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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 16.1915

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Nr. 1
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Ebhardt, Bodo: Die Sprache deutscher Burgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.32141#0021

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Aufschluß darüber, datz unser angeblich so dunkles deutsches Mittelalter in Wirklichkeit ein hochentwickeltes
Leben einer seingebildeten Gesellschast umsatzte.

Aber nicht nur das Alltags- und Kriegsleben können wir von den Steinen ablesen, auch über die
Kunst unserer deutschen Vorsahren wird uns von den Burgen berichtet. Uns, die
wir der welschen Fratzenkunst durch vaterlandslvse Befürworter seit Iahr und Tag schmäh-
lich untertan waren, die wir selbst auf die Ausgeburten der Unfähigkeit und auf die Schamlosigkeiten
sogenannter Kubisten, Symbolisten und Naturalisten, auf die gemeinen Karikaturen des geschäftsgewandten
Hodler, aus die verrenkten und verknautschten Bauten des Belgiers Van der Velde als aus etwas Schönes
schauen sollten — uns wird der hohe Ernst und die tiefe
Innigkeit der Werke unserer deutschen Vorfahren wie
ein Heilbad überrieseln, wenn wir die Meisterwerke
der Formenschönheit betrachten, die in unseren alten
deutschen Bauten und nicht zuletzt in den deutschen
Burgen enthalten sind.

Dieser wunderbare Zusammenklang zwischen Natur
und Bauwerk! — Diese Gewalt der Gesamtwirkung
der Mauern und Türme — diese herrlichen Raum-
bildungen, ob grotz oder klein, und diese liebevolle
Durchdringung aller Bauglieder bis zum kleinsten
Ornament. — Wir können dem heute nur die Werke
unserer Allergrötzten an die Seite stellen.

Endlich wird uns der Schatz der deutschen Burgen
auch mit eindrucksvollen Worten vom geschichtlichen
Wesen undWerden des deutschen Volkes sprechen.

Stolze Erinnerungen werden unsere Herzen höher
schlagen lassen, wenn wir von ruhmvoller Verteidigung
und machtvollem Ansturm auf hervorragende Vesten
hören, wenn wir zögernden Schrittes die Stätten be-
treten, wo deutsche Volksschicksale in den Schicksalen
seiner grotzen Männer und Frauen entschieden wurden
— wenn wir die Mauern aufsuchen, die deutschen
Geistesgrötzen als Schirm und Schutz dienten —
kurz — wenn wir uns den Burgen nahen, die wie der
Hohenstaufen, der Hohentwiel, die Wartburg, die Kaiser-
burg in Nürnberg, die Hohkönigsburg, der Nunkelstein
in Tirol oder die Ebernburg des Franz von Sickingen
längst zu geweihten Wallfahrtsstätten ungezählter
Tausende geworden sind. — Datz sie es werden konnten, beweist die Macht der Sprache der Steine.

Freilich nicht nur erhebende Erinnerungen knüpfen sich an die alten Mauern.

Mit Schmerz und Ingrimm vielmehr sehen wir auf jene Trümmerstätten, die uns be-
richten von der Raub- und Blutgier unserer französischen Erbfeinde, von dem Ansturm undeutscher Mächte
im Osten und Süden.

MitScham blicken wir auf jene Ruinen, entstanden in inneren Kriegen, in der flammenden Lohe
des Bauernkrieges — des 30 jährigen Krieges, die von der jahrhundertealten inneren Zwietracht sprechen,
dem deutschen Erbübel und Fluch — einem Fluch, mehr zu fürchten, als eine Welt von äutzeren
Feinden, wie sie uns jetzt vergeblich umheult.

Mit Scham sehen wir gegenüber diesen Lehren unserer Vergangenheit, datz sie bei einem Teil
unseres Volkes immer noch nichts genutzt haben. Wäre es sonst möglich, datz z. B. das Vereinsorgan einer
 
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