Im neunten
Zimmer.
(Viertes der
Südseite.)
88 Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe.
höheren Richtung folgten die figürlichen Modelle des Bildhauers Charles
Sau vage genannt Lemire, welcher das von Cyffle für Luneville ge-
schaffene Genre in Niederwiller vertrat und noch in den ersten Jahren
des 19. Jahrhunderts daselbst thätig war. Als Marke führte Niederwiller
anfänglich ein aus dem B von Beyerle’s und dem N des Ortsnamens ge-
bildetes Zeichen, später das doppelte C des Grafen Cüstine.
Aus der B eyerl e’scheu Zeit Nie der will er’s die S. 87 abgebildete Terrine,
die Blumen bunt, Füsse und Griffe rosa und hellblau gehöht, auf dem Deckel Blumen-
kohl, Pilze, Schoten.
Die Fabrik zu Luneville war noch vor derjenigen zu Niederwiller,
schon vor dem Jahre 1729 durch Jacques Chambrette eingerichtet
worden und nahm um 1737 den Titel einer Manufactur des Königs
von Polen an. Ihr Ruhm beruht auf den dort in der zweiten Hälfte des
18. Jahrhunderts von Paul Louis Cyffle modellirten zierlichen Genre-
Gruppen, in welchen dieser begabte Künstler volksthümliche Gestalten
wiedergab, so den Schuhflicker, welcher dem im Käfig über ihm hängenden
Staare etwas vorpfeift, und die Strumpfstopferin, welche in ihrer Tonne
sitzend mit vorgestrecktem Kopfe dem Staare lauscht. Diese und ähnliche
Gruppen wurden theils in unglasirter gelblich grauer Masse (terre de Lor-
raine), theils glasirt und bemalt ausgeführt. In Niederwiller wurden sie
auch in Porzellan-Biscuit hergestellt. Cyffle starb erst 1806 in der Fremde.
Eine dritte lothringische Fabrik, für welche Cyffle ebenfalls
Modelle zu liefern hatte, wurde i. J. 1758 zu Bellevue in der Nähe von
Toni begründet und i. J. 1771 unter Charles Bayar d und Francois
Boyer mit dem Titel einer königlichen Fabrik ausgezeichnet.
Eine vierte zu Vaucouleurs wetteiferte mit den genannten Fabriken
in der Herstellung von Fayencen jener Art, für welche Strassburg das
Vorbild gegeben hatte. Bei dem Mangel von Marken ist es oft schwierig,
jeder dieser lothringischen Fabriken ihren Antheil an der Fülle ausge-
zeichneter Fayencen zuzuweisen, welche aus ihnen hervorgegangen sind.
Diese Schwierigkeit wird noch vermehrt durch die ebenfalls nur
selten bezeichneten Fayencen der Fabrik von Sceaux (Isle de France),
welche um die Mitte des 18. Jahrhunderts von Jacques Chapelle be-
gründet worden und der Richtung der lothringischen Fabriken gefolgt ist.
Feinheit der Masse, Reinheit des Zinnemails und sorgfältige künstlerische
Bemalung, welche sich nicht auf Blumen beschränkt, sondern auch Flügel-
kinder auf Wolken, von Liebespaaren belebte Landschaften und Thierstücke
darstellt, erheben die Fayencen von Sceaux auf den Gipfel dieser Kunst,
so dass Paris, welches selbst nur geringen Antheil an der Fayence-Industrie
jener Zeit genommen hat, heute geneigt ist, diese feinsten Blüthen der-
selben als das Ergebniss hauptstädtischer Kunstschulung für sich in
Anspruch zu nehmen.
Auch im flandrischen Frankreich bestanden im 18. Jahrhundert
zahlreiche Fayencereien, welche um die Mitte desselben den Uebergang
von der Blaumalerei und den Scharffeuerfarben zu den Muffelfarben
mitmachten. Hervorzuheben sind unter den zu St. Am and les Eaux
in der um 1741 von P. J. Fauquez begründeten Fabrik hergestellten
Fayencen diejenigen, welche auf kleisterblauer oder lichtgrauer Glasur
spitzenähnliche Ornamente aus aufgesetztem Weiss mit vielfarbiger Blumen-
malerei verbinden. — Aus St. Amand ein Teller (Sammlung Fetis).
Zimmer.
(Viertes der
Südseite.)
88 Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe.
höheren Richtung folgten die figürlichen Modelle des Bildhauers Charles
Sau vage genannt Lemire, welcher das von Cyffle für Luneville ge-
schaffene Genre in Niederwiller vertrat und noch in den ersten Jahren
des 19. Jahrhunderts daselbst thätig war. Als Marke führte Niederwiller
anfänglich ein aus dem B von Beyerle’s und dem N des Ortsnamens ge-
bildetes Zeichen, später das doppelte C des Grafen Cüstine.
Aus der B eyerl e’scheu Zeit Nie der will er’s die S. 87 abgebildete Terrine,
die Blumen bunt, Füsse und Griffe rosa und hellblau gehöht, auf dem Deckel Blumen-
kohl, Pilze, Schoten.
Die Fabrik zu Luneville war noch vor derjenigen zu Niederwiller,
schon vor dem Jahre 1729 durch Jacques Chambrette eingerichtet
worden und nahm um 1737 den Titel einer Manufactur des Königs
von Polen an. Ihr Ruhm beruht auf den dort in der zweiten Hälfte des
18. Jahrhunderts von Paul Louis Cyffle modellirten zierlichen Genre-
Gruppen, in welchen dieser begabte Künstler volksthümliche Gestalten
wiedergab, so den Schuhflicker, welcher dem im Käfig über ihm hängenden
Staare etwas vorpfeift, und die Strumpfstopferin, welche in ihrer Tonne
sitzend mit vorgestrecktem Kopfe dem Staare lauscht. Diese und ähnliche
Gruppen wurden theils in unglasirter gelblich grauer Masse (terre de Lor-
raine), theils glasirt und bemalt ausgeführt. In Niederwiller wurden sie
auch in Porzellan-Biscuit hergestellt. Cyffle starb erst 1806 in der Fremde.
Eine dritte lothringische Fabrik, für welche Cyffle ebenfalls
Modelle zu liefern hatte, wurde i. J. 1758 zu Bellevue in der Nähe von
Toni begründet und i. J. 1771 unter Charles Bayar d und Francois
Boyer mit dem Titel einer königlichen Fabrik ausgezeichnet.
Eine vierte zu Vaucouleurs wetteiferte mit den genannten Fabriken
in der Herstellung von Fayencen jener Art, für welche Strassburg das
Vorbild gegeben hatte. Bei dem Mangel von Marken ist es oft schwierig,
jeder dieser lothringischen Fabriken ihren Antheil an der Fülle ausge-
zeichneter Fayencen zuzuweisen, welche aus ihnen hervorgegangen sind.
Diese Schwierigkeit wird noch vermehrt durch die ebenfalls nur
selten bezeichneten Fayencen der Fabrik von Sceaux (Isle de France),
welche um die Mitte des 18. Jahrhunderts von Jacques Chapelle be-
gründet worden und der Richtung der lothringischen Fabriken gefolgt ist.
Feinheit der Masse, Reinheit des Zinnemails und sorgfältige künstlerische
Bemalung, welche sich nicht auf Blumen beschränkt, sondern auch Flügel-
kinder auf Wolken, von Liebespaaren belebte Landschaften und Thierstücke
darstellt, erheben die Fayencen von Sceaux auf den Gipfel dieser Kunst,
so dass Paris, welches selbst nur geringen Antheil an der Fayence-Industrie
jener Zeit genommen hat, heute geneigt ist, diese feinsten Blüthen der-
selben als das Ergebniss hauptstädtischer Kunstschulung für sich in
Anspruch zu nehmen.
Auch im flandrischen Frankreich bestanden im 18. Jahrhundert
zahlreiche Fayencereien, welche um die Mitte desselben den Uebergang
von der Blaumalerei und den Scharffeuerfarben zu den Muffelfarben
mitmachten. Hervorzuheben sind unter den zu St. Am and les Eaux
in der um 1741 von P. J. Fauquez begründeten Fabrik hergestellten
Fayencen diejenigen, welche auf kleisterblauer oder lichtgrauer Glasur
spitzenähnliche Ornamente aus aufgesetztem Weiss mit vielfarbiger Blumen-
malerei verbinden. — Aus St. Amand ein Teller (Sammlung Fetis).