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Frimmel, Theodor von [Editor]
Blätter für Gemäldekunde — 2.1906

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Heft 6
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Die bevorstehende Versteigerung der Sammlung Alexander Fleischner in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.27899#0142

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Il8

BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.

Nr. 6.

wurde in Amsterdam „Een groote Boere
Kermis vol werk, van Marten van
Kleef“ verkauft. Emsige Nachforschung
dürfte noch manches weitere ergeben,
das augenblicklich bei einer vorüber'
gehenden Erwähnung des Künstlers
nicht hervorgesucht werden kann.

Kaum zweifelhaft ist auch die Dia'
gnose des folgenden Sittenbildes von
Peeter Balten. Eine merkwürdige Dar'

Cornelis Bega: In der Schenke. (Wien, Sammlung
Fleischner.)

Stellung wird viele Beschauer für dieses
altertümliche Bild gewinnen. Nament'
lieh die Kreise der Ärzte und Kultur'
historiker dürften die chirurgische
Operation, die uns der Maler vor'
führt, mit Interesse aufnehmen. Es
scheint ein besonders seltener Fall der
ärztlichen Praxis vorzuliegen. Denn
rings um den Patienten und den Ope'
rateur sind zahlreiche Zuschauer ver'
sammelt, deren Mienen und Geberden
etwas Außerordentliches verraten. Ziem'
lieh gewiß handelt es sich um die in
den Niederlanden ehedem geübte Art,

Geisteskranke durch eine Operation
am Kopfe zu heilen. Hysterische oder
Irrsinnige bildeten sich ein, den Kopf
mit Kieseln voll zu haben. Man ope'
rierte sie am Kopf, gewöhnlich am
Hinterhaupt, auch an der Stirne, und
in eine bereitgehaltene Schüssel warf
man vor den Augen des Patienten
die heimlich herbeigeholten Steine, die
mit taschenspielerischer Geschicklichkeit
scheinbar aus dem Kopf des Patienten
herausoperiert wurden. Man nannte das
„Het snijden van den Kei“ mit Bezug
auf das Sprichwort „De kei in't hoofd
hebben“. Der französische Gelehrte
H. Meige hat viele Darstellungen dieser
Operation zusammengestellt, besprochen
und abgebildet.’1') Am klarsten und
lustigsten dürfte sie durch Jan Steen
erzählt worden sein. Solche Bilder be'
finden sich in den Galerien zu Amster'
dam, Rotterdam und Brüssel. Das Bild
des PeeterBalten bringt höchstwahr'
scheinlich dieselbe Geschichte zur Dar'
Stellung, aber in altertümlicher Auf'
fassung. Nicht zu übersehen ist das
Vorkommen zweier Operationsstühle
auf dem Bilde. Sie sind mit Vor'
richtungen zum Fesseln der Hände ver'
sehen. Auch ein Konvexspiegel ist da.

Was die Benennung Peeter Bah
ten betrifft, so haftete sie schon an
dem Bilde, als ich es kennen lernte.
Seine Malweise läßt sich ganz wohl der
Art vergleichen, wie die signierten
Bilder in Amsterdam und Cremona be'
handelt sind. Auch ein alter Holzschnitt

*) Vgl. „Nouvelle Iconographie de la
Salpetriere" 1895 und 1898 („Les operations
sur la tete“ par Henry Meige), ferner Dr.
Paul Richer „L’art et la medecine“. Über
den Ausdruck „De kei in’t hoofd hebben"
siehe „Beschrijving der Schilderyen ... in het
Museum te Rotterdam" von 1883, S. 160, und
die dort angegebene Literatur. — Die älteste
bisher bekannt gewordene Darstellung dieser
Operation ist die auf dem Bilde von Hier.
Bosch im Ryksmuseum zu Amsterdam.
Altertümlichen Charakters sind auch die zwei
Stiche vom alten Peeter Brueghel.
 
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