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weißen Tinte auf dunkle Holzbreltchen. Jch legte mir bei diesem
Anblick die Frage vor, wann und wo die Bergvölker zuerst darauf
verfallen fein mögen, die wunderbaren Eigenfchaften des Kalks so zu
benutzen. Daß die Einwohner von Milam ihre Kalksteine aber auch
vorzüglich zu Mörtel zu verarbeiten verstanden, fah ich aus ihren
forgfältig gemauerten und weiß abgeputzten Häuschen. Lachenden
Herzens stellte ich mein Zelt auf einem leidlich ebnen Plützchen auf
und fühlte mit unendlichem Behagen, nunmehr endlich an die richtige
Schmiede gekommen zu fein.
Doch der blaue Himmel wurde bald wieder bewölkt, und noch
immer trieb der Wind das Regengewölk aus füdwestlicher Richtung
thalaufwärts. Jch hatte mich bereits in die tröstliche Hoffnung
gewiegt, daß jetzt, am 23. August, die unselige Regenzeit wenigstens
hier oben bereits zu Ende fein würde, und daß ich mich nun endlich
nach Herzenslust auf den umliegenden steilen Felshöhen bewegen
könnte. Doch gleich in der ersten Nacht brach ein derartiger Platz-
regen nieder, daß ich fchon am nächsten Morgen den Padhan, wie
man in der Bhotijasprache jenes Grenzbezirks den Ortsvorsteher
statt Padwari nennt, um ein geschützteres Obdach ersuchen mußte,
als es unser Zelt war, besonders auch, weil wir die ganze Nacht
hindurch das zweifelhafte Vergnügen gehabt hatten, den unter dem
Zeltvorhang hineinbellenden Kötern mit unsren Bergstöcken auf die
Nasen zu fchlagen. Nach einer fchier endlosen Beratung der an-
gesehensten Einwohner wurden meine Sachen von übermütigen
Hirtenbuben in einen an einer Seite teilweife offnen Schuppen
geschleppt, der außer dieser Oeffnung weder Fenster noch Thür besaß,
fo daß ich fortan buchstäblich von meinen vier oder genauer drei-
zweifünftel Wänden fprechen konnte. Der Bau war mit Schiefer
gedeckt, aber so niedrig, daß ich darin nicht einmal ganz aufrecht
fitzen, gefchweige denn aufstehn konnte. Wenn ich oder der eben-
falls fehr groß gewachsne Tiroler den Eingang benutzen wollte,
mußten wir uns jedesmal fo tief bücken, als ob wir wie kleine
weißen Tinte auf dunkle Holzbreltchen. Jch legte mir bei diesem
Anblick die Frage vor, wann und wo die Bergvölker zuerst darauf
verfallen fein mögen, die wunderbaren Eigenfchaften des Kalks so zu
benutzen. Daß die Einwohner von Milam ihre Kalksteine aber auch
vorzüglich zu Mörtel zu verarbeiten verstanden, fah ich aus ihren
forgfältig gemauerten und weiß abgeputzten Häuschen. Lachenden
Herzens stellte ich mein Zelt auf einem leidlich ebnen Plützchen auf
und fühlte mit unendlichem Behagen, nunmehr endlich an die richtige
Schmiede gekommen zu fein.
Doch der blaue Himmel wurde bald wieder bewölkt, und noch
immer trieb der Wind das Regengewölk aus füdwestlicher Richtung
thalaufwärts. Jch hatte mich bereits in die tröstliche Hoffnung
gewiegt, daß jetzt, am 23. August, die unselige Regenzeit wenigstens
hier oben bereits zu Ende fein würde, und daß ich mich nun endlich
nach Herzenslust auf den umliegenden steilen Felshöhen bewegen
könnte. Doch gleich in der ersten Nacht brach ein derartiger Platz-
regen nieder, daß ich fchon am nächsten Morgen den Padhan, wie
man in der Bhotijasprache jenes Grenzbezirks den Ortsvorsteher
statt Padwari nennt, um ein geschützteres Obdach ersuchen mußte,
als es unser Zelt war, besonders auch, weil wir die ganze Nacht
hindurch das zweifelhafte Vergnügen gehabt hatten, den unter dem
Zeltvorhang hineinbellenden Kötern mit unsren Bergstöcken auf die
Nasen zu fchlagen. Nach einer fchier endlosen Beratung der an-
gesehensten Einwohner wurden meine Sachen von übermütigen
Hirtenbuben in einen an einer Seite teilweife offnen Schuppen
geschleppt, der außer dieser Oeffnung weder Fenster noch Thür besaß,
fo daß ich fortan buchstäblich von meinen vier oder genauer drei-
zweifünftel Wänden fprechen konnte. Der Bau war mit Schiefer
gedeckt, aber so niedrig, daß ich darin nicht einmal ganz aufrecht
fitzen, gefchweige denn aufstehn konnte. Wenn ich oder der eben-
falls fehr groß gewachsne Tiroler den Eingang benutzen wollte,
mußten wir uns jedesmal fo tief bücken, als ob wir wie kleine