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BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.
Nr. 9.
EINE HEILIGE FAMILIE VON
JOACHIM BEUCKELAER.
Das Gemälde des Beuckelaer, das unlängst
mit wenigen Worten als neue Erwerbung der
Wiener Sammlung Adolf Homme erwähnt
worden ist, verdient jedenfalls nähere Be'
trachtung. Eine Abbildung hierneben bringt
das Was und Wie der Darstellung nahe, und
es bedarf wohl nur noch einiger beschreiben'
der Angaben, um dem Leser eine lebhafte Vor-
Stellung von dem kraftvoll ausgeführten Bilde
zu erwecken. Man stelle sich eine Tafel von
r62 m Breite und 1*12 m Höhe vor. Malerei
in allem wesentlichen trefflich erhalten. Ein
durchdringender Quersprung über die ganze
Breite ist geschickt und bescheiden restauriert.
An den Figuren, die markig gezeichnet und
tüchtig modelliert sind, erscheinen die Lichter
im Fleisch fettig glänzend behandelt, nicht un-
ähnlich den Fleischpartien bei Hemessen und
Anton Moor. Die Gewandung Josefs ist braun-
rot, Marias Kleid läßt sich als gebrochenes Grau-
blau ansprechen. Am meisten Naturwahrheit
und Frische ist in den stillebenartigen Bestand-
teilen des Bildes zu bemerken, im Obst, in den
Geflechten des Wäschekörbchens, Fruchttellers
und Kinderkorbes, endlich im irdenen Pfänn-
chen, zu dem Maria mit einem Löffelchen
herablangt. Der Ziegelboden ganz vorne ist
rötlich, die Architektur des Mittelgrundes warm
bräunlich, die des Hintergrundes ziemlich hell-
grau, wie Beuckelaer seine Prospekte zu malen
pflegte. An der Säulenplinthe links die Jahres-
zahl 1565 (nach links hell gehöht). Auf der
Plinthe etwas rechts von der Mitte das Mono-
gramm des Künstlers, das aus einem größeren
i und einem angefügten kleineren Majuskel-B
gebildet ist. I-Punkt mit Spitze nach links.
In halber Höhe links und rechts ein „Punkt“
in Dreiecksform. Eine Ecke ist jedesmal nach
links gekehrt.
Die Kehrseite des Eichenbrettes, das als
Unterlage zu nennen ist, wurde einmal mit
einem Holzrost versehen und bei jener Gele-
genheit gehobelt. Trotzdem haben sich deut-
liche Reste der Antwerpener Brandmarke er-
halten, die zwischen den Leisten des Rostes
zu finden sind, und zwar eine Hand aus dem
Wappen und ein Stück des Schildes darunter.
Beim Studium des Bildes und seiner flott
gemalten liegenden Sachen erinnert man sich
bald an VanManders Angaben, daß den Joachim
Beuckelaer sein Lehrer und zugleich Oheim
Pieter Aertzen dazu angehalten habe, alle Dinge
wie Früchte, Fleisch, Vögel, Fische u. dgl.
nach der Natur zu malen. Dadurch sei er zu
einer vorzüglichen Farbengebung gelangt.
Grünzeug, Obst, Tischgerät, Brote und was
noch etwa zu nennen wäre, sind denn auch
wirklich bei Beuckelaer immer mit Verve, mit
sichtlicher Lust und Geschicklichkeit gemalt.
Der volle Tisch auf einem Bilde der Brüsseler
Galerie (Nr. 34) ist vielleicht manchem Leser
in der Erinnerung gegenwärtig. Ein Fisch-
markt in der städtischen Galerie zu Bamberg
ist mehr ein großes Stilleben, als ein eigent-
liches Figurenbild. Die Fleischerläden, die auf
den Ecce-Homo-Bildern im Germanischen Mu-
seum und in anderen Galerien Vorkommen,
sind zumeist sehr realistisch gehalten.*)
Ähnliche Beobachtungen lassen sich auch
noch an anderen Werken des fleißigen Meisters
anstellen.
AUS DER LITERATUR.
Als ein nicht zu unterschätzendes Ereignis
ist die Veröffentlichung der Dioskurides-
handschrift aus der Wiener Hofbiblio-
thek zu verzeichnen. Seit lange eine Art Para-
digma byzantinischer Miniaturmalerei, auf das
in allen Handbüchern hingewiesen wird, war
dieser frühmittelalterliche Kodex zwar oft er-
wähnt, aber dabei doch niemals in befriedigen-
der Weise veröffentlicht worden.**) Erst die
neue Nachbildung in Photolithographie ge-
stattet einen brauchbaren Überblick über den
reichen Miniaturenschmuck dieses natur-
geschichtlichen Atlasses aus dem ersten
Viertel des sechsten Jahrhunderts. Die Ent-
stehungszeit läßt sich ungefähr auf das Jahr
512 feststellen. Hauptsächlich sind Arznei-
pflanzen dargestellt, danach auch etliche Tiere,
Schlangen, Skorpione, Käfer, Tausendfüßler.
Manches Bild beweist eine nicht geringe Gabe,
Blätter, Stengel und ihre Verästelungen zu
charakterisieren. Anagallis, Agrestis, Agrimonia
(„Argemonia“) sind z. B. sofort nach den
Äbbildungen zu erkennen. Andere Dar-
stellungen, wohl stark beeinflußt durch das
Kopieren nach älteren Abbildungen, sind we-
niger, manche überhaupt wenig gelungen.
Hervorzuheben ist in den Blättern für Gemälde-
kunde besonders eine Miniatur mit dem
*) Ein derlei Bild befindet sich auch in der
Sammlung des Wiener Schottenstiftes, aus der ich es
vor Jahren beschrieben habe. Vgl. Wiener Zeitung vom
6. und 7. Februar 1896. Es ist laut Inschrift am 6. De-
zember 1564 vollendet worden. Das Ecce-homo-Bild
im Germanischen Museum zu Nürnberg fällt 1J66
(nach Angabe des Kataloges). In beiden Bildern sind
die Figuren kleiner als auf dem Gemälde der Samm-
lung Homme.
**) Neben den Erwähnungen, die in der allgemein
zugänglichen und oft aufgeschlagenen Literatur Vor-
kommen, seien noch genannt die in Ed. Browns Reisen
(von 1668 bis 1673), deutsche Ausgabe von 1711, S. 244.
die in Monfaucons Bibliotheca Bibliothecarum I (1739)
und im Glossarium von Ducange (I. Supplementband
1850; mit Abb.).
BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.
Nr. 9.
EINE HEILIGE FAMILIE VON
JOACHIM BEUCKELAER.
Das Gemälde des Beuckelaer, das unlängst
mit wenigen Worten als neue Erwerbung der
Wiener Sammlung Adolf Homme erwähnt
worden ist, verdient jedenfalls nähere Be'
trachtung. Eine Abbildung hierneben bringt
das Was und Wie der Darstellung nahe, und
es bedarf wohl nur noch einiger beschreiben'
der Angaben, um dem Leser eine lebhafte Vor-
Stellung von dem kraftvoll ausgeführten Bilde
zu erwecken. Man stelle sich eine Tafel von
r62 m Breite und 1*12 m Höhe vor. Malerei
in allem wesentlichen trefflich erhalten. Ein
durchdringender Quersprung über die ganze
Breite ist geschickt und bescheiden restauriert.
An den Figuren, die markig gezeichnet und
tüchtig modelliert sind, erscheinen die Lichter
im Fleisch fettig glänzend behandelt, nicht un-
ähnlich den Fleischpartien bei Hemessen und
Anton Moor. Die Gewandung Josefs ist braun-
rot, Marias Kleid läßt sich als gebrochenes Grau-
blau ansprechen. Am meisten Naturwahrheit
und Frische ist in den stillebenartigen Bestand-
teilen des Bildes zu bemerken, im Obst, in den
Geflechten des Wäschekörbchens, Fruchttellers
und Kinderkorbes, endlich im irdenen Pfänn-
chen, zu dem Maria mit einem Löffelchen
herablangt. Der Ziegelboden ganz vorne ist
rötlich, die Architektur des Mittelgrundes warm
bräunlich, die des Hintergrundes ziemlich hell-
grau, wie Beuckelaer seine Prospekte zu malen
pflegte. An der Säulenplinthe links die Jahres-
zahl 1565 (nach links hell gehöht). Auf der
Plinthe etwas rechts von der Mitte das Mono-
gramm des Künstlers, das aus einem größeren
i und einem angefügten kleineren Majuskel-B
gebildet ist. I-Punkt mit Spitze nach links.
In halber Höhe links und rechts ein „Punkt“
in Dreiecksform. Eine Ecke ist jedesmal nach
links gekehrt.
Die Kehrseite des Eichenbrettes, das als
Unterlage zu nennen ist, wurde einmal mit
einem Holzrost versehen und bei jener Gele-
genheit gehobelt. Trotzdem haben sich deut-
liche Reste der Antwerpener Brandmarke er-
halten, die zwischen den Leisten des Rostes
zu finden sind, und zwar eine Hand aus dem
Wappen und ein Stück des Schildes darunter.
Beim Studium des Bildes und seiner flott
gemalten liegenden Sachen erinnert man sich
bald an VanManders Angaben, daß den Joachim
Beuckelaer sein Lehrer und zugleich Oheim
Pieter Aertzen dazu angehalten habe, alle Dinge
wie Früchte, Fleisch, Vögel, Fische u. dgl.
nach der Natur zu malen. Dadurch sei er zu
einer vorzüglichen Farbengebung gelangt.
Grünzeug, Obst, Tischgerät, Brote und was
noch etwa zu nennen wäre, sind denn auch
wirklich bei Beuckelaer immer mit Verve, mit
sichtlicher Lust und Geschicklichkeit gemalt.
Der volle Tisch auf einem Bilde der Brüsseler
Galerie (Nr. 34) ist vielleicht manchem Leser
in der Erinnerung gegenwärtig. Ein Fisch-
markt in der städtischen Galerie zu Bamberg
ist mehr ein großes Stilleben, als ein eigent-
liches Figurenbild. Die Fleischerläden, die auf
den Ecce-Homo-Bildern im Germanischen Mu-
seum und in anderen Galerien Vorkommen,
sind zumeist sehr realistisch gehalten.*)
Ähnliche Beobachtungen lassen sich auch
noch an anderen Werken des fleißigen Meisters
anstellen.
AUS DER LITERATUR.
Als ein nicht zu unterschätzendes Ereignis
ist die Veröffentlichung der Dioskurides-
handschrift aus der Wiener Hofbiblio-
thek zu verzeichnen. Seit lange eine Art Para-
digma byzantinischer Miniaturmalerei, auf das
in allen Handbüchern hingewiesen wird, war
dieser frühmittelalterliche Kodex zwar oft er-
wähnt, aber dabei doch niemals in befriedigen-
der Weise veröffentlicht worden.**) Erst die
neue Nachbildung in Photolithographie ge-
stattet einen brauchbaren Überblick über den
reichen Miniaturenschmuck dieses natur-
geschichtlichen Atlasses aus dem ersten
Viertel des sechsten Jahrhunderts. Die Ent-
stehungszeit läßt sich ungefähr auf das Jahr
512 feststellen. Hauptsächlich sind Arznei-
pflanzen dargestellt, danach auch etliche Tiere,
Schlangen, Skorpione, Käfer, Tausendfüßler.
Manches Bild beweist eine nicht geringe Gabe,
Blätter, Stengel und ihre Verästelungen zu
charakterisieren. Anagallis, Agrestis, Agrimonia
(„Argemonia“) sind z. B. sofort nach den
Äbbildungen zu erkennen. Andere Dar-
stellungen, wohl stark beeinflußt durch das
Kopieren nach älteren Abbildungen, sind we-
niger, manche überhaupt wenig gelungen.
Hervorzuheben ist in den Blättern für Gemälde-
kunde besonders eine Miniatur mit dem
*) Ein derlei Bild befindet sich auch in der
Sammlung des Wiener Schottenstiftes, aus der ich es
vor Jahren beschrieben habe. Vgl. Wiener Zeitung vom
6. und 7. Februar 1896. Es ist laut Inschrift am 6. De-
zember 1564 vollendet worden. Das Ecce-homo-Bild
im Germanischen Museum zu Nürnberg fällt 1J66
(nach Angabe des Kataloges). In beiden Bildern sind
die Figuren kleiner als auf dem Gemälde der Samm-
lung Homme.
**) Neben den Erwähnungen, die in der allgemein
zugänglichen und oft aufgeschlagenen Literatur Vor-
kommen, seien noch genannt die in Ed. Browns Reisen
(von 1668 bis 1673), deutsche Ausgabe von 1711, S. 244.
die in Monfaucons Bibliotheca Bibliothecarum I (1739)
und im Glossarium von Ducange (I. Supplementband
1850; mit Abb.).