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Brinckmann, Justus; Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg; Weimar, Wilhelm [Hrsg.]; Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg [Hrsg.]
Beschreibung der europäischen Fayencen: mit geschichtlichen Einleitungen — Hamburg: Museum für Kunst und Gewerbe, 1894

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https://doi.org/10.11588/diglit.53038#0102
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90

Hamburgisches Museum für Kunst und Gewerbe.

Im neunten
Zimmer.
(Viertes der
Südseite.)

Tagen. Da die Fayencen Fabrikation ein freies Gewerbe war, konnte die
Regierung nichts thun, als die Löhnung in Geld ivorschreiben. Dessen-
ungeachtet blühte die Fabrikation der Fayence während mehrerer Jahr-
zehnte wie kaum in irgend einer anderen Stadt und erreichten die Mar-
seiller Fayencen hinsichtlich der technischen Vollendung und des guten
Geschmackes eine sehr hohe Stufe.
Noch herrschte das Rococo mit seinen weichgeschwungenen, der
Fayence so wohl anstehenden Formen. Für die grossen Tafelgefässe boten
sich die damals von den Silberschmieden geschaffenen Formen, besonders
die grossen Terrinen mit den Haufen von Früchten und Gemüsen oder
Fischen und Austern auf den Deckeln als Vorbilder dar, die mit feinem
Geschmack in die andere Technik übertragen wurden. Die malerische
Ausstattung stand unter dem Einflüsse der Meissener Porzellane und der
Strassburger Fayencen, in denen eben damals Blumen den Ton angaben.
Was aber die Marseiller Blumen vor jenen und auch vor allen späteren
Blumenmalereien der Fayenciers voraus haben, ist ihre dem Konventionellen
abholde Natürlichkeit. Offenbar lernten die dortigen Maler in ihrer Schule
tüchtig nach lebenden Pflanzen malen, zugleich aber, diese in gefälliger
Weise anzuordnen. Nicht zu schweren Sträussen gebunden oder wie
Exemplare aus dem Herbarium bieten sie uns die natürlichen Blumen dar,
sondern locker gelegt, mit frei auswachsendem leichtem Gezweig, über-
spinnen diese die Flächen. Reich ist die Palette der Maler; ihr zartes
Rosenroth wird nirgends übertroffen und eine ihrer grünen Farben, das
„Vert de Savy“ — so bezeichnet nach seinem Erfinder — steht im Rufe
einer Specialität. Das Gold versteht man in solcher Vollendung aufzu-
tragen und die weisse Glasur ist von so feinem Schmelz, dass man gelegentlich
wagen kann, gleich der Sfevres-Manufactur nur mit Gold zu staffiren. Auch
mit belebten Landschaften bemalte man Fayence-Gefässe, oder mit allerlei
Insecten, Käfern, Fliegen, Libellen, oder Fische, Muscheln und Seegewächse
erinnern uns, dass die Malereien in einer Seestadt geschaffen worden.
Der Antheil jeder einzelnen der namentlich überlieferten Fabriken
lässt sich bei dem seltenen Vorkommen von Marken noch nicht nachweisen.
Als erster Fayencier und der bedeutendsten einer wird Honore Savy
schon 1749 genannt. Ihm wird die Ehre zu Theil, anlässlich eines Besuches,
welchen der Graf von Provence, der spätere Ludwig XVIII., i. J. 1777
seinem Lager abstattete, seine Fabrik „Manufacture de Monsieur, frere
du roi“ nennen zu dürfen, und hieraus hat man gefolgert, dass die mit
der Wappeidilie Frankreichs gemarkten Fayencen ihm zuzuschreiben seien.
Sicher aber wurde dasselbe Zeichen noch von andern Fayence-Fabriken
geführt. Als tüchtige Fayenciers werden auch J. G. Robert und die
Veuve Perrin und Abellard genannt. Gegen Ende des Jahrhunderts
verfällt die Marseiller Fayence - Industrie dem Schicksal aller ihrer
Schwestern, vom billigen englischen Steingut und seinen Nachahmungen
verdrängt zu werden.
Fayencen von Marseille.
Längliche T e r rin e (S. Abb. S. 89), bemalt mit natürlichen Blumen, als Knauf des
Deckels Fische und Muscheln. Unter dem Boden eingekratzt eine grosse 2 und4. Ohne Marke.
Ter rin en- Deckel, bemalt mit natürlichen Blumen und Schmetterling.
Dei- Deckelknauf gebildet durch aus der Fläche aufwachsende Akanthus-Blätter.
Eingekratzt eine grosse I. Ohne Marke.
 
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