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Brinckmann, Justus; Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg; Weimar, Wilhelm [Hrsg.]; Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg [Hrsg.]
Beschreibung der europäischen Fayencen: mit geschichtlichen Einleitungen — Hamburg: Museum für Kunst und Gewerbe, 1894

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https://doi.org/10.11588/diglit.53038#0081
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Fayencen von Frankfurt a. M. und Cassel.

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Fayencen von Frankfurt a. M.
Zwei Unternehmer niederländischer Abkunft, Daniel Behaghel und
Jacob van der Walle, hatten am 21. Februar 1661 an den Rath der Stadt
Frankfurt das Gesuch gerichtet, „ihnen allhier eine Feuerstätte und Por-
zellainbackerey auf 20 Jahre zu vergönnen.“ Die Stimmung im Rath
scheint aber den Bittstellern nicht günstig gewesen zu sein, daher diese
sich nach Hanau wandten, wo sie das Privilegium erhielten. Dass es
dennoch später zur Errichtung einer Fayence-Fabrik in Frankfurt kam,
darf, nach einer Vermuthung C. A. von Drach’s, aus der Erwähnung des
„Porzellanhofes“ schon i. J. 1713 sowie daraus geschlossen werden, dass
in den dreissiger Jahren des 18. Jahrhunderts der Frankfurter Fabrik
als Konkurrentin der Hanauer gedacht wird. In dem Handelskalender
von 1771 ist von Frankfurter Fayence keine Rede mehr. Wie über die
Begründer der Fabrik, sind wir auch über die von ihr erzeugten Waaren
noch im Dunkeln.
Das einzige sicher nachweisbare Stück, ein kleiner sternförmiger, achtspitziger
Einsatz für die mittlere Vertiefung einer Sternschüssel, befindet sich im Hamburgischen
Museum. Auf der Unterseite zeigt er eine flüchtig skizzirte chinesische Figur in
Blaumalerei, daneben die Worte „den 28. Joly — Franckfort. K. R.“ Auf der Schau-
seite ist er in kleisterblauem Grunde mit chinesischen Stauden in grünlichem Dunkel-
blau und blasig aufgetriebenem Ziegelroth bemalt. Den Rand zieren Blumenorna-
mente in lebhafterem Blau. Die Glasur zeigt starken Glasglanz. Auf den ersten
Blick macht dieser Stern den Eindruck einer nicht ganz gelungenen Nachahmung von
Delfter Fayence; man darf danach schliessen, dass wie in Hanau, so auch in Frank-
furt Holländer die ersten Fayence-Arbeiter waren.
Fayencen von Cassel,
Eine unbedeutende Fayence-Fabrik bestand seit 1680 zu Cassel.
Nach C. A. von Drach’s'Mittheilungen wurde sie von Georg Kumpfe be-
gründet, 1694 an J. E. de Lattre aus Hanau, später an verschiedene
holländische Unternehmer verpachtet, von denen Philipp Hontem sie
in den Jahren 1711 bis 1717 zu einiger Bedeutung erhob. Ihm folgte
ein Casseler J. H. Koch, und als dieser 1724 seine Zahlungen einstellte,
Job. Christoph Gilze, welcher die Fabrik wieder zu heben wusste und
bis zu seinem Tode 1735 behauptete. Bis zum Jahre 1740 setzte sein
Sohn Fr. Ludwig Gilze das Unternehmen unter finanziellen Schwierig-
keiten fort. Sodann wurde es für Rechnung des Landgrafen weitergeführt,
bis die auf Herstellung des ächten Porzellans gerichteten Versuche be-
gannen, welche i. J. 1766 zum ersten Porzellanbrand in Cassel führten
und die Fayence verdrängten. Gilze’s Waaren (bezeichnet mit einer aus
H und L = Hessenland gebildeten Marke und einem G) standen an-
fänglich unter dem Einfluss der blau bemalten Delfter Fayencen; später
gingen sie zu deutschen Mustern über. In den sechziger Jahren wurden
auch bunt bemalte Tafelgeschirre angefertigt. Ein Formenverzeichniss aus
den letzten Jahren der Fabrik erwähnt mehrere Ofen-Modelle, Vasen, eine
grosse Pagode, ein drei Fuss- hohes Kind, einen Löwen, einen Affen, einen
Hund, Butterdosen in Gestalt eines Feldhuhnes und einer Schildkröte,
Modelle zu einem Pariser und einem Strassburger Service, zu Thee-
brettern u. A. m.

Im achten
Zimmer.
(Drittes der
Südseite.)
 
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