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Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe.
Im neunten
Zimmer.
(Viertes der
Südseite.)
Nach vierjähriger Wirksamkeit in der Aumunder Fabrik liess sich
deren Werkmeister Johann Christoph Vielstich in Lesum nieder.
Er machte, nachdem das d’Erberfeldt’sche Privileg im Jahre 1761 verfallen
war, anfangs gute Fortschritte und setzte nach einer vorübergehenden
Stockung im Jahre 1773 sein Geschäft bis an sein Lebensende 1794 fort.
Vielstich fabricirte äusser der Irdenwaare und den gewöhnlichen Gebrauchs-
geschirren : Tischplatten, Schreibzeuge, Potpourris, Melonenbutterdosen,
Fruchtkörbe, weisse und couleurte Figuren, Wandfliesen und Oefen, letztere
braun, schwarz und „gemarmelt“ oder weiss mit Blaumalerei.
Aus seiner Fabrik stammt die S. 99 abgebildete blau decorirte Terrine mit
demMarschalck’schenWappen. Auf deren Anfertigung bezieht sich wohl eine Notiz
vom 16. März 1773 in dem erhaltenen Vielstich’schen Geschäftsbuche „an Herrn Hauptmann
von Mahrschal vor den Herrn Hauptmann von Docken eine Punschbohlö mit Wapen
zum Preise von 2 Thlr. 24 Gr.“
Mecklenburgische Fayencen.
In Mecklenburg hatte die Töpferkunst zur Zeit der Renaissance in
glasirten Oefen und in kunstvollem Zierwerk aus gebranntem Thon für den
Schmuck von Fassaden Bedeutendes geleistet, dann aber war es von ihr
still geworden und erst, als im 18. Jahrhundert der keramische Erfinder-
drang seinen Gipfel erreichte, gab sie wieder einige Lebenszeichen, über
welche wir Director F. Schlie nähere Mittheilungen verdanken.
Zu Anfang der sechziger Jahre ertheilte Herzog Friedrich dem Töpfer
Appelstädt auf der „Vorstadt Schwerin“ (Rostockerstrasse 24) ein
Privileg auf die Anfertigung von „Fayencen oder unächtem Porzellan“.
Diese Fabrik ist von Appelstädt auf dessen Schwiegersohn Malm über-
gegangen und hat bis in unsere Tage bestanden. Aus ihr sind mancherlei
Gefässe hervorgegangen, u. A. Suppenterrinen, deren Form derjenigen der
damals üblichen zinnernen Terrinen nachgebildet erscheint. Neben der
Blaumalerei, wie sie in den Streublümchen auf einer derartigen Terrine
im Schweriner Museum erscheint, wusste Appelstädt auch andere Scharf-
feuerfarben anzuwenden, wie ebendort an einer grossen, als Deckelgefäss
gestalteten violetten Traube mit grünen Blättern zu ersehen.
Ein zweiter Versuch wurde auf dem Gute Gross-Stieten bei
Wismar gemacht, welches von 1743 bis 1759 in den Händen des
ungarischen Oberstlieutenants Otto von Hagen war, aber in den fünf-
ziger Jahren des Jahrhunderts von einem Kammerherrn von Bülow ver-
waltet wurde. Dieser schloss behufs Anlegung einer Porzellanfabrik
einen Vertrag mit dem zugereisten Arkanisten Christoph Ludwig
Chelii. Wenn es auch mit dem Porzellan nichts wurde, bezeugen doch
einige, die Bezeichnung Gross-Stieten und den Namen des Chelii tragende
Stücke, darunter sogar eine Gruppe nach Meissener Art, dass der Arkanist
in der Herstellung von Fayencen bewandert war. In Folge von Streitig-
keiten mit dem Kammerherrn entwich Chelii schon 1754 nach Wismar.
Was dort aus ihm geworden, ist nicht überliefert, ebensowenig ob
die Porzellan- und Steingut - Fabrik, zu deren Anlage in Wismar der
Rathsapotheker Franz Kindt und der Schiffsbaumeister Nils Ahsberg
und Genossen am 12. September 1754 ein Privileg vom Rathe der Stadt
erhielten, es zu Bränden wirklich gebracht hat.
Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe.
Im neunten
Zimmer.
(Viertes der
Südseite.)
Nach vierjähriger Wirksamkeit in der Aumunder Fabrik liess sich
deren Werkmeister Johann Christoph Vielstich in Lesum nieder.
Er machte, nachdem das d’Erberfeldt’sche Privileg im Jahre 1761 verfallen
war, anfangs gute Fortschritte und setzte nach einer vorübergehenden
Stockung im Jahre 1773 sein Geschäft bis an sein Lebensende 1794 fort.
Vielstich fabricirte äusser der Irdenwaare und den gewöhnlichen Gebrauchs-
geschirren : Tischplatten, Schreibzeuge, Potpourris, Melonenbutterdosen,
Fruchtkörbe, weisse und couleurte Figuren, Wandfliesen und Oefen, letztere
braun, schwarz und „gemarmelt“ oder weiss mit Blaumalerei.
Aus seiner Fabrik stammt die S. 99 abgebildete blau decorirte Terrine mit
demMarschalck’schenWappen. Auf deren Anfertigung bezieht sich wohl eine Notiz
vom 16. März 1773 in dem erhaltenen Vielstich’schen Geschäftsbuche „an Herrn Hauptmann
von Mahrschal vor den Herrn Hauptmann von Docken eine Punschbohlö mit Wapen
zum Preise von 2 Thlr. 24 Gr.“
Mecklenburgische Fayencen.
In Mecklenburg hatte die Töpferkunst zur Zeit der Renaissance in
glasirten Oefen und in kunstvollem Zierwerk aus gebranntem Thon für den
Schmuck von Fassaden Bedeutendes geleistet, dann aber war es von ihr
still geworden und erst, als im 18. Jahrhundert der keramische Erfinder-
drang seinen Gipfel erreichte, gab sie wieder einige Lebenszeichen, über
welche wir Director F. Schlie nähere Mittheilungen verdanken.
Zu Anfang der sechziger Jahre ertheilte Herzog Friedrich dem Töpfer
Appelstädt auf der „Vorstadt Schwerin“ (Rostockerstrasse 24) ein
Privileg auf die Anfertigung von „Fayencen oder unächtem Porzellan“.
Diese Fabrik ist von Appelstädt auf dessen Schwiegersohn Malm über-
gegangen und hat bis in unsere Tage bestanden. Aus ihr sind mancherlei
Gefässe hervorgegangen, u. A. Suppenterrinen, deren Form derjenigen der
damals üblichen zinnernen Terrinen nachgebildet erscheint. Neben der
Blaumalerei, wie sie in den Streublümchen auf einer derartigen Terrine
im Schweriner Museum erscheint, wusste Appelstädt auch andere Scharf-
feuerfarben anzuwenden, wie ebendort an einer grossen, als Deckelgefäss
gestalteten violetten Traube mit grünen Blättern zu ersehen.
Ein zweiter Versuch wurde auf dem Gute Gross-Stieten bei
Wismar gemacht, welches von 1743 bis 1759 in den Händen des
ungarischen Oberstlieutenants Otto von Hagen war, aber in den fünf-
ziger Jahren des Jahrhunderts von einem Kammerherrn von Bülow ver-
waltet wurde. Dieser schloss behufs Anlegung einer Porzellanfabrik
einen Vertrag mit dem zugereisten Arkanisten Christoph Ludwig
Chelii. Wenn es auch mit dem Porzellan nichts wurde, bezeugen doch
einige, die Bezeichnung Gross-Stieten und den Namen des Chelii tragende
Stücke, darunter sogar eine Gruppe nach Meissener Art, dass der Arkanist
in der Herstellung von Fayencen bewandert war. In Folge von Streitig-
keiten mit dem Kammerherrn entwich Chelii schon 1754 nach Wismar.
Was dort aus ihm geworden, ist nicht überliefert, ebensowenig ob
die Porzellan- und Steingut - Fabrik, zu deren Anlage in Wismar der
Rathsapotheker Franz Kindt und der Schiffsbaumeister Nils Ahsberg
und Genossen am 12. September 1754 ein Privileg vom Rathe der Stadt
erhielten, es zu Bränden wirklich gebracht hat.