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Brandi, Karl [Bearb.]
Quellen und Forschungen zur Geschichte der Abtei Reichenau (Band 1): Die Reichenauer Urkundenfälschungen: mit 17 Tafeln in Lichtdruck — Heidelberg, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.14855#0011

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V

Vorwort.

Eine Darstellung der Geschichte des Klosters Reichenau würde unfraglich das glänzendste.
Bild aus dem geistigen Leben des Mittelalters innerhalb Baden liefern und schon die erste Sitzung
der badischen historischen Kommission im Jahre 1883 beschäftigte sich mit der Frage, ob und wie
eine solche Arbeit in Angriff zu nehmen wäre, stand jedoch wegen anderer dringlicher Aufgaben
-damals vorläufig von ihrer Ausführung ab. Die VII. Plenarsitzung im Jahre 1888 nahm die
Frage aber wiederum auf Antrag des Herrn Geh. Hofrats, Professor Dr. Kraus, in Behandlung
und beauftragte den genannten Herrn gemeinsam mit Herrn Archivrat Dr. Schulte, der nächsten
Versammlung ein ausführliches Arbeitsprogramm vorzulegen.

Bei näherer Prüfung der Überlieferung der Quellen, welche für die Geschichte der Reichenau
in Betracht kommen, ergab sich, daß eine Darstellung dieser Geschichte ohne eine vorhergehende
Bearbeitung und kritische Untersuchung der wichtigsten Quellen unmöglich ist.

Das Urkundenarchiv der Reichenau enthält aus der Zeit vor 1200 sehr viele Fälschungen.
Die bisherige Forschung war im allgemeinen dahin gelangt, mit ziemlicher Sicherheit zu sagen,
welche Urkunden echt, welche gefälscht seien. Aber erst eine umfassende kritische Prüfung der
Fälschungen selbst kann aus ihnen die echten Kerne ausschälen, und die Feststellung von Zeit
und Zweck der Fälschungen wird im stände sein, Material zur Geschichte ihrer eigenen Entstehungs-
zeit zu liefern. Ohne diese Arbeit ist von der Gründung der Reichenau bis etwa 1200 kein fester
Boden zu gewinnen, eine Geschichte der Reichenau in dieser Zeit unmöglich.

Fast ebenso notwendig ist eine zweite Arbeit: eine kritische Ausgabe der Chronik des Gallus
Öheim, welche im 15. Jahrhundert entstanden, weit ältere Quellen benutzte. Diese macht aber die
einzige Ausgabe der Chronik in der Bibliothek des Litterarischen Vereins nicht kenntlich. Zwar
sind die Quellen Oheims von Breitenbach und Meyer von Knonau großenteils nach-
gewiesen worden. AVer aber mit Gallus Öheim zu thun hat, der ist in jedem Einzelfalle gezwungen,
sich selbst die kritische Ausgabe zurecht zu machen, welche ein für allemal zu geben unabweis-
lich nötig ist. Eine solche wird dann auch den heraldischen Anhang der Chronik, der noch
unbearbeitet ist, zu veröffentlichen haben.

Das dritte, was notwendig ist, wäre eine Feststellung des Besitzes der Reichenau. Auf
Grund der reichen Urkundenschätze von St, Gallen ist es möglich gewesen, auch kartographisch
den Besitz dieses Schwesterklosters darzustellen. Wir sehen, wohin sich der ungeheuere Einfluß
dieses Klosters erstreckte. Für die Reichenau sind diese urkundlichen Schätze des 8.—10. Jahr-
hunderts untergegangen. Ja noch mehr: nicht einmal die älteren Rodel und Salbücher des
14. Jahrhunderts sind uns erhalten: ein Abt dieser Zeit, Eberhard von Brandis (1342-1379), fand
es für gut, sie zu vernichten. So setzen die Lehensbücher und Urbare der Abtei erst mit diesem
Abte ein. Erst durch sie erfahren wir, was damals noch das schon sehr verarmte Kloster besaß.
Nimmt man die Urkunden zu Hülfe, so wird sich ein deutliches Bild des Zustandes der Reichenau
uro 135° ergeben und wir werden von da aus dann Rückschlüsse in die Glanzzeit des Klosters
machen können.
 
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