt mit, daß diese Bilderreihe 1883
durch Professor Pirchan und Ed. Sykora restauriert
worden ist.

Bei Boschini kommt 1664 ein Gemälde
von Baidissera d’Anna vor, das sich in der
Servitenkirche zu Venedig befunden hat,
eine Anbetung durch die Hirten, die seit
der Aufhebung jener Kirche 1812 für ver-
schollen galt.*) Wenn mich nicht alles täuscht,
so ist dieses Bild noch erhalten und zwar in
der Nr. 18 der Wiener Akademiesamm-
lung, einem Bilde, das mit der Lamberg-
schen Sammlung an die Akademie gekommen
ist. Der Stil ist derselbe, wie auf den mir
bekannt gewordenen Werken des Baidissera
d’Anna. Man hat bisher keinen bestimmten
Namen für das Bild zu finden gewußt. Unter
Bassano ist es im neuen Katalog eingereiht,
aber mit Recht wurde zur Benennung Leandro
Bassano ein Fragezeichen gesetzt. Auch G. Lud-
wigs Vermutung, daß Ponzone der Schöpfer
des Bildes sei, bestätigt sich nicht. An einen
der großen Meister des frühen 17. Jahr-
hunderts ist auch nicht zu denken, nicht ein-
mal an Palma Giovane. Endlich entfällt auch
Leonardo Corona, der als Meister des Bal-
dissera d’Anna genannt wird.

Für De Anna spricht aber die mannig-
fache Karnation, das mehrmalige Vorkommen
von mattem hellen Kirschrot in den Gewändern,
auch die schwebenden Engelchen mit den
Lockenköpfchen sowie die bis zum äußersten
Vordergrund gefüllte Komposition des Bildes.
Nun ist allerdings zu beachten, daß bei Bos-
chini von einer „Tavola" die Rede ist, was
auf Holz als Malgrund deuten würde. Das
Gemälde in der Akademie ist aber auf Lein-
wand gemalt und das ohne Zweifel schon ur-
sprünglich. Diese mangelhafte Übereinstim-
mung benimmt dem Nachweis einiges von
seiner Sicherheit, doch kann sie nicht den
Ausschlag geben. Denn in kunsttopographischen
Büchern, in Führern, wie Boschinis „Minere"
kommen ungenaue und unrichtige Angaben in
bezug auf den Malgrund genug vor. Überdies
mag ehedem die Leinwand des Bildes mit
Holz unterlegt gewesen sein, wie es bei den
Bildern des Baidissera d’Anna in Brünn noch
heute der Fall ist. Ich hege die Hoffnung,
daß meine Benennung auch nach einer mehr-
maligen Überprüfung durch die Fachgenossen
Stand halten wird.

*) Hierzu die Literatur, die bei Julius Meyer und
Kisa genannt ist. Bei Boschini „Le minere della pittura"
(Venedig 1664), S. 465 im Abschnitt über die Chiesa de
Padri Seruiti steht „la tavola di Casa Grimani, con la
nascita di Nostro Signore, visitato da Pastori, di Bal-
dissera d’Anna". Im „Forestiero illuminato“ von 1795
ist nur im allgemeinen von Bildern des Baidissera
d'Anna bei den Serviten in Venedig die Rede. Die An-
gabe bei Lanzi-Quandt „Geschichte der Malerei in
Italien" (1831) II, S. 168 schleppt nach. Als das Buch
erschien, waren die Bilder des d’Anna längst nicht
mehr bei den Serviten.
 
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