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BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.
Nr. 7.
Ausdruck gestattet ist. Ein Stilist von der
äußersten Linken des Kunstparlaments, C. A.
Reichel, den Lesern dieser Blätter schon
durch Dürers Madonna Reichel bekannt, hat
Temperabilder und Miniaturen ausgestellt. Von
Zülow ist mit dekorativen Malereien vertreten.
Eine lange Bilderreihe stammt von Gusti
v. Becker, einer Wienerin, die in München lebt.
Wien. Bei Hirschler ist eine Reihe von
Radierungen Hermann Strucks ausgestellt.
— Der „Jungbund“ stellt diesmal nicht
im Künstlerhause, sondern im Hagenbund aus.
— In der Künstlergenossenschaft ist
ein Wechsel des Vorstandes zu verzeichnen.
An Stelle des Architekten Streit trat der
Maler Heinrich v. Angeli.
AUS DER LITERATUR.
Karl Woermann: „Geschichte der
Kunst aller Zeiten und Völker“; II. Band,
behandelnd „Die Kunst der christlichen Völker
bis zum Ende des 15. Jahrhunderts“ mit 418
Abbildungen im Text, 15 Tafeln in Farben-
druck und 39 Tafeln in Holzschnitt und Ton-
ätzung. Leipzig und Wien, Bibliographisches
Institut, 1905. Gr. 8’.
Vor Jahren schon hat Karl Woermann in
den selbständig ausgearbeiteten Abschnitten der
„Geschichte der Malerei“, die er mit Woltmann
gemeinsam herausgab, bewiesen, wie geschickt
er ein weitverzweigtes Material zu überblicken
und zu verarbeiten verstand. Woermanns Be-
lesenheit, die auch seither vielen anderen seiner
Arbeiten zu Nutze kam, ist allgemein anerkannt.
Nun zeichnet sich seine neue Kunstgeschichte
auch wieder durch eine ausgebreitete Kenntnis
der Literatur und die geschickte, knappe Zu-
sammenfassung eines reichen Forschungs-
materials aus. Der I. Band, der das Altertum
behandelte und sich auch mit der Kunst Indiens,
Persiens und Ostasiens befaßte, hat sich viele
Freunde gemacht, und es ist nicht zweifelhaft,
daß auch die Fortsetzung des Werkes, das nun
bis zur Neuzeit heranreicht, den verdienten
Beifall der Fachgenossen und der Kunstlieb-
haber in weiterem Sinne finden wird. Wie in
den oben erwähnten Zeitgrenzen gegeben ist,
finden sich im vorliegenden II. Bande auch
die Quattrocentisten und die altniederländischen
Meister besprochen. Auch sei auf den Abschnitt
über altchristliche Malerei aufmerksam ge-
macht.
Adolf Bauer und Josef Strzygowski.
Eine alexandrinische Weltchronik, Text
und Miniaturen eines griechischen Papyrus
der Sammlung W. Golenisiev. (Denkschriften
der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften
in Wien, Philosophisch-historische Klasse,
Bd. LI, 1905, in Kommission bei Carl Gerolds
Sohn, Wien.)
Was uns in den Blättern für Gemälde-
kunde zumeist an der neuen Veröffentlichung
einer griechischen Bilderhandschrift interes-
siert, sind Strzygowskis Erörterungen über
die Miniaturen und die Mitteilungen über
einige maltechnische Angelegenheiten, z. B.
über eine Palette und die dazu gehörigen Mal-
stäbchen für enkaustische Malerei aus spät-
antiker Zeit. Die beschriebene Weltchronik
dürfte im 5. Jahrhundert entstanden sein. In all-
gemein kunstgeschichtlicher Beziehung hat sich
als Ergebnis der neuen Publikation heraus-
gestellt, daß wir, wie es scheint, zu unter-
scheiden haben: 1. den hellenistisch-ägyp-
tischen Papyrusstil, der auf Illustration
ausgeht und von den ältesten erhaltenen
Pergamenthandschriften fortgesetzt wird, und
2. den eigentlichen Pergamentstil, der mit
dem Pergament aus Asien kommt, ein reiner
Schmuckstil ist und seinen Ursprung wahr-
scheinlich in demselben persischen Kreise hat,
dem auch die Mschatta Fassade (im Berliner
Museum) ihre Entstehung verdankt. Der Pa-
pyrus der durch Strzygowski bearbeiteten
Weltchronik ist ein letztes Glied der helleni-
stischen Reihe auf ägyptischem Boden. Kop-
tische und jüdische Anschauungen machen
sich darin schon sehr geltend.
Was die erwähnten maltechnischen Mit-
teilungen betrifft, so handelt es sich um die
Palette des christlichen Malers Theodoros,
die Strzygowski aus der Sammlung Fouquet
in Kairo erworben hat, die aus El Fajum
stammen dürfte und nun dem Kaiser Fried-
richs-Museum in Berlin gehört. Ihre Form ist
wesentlich anders als die der Paletten aus dem
späten Mittelalter und aus der Neuzeit, von
denen die Blätter für Gemäldekunde andeu-
tungsweise unlängst gehandelt haben. Die
Theodoros-Palette hat die Form eines spitz-
winkeligen gleichseitigen Dreiecks, dessen Basis
eingebuchtet ist, also eines Dreiecks, aus dem
an der Basis etwa ein Halbkreis herausge-
schnitten ist. Brettchen von 26 bis 27 cm Seiten-
länge. In der besprochenen Veröffentlichung
finden sich diese Palette, ein Lederfutteral
dazu, mehrere Malstäbchen oder kleine Spateln
abgebildet und besprochen (S. 195 ff.). Diese
Werkzeuge haben zwar mit dem veröffent-
lichten Papyrus der Weltchronik nichts zu
schaffen, dürften aber ungefähr derselben Pe-
riode angehören wie dieser. Sie erweitern
jedenfalls in erwünschter Weise den Kreis
unserer Kenntnisse über die Malerei des frü-
hesten Mittelalters Ägyptens.
Ernst Steinmann: Die Handzeichnun-
gen Michelangelos, Sonderabdruck aus:
„Die Sixtinische Kapelle“ von demselben Autor.
BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.
Nr. 7.
Ausdruck gestattet ist. Ein Stilist von der
äußersten Linken des Kunstparlaments, C. A.
Reichel, den Lesern dieser Blätter schon
durch Dürers Madonna Reichel bekannt, hat
Temperabilder und Miniaturen ausgestellt. Von
Zülow ist mit dekorativen Malereien vertreten.
Eine lange Bilderreihe stammt von Gusti
v. Becker, einer Wienerin, die in München lebt.
Wien. Bei Hirschler ist eine Reihe von
Radierungen Hermann Strucks ausgestellt.
— Der „Jungbund“ stellt diesmal nicht
im Künstlerhause, sondern im Hagenbund aus.
— In der Künstlergenossenschaft ist
ein Wechsel des Vorstandes zu verzeichnen.
An Stelle des Architekten Streit trat der
Maler Heinrich v. Angeli.
AUS DER LITERATUR.
Karl Woermann: „Geschichte der
Kunst aller Zeiten und Völker“; II. Band,
behandelnd „Die Kunst der christlichen Völker
bis zum Ende des 15. Jahrhunderts“ mit 418
Abbildungen im Text, 15 Tafeln in Farben-
druck und 39 Tafeln in Holzschnitt und Ton-
ätzung. Leipzig und Wien, Bibliographisches
Institut, 1905. Gr. 8’.
Vor Jahren schon hat Karl Woermann in
den selbständig ausgearbeiteten Abschnitten der
„Geschichte der Malerei“, die er mit Woltmann
gemeinsam herausgab, bewiesen, wie geschickt
er ein weitverzweigtes Material zu überblicken
und zu verarbeiten verstand. Woermanns Be-
lesenheit, die auch seither vielen anderen seiner
Arbeiten zu Nutze kam, ist allgemein anerkannt.
Nun zeichnet sich seine neue Kunstgeschichte
auch wieder durch eine ausgebreitete Kenntnis
der Literatur und die geschickte, knappe Zu-
sammenfassung eines reichen Forschungs-
materials aus. Der I. Band, der das Altertum
behandelte und sich auch mit der Kunst Indiens,
Persiens und Ostasiens befaßte, hat sich viele
Freunde gemacht, und es ist nicht zweifelhaft,
daß auch die Fortsetzung des Werkes, das nun
bis zur Neuzeit heranreicht, den verdienten
Beifall der Fachgenossen und der Kunstlieb-
haber in weiterem Sinne finden wird. Wie in
den oben erwähnten Zeitgrenzen gegeben ist,
finden sich im vorliegenden II. Bande auch
die Quattrocentisten und die altniederländischen
Meister besprochen. Auch sei auf den Abschnitt
über altchristliche Malerei aufmerksam ge-
macht.
Adolf Bauer und Josef Strzygowski.
Eine alexandrinische Weltchronik, Text
und Miniaturen eines griechischen Papyrus
der Sammlung W. Golenisiev. (Denkschriften
der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften
in Wien, Philosophisch-historische Klasse,
Bd. LI, 1905, in Kommission bei Carl Gerolds
Sohn, Wien.)
Was uns in den Blättern für Gemälde-
kunde zumeist an der neuen Veröffentlichung
einer griechischen Bilderhandschrift interes-
siert, sind Strzygowskis Erörterungen über
die Miniaturen und die Mitteilungen über
einige maltechnische Angelegenheiten, z. B.
über eine Palette und die dazu gehörigen Mal-
stäbchen für enkaustische Malerei aus spät-
antiker Zeit. Die beschriebene Weltchronik
dürfte im 5. Jahrhundert entstanden sein. In all-
gemein kunstgeschichtlicher Beziehung hat sich
als Ergebnis der neuen Publikation heraus-
gestellt, daß wir, wie es scheint, zu unter-
scheiden haben: 1. den hellenistisch-ägyp-
tischen Papyrusstil, der auf Illustration
ausgeht und von den ältesten erhaltenen
Pergamenthandschriften fortgesetzt wird, und
2. den eigentlichen Pergamentstil, der mit
dem Pergament aus Asien kommt, ein reiner
Schmuckstil ist und seinen Ursprung wahr-
scheinlich in demselben persischen Kreise hat,
dem auch die Mschatta Fassade (im Berliner
Museum) ihre Entstehung verdankt. Der Pa-
pyrus der durch Strzygowski bearbeiteten
Weltchronik ist ein letztes Glied der helleni-
stischen Reihe auf ägyptischem Boden. Kop-
tische und jüdische Anschauungen machen
sich darin schon sehr geltend.
Was die erwähnten maltechnischen Mit-
teilungen betrifft, so handelt es sich um die
Palette des christlichen Malers Theodoros,
die Strzygowski aus der Sammlung Fouquet
in Kairo erworben hat, die aus El Fajum
stammen dürfte und nun dem Kaiser Fried-
richs-Museum in Berlin gehört. Ihre Form ist
wesentlich anders als die der Paletten aus dem
späten Mittelalter und aus der Neuzeit, von
denen die Blätter für Gemäldekunde andeu-
tungsweise unlängst gehandelt haben. Die
Theodoros-Palette hat die Form eines spitz-
winkeligen gleichseitigen Dreiecks, dessen Basis
eingebuchtet ist, also eines Dreiecks, aus dem
an der Basis etwa ein Halbkreis herausge-
schnitten ist. Brettchen von 26 bis 27 cm Seiten-
länge. In der besprochenen Veröffentlichung
finden sich diese Palette, ein Lederfutteral
dazu, mehrere Malstäbchen oder kleine Spateln
abgebildet und besprochen (S. 195 ff.). Diese
Werkzeuge haben zwar mit dem veröffent-
lichten Papyrus der Weltchronik nichts zu
schaffen, dürften aber ungefähr derselben Pe-
riode angehören wie dieser. Sie erweitern
jedenfalls in erwünschter Weise den Kreis
unserer Kenntnisse über die Malerei des frü-
hesten Mittelalters Ägyptens.
Ernst Steinmann: Die Handzeichnun-
gen Michelangelos, Sonderabdruck aus:
„Die Sixtinische Kapelle“ von demselben Autor.