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Frimmel, Theodor von [Editor]
Blätter für Gemäldekunde — 2.1906

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Heft 10
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Die niederländischen Abendmahlsbilder mit den Medaillons im Mittelgrunde
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Chemische Untersuchung von Gemälden
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Von den Wiener Gemäldeversteigerungen: (ein Nachwort)
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https://doi.org/10.11588/diglit.27899#0218

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194

BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.

Nr. io.

dem Autor nicht mit Sicherheit zu beant-
worten und empfehle sie hiermit dem weiteren
Studium der Fachgenossen.

CHEMISCHE UNTERSUCHUNG
VON GEMÄLDEN.

Diese Angelegenheit, die in neuester Zeit
wieder besprochen worden ist, hat ehedem
den Halberstädter Apotheker Dr. Fr. G. H.
Lucanus beschäftigt, der in seinem Büchlein
„Vollständige Anleitung zur Erhaltung, Reini-
gung und Wiederherstellung der Gemälde“
(3. Auflage, 1842, S. 75 f.) Ergebnisse einer
chemischen Analyse in aller Kürze mitteilt.
Er sagt: „Manche, wenig durchsichtige horn-
artige Krusten gehören zur Wesenheit der
Gemälde, u. a. die, welche sich auf Gemälden
Cranachs und dessen Zeitgenossen [Sic!], z. B.
auf grünen Gewändern vorfinden. Ich bemühte
mich, diese Substanz auf chemischem Wege
kennen zu lernen, und habe gefunden, daß
sie aus Ölfirnis, Harz und Grünspan besteht.
Wahrscheinlich haben die Maler Leinöl mit
Grünspan dirigiert „(NB. wohl verdruckt für
digeriert)“, dann abgeklärt und in Terpentinöl
aufgelöstes Harz (Mastix?), auch wohl eine
grüne Lasurfarbe und Bleizucker zugesetzt.
Diese hornartig gewordenen Lasuren lassen
sich gewöhnlich mit Putzwasser, dem ein Zehn-
teil Salmiak zugesetzt ist, abnehmen, doch
büßen die Gemälde damit einen Teil ihrer
Eigentümlichkeit ein; die untere Farbenlage
erscheint dann zwar rein und klar, indes etwas
roher, als der übrige Farbenauftrag ... Sind
die Farbtöne bei hornartig gewordenen La-
suren noch irgend deutlich zu erkennen, so
begnüge ich mich, dieselben mit einem neuen
guten Firnis aufzufrischen, weil sie eigentlich
zur Wesenheit der Malerei gehören.“

Wurde man im Verlauf der Mitteilungen
durch den Hinweis auf sorgloses Abnehmen
alter Gemäldeschichten beunruhigt, so wirkt
der Schluß insofern tröstlich, als wenigstens
Lucanus genug Enthaltsamkeit besaß, jene
Schichten zu schonen. Seine Mitteilung über
die chemische Untersuchung verdient es jeden-
falls, wieder in Erinnerung gebracht zu werden,
obwohl sie auch in die neueren Auflagen des
viel verbreiteten Buches übergegangen ist. Nur
wagt man es begreiflicherweise nicht, dazu
aufzumuntern, etwa neuerlich an maßgebenden
Bildern die obersten Schichten der Malerei zu
entfernen, um sie dem Chemiker preis zu geben.
Darin liegen ja die Schranken der chemischen
Untersuchungsmethode, daß diese an belang-
losen Stellen der Gemälde angewendet, und an
geringwertigen oder zweifelhaften Bildern auch

nur belanglose, geringwertige, zweifelhafte Er-
gebnisse liefern kann und daß man die wich-
tigen, den meisten Ausschlag gebenden Stellen
an großen Meisterwerken nicht zerstören wird,
um daraus einige Wahrscheinlichkeitsschlüsse
über ihre Bindemittel und Farbstoffe ziehen
zu können. Mit alten Bildern vertraut, wird
der Untersuchende sich sagen müssen, daß z. B.
ein Bindemittel, das er irgendwo an alter Farbe
zwischen den Pigmentkörnchen nachweist,
durchaus noch nicht gerade das alte ursprüng-
liche Bindemittel gewesen sein muß. Es kann
auch ganz leicht bei Regenerationen und Re-
staurierungen durch kapillare Wirkung ein-
gedrungen sein. Wenn irgendwo, so ist gewiß
in den Fragen der chemischen Untersuchung
von Bildern die größte Vorsicht von Nöten.
Die Analysen, die von zumeist schon oft über-
malten Rändern alter Gemälde hergeleitet sind,
haben für die Beurteilung der alten Technik
gar keinen Wert. Und gute, gesunde Proben
aus der Mitte von Bildern hohen Ranges dürften
nur schwer etwa durch Zufall zu haben sein.

VON DEN WIENER GEMÄLDE-
VERSTEIGERUNGEN.

(Ein Nachwort.)

Kommen in Wien einmal gute und in-
teressante Bilder zum Verkauf, so fehlt es
nicht an Leuten, die sich sogleich alle Mühe
geben, gerade das beste herunter zu machen.
Dann folgt gelegentlich erstaunlicher Schund,
und die Preise gehen in die Höhe. In der
Auktion Fleischner-Pisko vom November
1905, wo seit lange in Wien die besten ver-
käuflichen Bilder zu finden waren, gab es nur
geringe Ziffern. Freilich mußte auch in Er-
wägung gezogen werden, daß der zweite Tag
der Auktion zugleich der Tag des Massenauf-
zuges im Interesse des allgemeinen Wahlrechtes
war und daß dadurch die Aufmerksamkeit
aller Kreise von der Kunst stark abgelenkt
wurde. Aber bald darauf kleinere Verstei-
gerungen verschiedener Art, die auffallend
mehr Beifall fanden, z. B. die sogenannte Vente
Guy du Blaisel (ebenfalls von der Firma
Pisko veranstaltet). Bei der Versteigerung Du
Blaisel ging z. B. ein Bild mit schreiend fal-
schen Inschriften und einer Oberfläche, an
der kaum einige alte Fleckchen zu erspähen
waren, ziemlich unbeanstandet durch die Fach-
kritik als Leandro Bassano, wogegen der
L. Bassano bei Fleischner, eines der best er-
haltenen venezianischen Bilder, die man heute
sehen kann, im „Kunstmarkt“ angegriffen
wurde. Auch der Fleischnersche Tintoretto
 
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