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Frimmel, Theodor von [Hrsg.]
Blätter für Gemäldekunde — 2.1906

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Heft 10
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Zu Vermeer van Delft
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https://doi.org/10.11588/diglit.27899#0211

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Nr. io.

187

BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.

Vermeerartige Dame am Spiegel zuge-
schrieben hatte.'1') Aber Vermeer behielt
unzweifelhaft die Oberhand. Man kann
für das Bild keinen anderen Namen
finden. Wenn uns etwa die Wahl des
Stoffes: ein alter Goldzähler und die
Kerzenbeleuchtung, auf dem Bilde als
ungewöhnlich auffällt, da Vermeer sonst
Tageslicht in seine Bilder einführte
und meist junge Leute malte, so werden
wir uns sagen müssen, daß die Bilder
mit Tageslicht ohne Zweifel alle viel
später, zumeist um zehn bis fünf-
undzwanzig Jahre später anzusetzen sind
als das vorliegende Werk, das mit 1650
datiert ist. Vermeer wäre nicht Vermeer,
wenn er bei aller ausgesprochenen In-
dividualität in seiner Jugend, mit 28 Jah-
ren nicht ein wenig anders gemalt und
komponiert hätte als in seiner reifen
Manneszeit. Der dargestellte Gegenstand
könnte befremden, aber da liest man
wieder in alten Inventaren noch aus
dem 17. Jahrhundert von einem Ver-
meerschen Bilde, das eine Goldwägerin
dargestellt hat.* **)'*') Eine solche Figur ist
wohl vom Künstler ebenfalls wie der
Goldzähler in einen kleinen halbdunklen
Raum gesetzt worden; mutmaßlich war
die Goldwägerin kein junges Mädchen,
sondern eine alte Frau. Dann könnte man
Bedenken darüber haben, daß die Signa-
tur des Matsvanszkyschen Vermeer nicht
den Bezeichnungen des Künstlers ent-
spricht, wie sie auf späteren Werken
Vorkommen. Ich meine, daß nur ein
ungeschulter Bilderfreund von diesem
Umstand überrascht werden kann. Mit

*) Es ist das Bild aus dem Jahre 1670
mit der neuen Nummer 616 in der Brüsseler
Galerie. Hierzu die Kataloge und Lafenestre:
La Peinture en Europe, La Belgique. Im Klassi-
schen Bilderschatz noch als Weenix.

**) Hierzu die weiter unten gegebene Li-
teratur, besonders die Katalogsammlung von
Hoet, I, S. 34 (Versteigerung in Amsterdam
1696). Ob das Bild, von dem Horsin an
Burger berichtete, gerade dieses aus dem alten
Inventar ist, bleibt fraglich (Gazette des beaux-
arts 1886, II, S. 554 f.).

dem Entwicklungsgang anderer guter
Maler vertraut und die Wandlungen ihrer
Handschrift und ihrer Signaturen be-
achtend, müßte man im Gegenteil stutzig
werden, wenn man auf einem so frühen
Werk des Vermeer eine Bezeichnung
vorfände, wie sie auf späteren Arbeiten
desselben Künstlers vorkommt. Ich deute
die Reste, die von der Signatur des Bil-
des noch ganz klar sichtbar sind, im
Zusammenhang mit einigen ganz ver-
blaßten und verriebenen Strichen folgen-
dermaßen:

Das große I des J(an) ist mit dem
ersten Balken des M verbunden. In die
zweite Hälfte des M wäre dann nach
meiner Annahme das kleine v des ,,v(er)“
hineingeschrieben, so daß eine W-artige
Verbindung entsteht. Oder das kleine
v ist in die erste Hälfte des M einge-
fügt, das aber vom I getrennt ist. Am
wahrscheinlichsten ist es, daß das Mono-
gramm ursprünglich so aussah:

Wie man recht wohl aus der Signatur
des Bildes bei Six und aus der des Lie-
beshandels in Dresden von 1656 entneh-
men kann, ist der große Meister der
Lichtmalerei nicht zugleich Meister der
Schrift. Denn es sind geradewegs ta-
stende Versuche auf jenen Bildern, eine
passende Signatur in gekürzter Form
zu finden. Der stärkste Gegensatz zu
den wohlgepflegten, sauber gezogenen
Signaturen mancher gleichzeitiger Hol-
länder. Auch seine Federschrift, deren
Formen ich übrigens nicht zur Verglei-
chung heranziehe, weil Pinsel und Feder
zweierlei Striche geben, ist etwas kindisch
und ungelenk.*) So fügt sich denn auch

*) Hierzu die Faksimiles, die dem Artikel
von Bredius in Oud Holland, Bd. III, beige-
geben sind.
 
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