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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 1): Die Bildhauer — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4968#0093

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II. Grössere Ausbreitung und Streben nach freier Entwickelung, von Ol. CO—80.

so wenig wie bei den Bronzen aller andern Schulen. Das gewonnene Resultat be-
hält also seine Bedeutung überall, wo die Wahl des Stoffes frei war. Seine Rich-
tigkeit aber wird sich noch mehr dadurch bewähren, dass es seine Geltung auch
über diese Periode hinaus gerade in der Blüthezeit der griechischen Kunst behauptet.

Ueberhaupt bildet, wenn wir auf die äussere Geschichte sehen, diese
Periode nicht einen so scharfen Abschluss, wie die vorige, nach deren Ende
die Kunstübung- fast überall ihre Wohnsitze veränderte. Aegina freilich ver-
schwindet, weil es ein selbstständiger Staat zu sein aufhört, auch aus der Ge-
schichte der Kunst. Argos nebst Sikyon aber und Athen behaupten in der
folgenden Zeit noch weit ausschliesslicher ihre Herrschaft, so dass, was ausser-
halb dieser Mittelpunkte steht, nur in geringem Maasse unsere Aufmerksamkeit
zu fesseln vermag.

Blicken wir nun auf die Summe unserer Ergebnisse zurück, so erscheint
es gewiss gerechtfertigt, wenn wir im Eingange sagten, dass wir diese Periode
P»it dem Gefühl nicht befriedigter Erwartung verlassen müssen. Wollen wir
aus dem, was später sich ereignet, rückwärts schliessen, so möchten wir vieles
»>it Bestimmtheit annehmen, was sich im Kunstleben dieser Zeit zugetragen
haben muss. Aber uns fehlen die Mittel es zu beweisen und im Einzelnen
darzuthun. Wir befinden uns in der Nähe des Höhepunktes, fast ohne es zu
ahnen. Nun ist es wohl wahr, dass der letzte Schritt zur Vollendung auch der
gewaltigste zu sein pflegt. Allein behaupten zu wollen, dass der Geist eines 12
Phidias bei aller seiner Gewaltigkeit allein genügt habe, die bisher unmündige
Kunst ohne vorbereitende Hülfe mit einem Schlage zur Selbständigkeit zu er-
heben, das würde im Widerspruch mit allen analogen Erscheinungen auf dem
allgemeinen Gebiete der Geschichte stehen. Und zum Glück sind wir auch
hier nicht so arm, wie es nach dem Bisherigen scheinen könnte. Eine einzige
grosse Entdeckung, die der aeginetischen Giebelstatuen, hat bereits über viele
Fragen Licht verbreitet. Aber auch in der Geschichte der Künstler bleiben uns
n°ch einige Glieder übrig, die zur Vermittelung des scheinbaren Sprunges viel"
faltig beitragen. Hätten wir genauere Nachrichten, namentlich über Ageladas
Ur»d Onatas, so würden wir sie wahrscheinlich ebenfalls in diese kurze Ueber-
gangsperiode setzen müssen. In Ermangelung derselben knüpfen wir unsere
Erörterung nur an drei Künstler, die einerseits Zeitgenossen der genannten,
anderseits auch noch des Phidias selbst sind, nemlich Kaiamis, Pythagoras,
%ron.

Kaiamis.

Das Vaterland des Kaiamis ist uns nicht bekannt, und seine Werke waren
an vielen Orten zerstreut, so dass wir auch daraus über dasselbe nichts mit
Sicherheit schliessen können. Da er aber in Athen arbeitete, auch einen Athener,
den Praxias, zum Schüler hatte, so ist es wenigstens möglich, dass er dorthin
zu setzen ist. — Für die Bestimmung seiner Zeit gewährt uns das Gespann
des Hieron, an dem er in der 78sten Ol. mit Onatas zugleich beschäftigt war,
einen festen Haltpunkt. Er musste also damals schon einen gewissen Ruf be-
sitzen, und es wäre demnach nicht unmöglich, dass er an den Knabenstatuen,
Welche die Agrigentiner wegen der Besiegung von Motya nach Olympia weih-
 
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