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Brinckmann, Justus; Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg; Weimar, Wilhelm [Hrsg.]; Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg [Hrsg.]
Beschreibung der europäischen Fayencen: mit geschichtlichen Einleitungen — Hamburg: Museum für Kunst und Gewerbe, 1894

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https://doi.org/10.11588/diglit.53038#0058
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46

Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe.

Im siebenten
Zimmer.
(Zweites der
Südseite.)

Fayencen von Nevers in Frankreich.
Die Anfänge der Fayence-Fabrication von Nevers sind italienischen
Arbeitern zu verdanken, welche gegen Ende des 16. Jahrhunderts durch
Louis von Gonzaga, den Gemahl der ältesten Tochter des letzten
Herzogs von Nevers, berufen wurden. Ihre ersten Erzeugnisse erinnern
an die Majoliken der Verfallzeit von Urbino und Faenza. Später
herrschten in Art der Fayencen von Savona ausgeführte und bisweilen mit
Manganviolett gehöhte Blaumalereien vor, in denen zum Theil schon der
Einfluss des orientalischen Porzellans bemerkbar wird.

Apothek ertrug von Fayence, persischblau mit weiss
aufgesetzten Ornamenten. Nevers, zweite Hälfte
des 17, Jahrhunderts. Höhe 28 cm.


Um die Mitte des
17. Jahrhunderts wurden
zuerst Gefässe mit schöner
persischblauer, durch weiss
emaillirte Blumenranken (en
blanc fixe) gehobener Glasur
hergestellt. Einen Apo-
thekerkrug (chevrette)
dieser Specialität von Nevers
hat das Museum aus der
unlängst veräusserten Ein-
richtung der Apotheke
des Hospice zu Moulins
im Dep. de l’Allier erworben.
Im 18. Jahrhundert
wird in Nevers mehr und mehr
nur ganz gewöhnliche, roh
bemalte Fayence angefertigt,
welche sich jedoch durch
ihre tendenziösen, allen
Wandelungen der grossen
Revolution folgenden volks-
thümlichen Sinnbilder und
Aufschriften zu nicht ge-
ringer kulturges chichtlicher
Bedeutung erhebt. Viele der-
artige Teller sind übrigens
auch aus anderen Werk-
stätten hervorgegangen.

Die Sammlung besitzt drei solcher politisirenden Teller. Der eine mit der
Jahrzahl 1790 zeigt eine grosse Königskrone mit den Lilien Frankreichs, gestützt von
einem Spaten (dem Abzeichen des Nähr-Standes), über welchem sich ein Kreuz
(Geistlichkeit) und ein Degen (Adel) kreuzen. Auf einem Bande die Worte „tres in
uno“ d. h. „Drei in Einem“ und darunter „vis unita fortior“ d. h. „vereinte Kraft ist
stärker“. — Etwas jünger erscheint der zweite Teller; noch sind auf ihm die Sinn-
bilder der drei Stände unter der Königskrone vereint, aber die Beischrift lautet schon
„a ga ira“. — Auf dem dritten Teller sehen wir einen geöffneten Käfig, über welchem
ein befreiter Vogel fliegt, dessen Bedeutung die Beischrift „Vive la liberte“ verkündet.
Noch sehen wir den Krummstab und den Degen, aber der Nährstand ist schon durch
zwei Abzeichen, Spaten und Bechen, nachdrücklicher vertreten.
 
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