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Frimmel, Theodor von [Editor]
Blätter für Gemäldekunde — 2.1906

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Heft 10
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Gemälde im fürstlich rohanschen Schloss Sichrow
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Die niederländischen Abendmahlsbilder mit den Medaillons im Mittelgrunde
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https://doi.org/10.11588/diglit.27899#0214

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190

BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.

Nr. io.

Maler. In dieselbe Richtung gehört das Bildnis
der Princesse Marie de Rohan, die als Kunst'
freundin dargestellt ist. Es hängt im Gang
vor der Kapelle. Etwa nach Tocque kopiert
ist die ganze Figur des Marschalls Soubise, die
uns wieder in die Halle zurückführt.

Die gewichtigstenStücke sind ohne Zweifel
zwei Werke des Hyacinthe Rigaud, ein
Carle Vanloo und ein N a 11 i e r. Beide
Rigauds sind beglaubigt, der eine durch eine
echte Signatur, der andere durch einen alten
Stich aus der Zeit des Künstlers. Es ist das
glänzende, prächtige Blatt von Georg Friedrich
Schmidt, das 1739 in Paris gefertigt wurde
und das Louis de la Tour d’Auvergne,
Comte d’ Evreux darstellt, in einer Haltung,
die so durchtrieben fein ausgeklügelt ist, daß
sie schließlich ganz ungezwungen und natürlich
erscheint. Der junge Krieger steht militärisch
gerüstet, stramm aufrecht da. Die eine Hand
stützt sich nachlässig auf den Kommandostab.
In der Ferne eine Reiterschlacht. Die Gewan-
dung in üppiger Weise gefaltet. Statt des
Rigaudvorhanges an der Seite ein Baum. Zu
Watelets Zeiten würde man diese üppige Kom-
position als „ragoutante“ bezeichnet haben.
Das Originalgemälde zu dem erwähnten Stich
befindet sich nun in Sichrow, wo es im
ganzen recht gut erhalten an der Hauptwand
des großen Salons bald jedem Besuch als höchst
vornehmer Wandschmuck auffallen muß.

Der zweite Rigaud an anderer Stelle im
Schloß ist weniger günstig angebracht. Ich
erhielt ihn aber ans Fenster gerückt und
konnte an dem verhältnismäßig minder gut er'
haltenen Bilde die Signatur „Hyacinth Rigaud“
und darunter die Jahreszahl 1714 feststellen.
In diesem Falle ist es ein berühmter geistlicher
Würdenträger, den RigaudsPinselverewigt hat,
und zwar der Kardinal Fürst Armand
Gaston Rohan de Soubise, einer der be'
kannten Kardinäle, die aus der fürstlich
Rohanschen Familie hervorgegangen sind. Ein
großer Stich nach diesem Bilde ist mir bisher
nicht bekannt geworden, doch ist daraus das
Brustbild des Kardinals mehrmals im Stich
nachgebildet worden, so auch durch P. Drevets
geschickte Hand. D'Argensville weiß davon zu
berichten, daß Rigaud die Kardinäle Rohan
und Polignac im Aufträge des Kardinals
Albani porträtiert hat.

„Carle Vanloo“ ist die doch wohl echte
Signatur auf dem vorzüglichen Gemälde, das
die Prinzessin Anne Therese Rohan-Soubise
in Halbfigur darstellt. Die weiche Formen-
behandlung dieses Vanloo und die gebrochenen
Töne seiner übrigens kräftigen Palette sind
hier wiederzufinden.

Zuletzt, aber gewiß nicht als letztes Bild
im Range sei noch der meisterhaft vollendete,

recht gut restaurierte Nattier erwähnt. Dar-
gestellt ist die „belle princesse de Rohan-
Soubise“, eine bekannte Schönheit ihrer Zeit,
zweite Gemahlin des Prinzen Hercules Meriadek
de Rohan-Soubise. Vermutlich ist auch auf
ihre geistige Begabung angespielt dadurch, daß
ihr der Maler ein großes aufgeschlagenes Buch
„Histoire universelle“ in die Hand gegeben
hat. Die Prinzessin sitzt auf einer felsigen
Klippe, von der links ein Eichenbäumchen,
rechts niedrigeres Buschwerk aufragt. Rechts
blickt man hinaus auf ferne hohe Berge. Das
runde volle Gesichtchen ist ganz in Nattiers
Weise modelliert und aufgefaßt, dabei aber
dennoch mit individuellen Zügen versehen.
Die fein geformte Dame ist ungefähr in Lebens-
größe dargestellt. Sie trägt ein weißes Seiden-
kleid und hellblauen, Nattierblauen Überwurf.
Unten auf der Leinwand ungefähr mitten die
schon von anderen beobachtete Künstlerin-
schrift „Nattier. pinxit.“ mit der Jahreszahl
1741 darunter (die 1 unterstrichen). Dieses
prächtige Kunstwerk bildet jetzt eine der
Hauptzierden der Ausstellung von Porträten
und Spitzen im Österreichischen Museum für
Kunst und Industrie in Wien.

— Ein nicht uninteressantes altes Bild,
das dem Fürsten Rohan gehört, befindet sich
gegenwärtig im fürstlichen Palais zu Prag.
Es stellt „Le premier lit de justice tenu par
Louis XV.“ dar und ist eine ziemlich große
Leinwand mit hunderten von Figuren. Rechts
im Mittelgründe thront der jugendliche König.
F. Delamonce ist der Maler, wie man aus
der Unterschrift des alten Stiches von Poilly
nach diesem Gemälde entnehmen kann (vgl.
Pierre Marcel „La peinture francaise“ S. 215
und die Abbildung des Stiches auf S. 157).

DIE NIEDERLÄNDISCHEN
ABENDMAHLSBILDER MIT DEN
MEDAILLONS IM MITTEL-
GRÜNDE.

Eines der Wespennester, an denen die
Kunstgeschichte so reich ist, wird durch die
Angelegenheit einer Gruppe von Abendmahls-
darstellungen gebildet, die gegen die Mitte des
16. Jahrhunderts höchst wahrscheinlich in den
südlichen Niederlanden entstanden sind. Die
Bilder dieser Gruppe sind besonders dadurch
gekennzeichnet, daß im Mittelgründe sym-
metrisch an der Wand zwei große kreisrunde
Reliefs angebracht erscheinen, Medaillons mit
biblischen Darstellungen: Links David und
Goliath, rechts Abel und Kain. Die allgemeine
Anordnung ist die der Abendmahlsbilder unter
dem Einfluß der berühmten Darstellung von
 
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