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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 16.1915

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Nr. 4
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Wirth, Albrecht: Burgen außerhalb Europas
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https://doi.org/10.11588/diglit.32141#0080

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Burgen außerhalb Europas.

Von Dr. Albrecht W i r t b.

)icht immer führen gleiche Zustände auch zu gleichen Erfindungen und Einrichtungen. Die Art,
'wie die einzelnen Völker übermäßiger Kälte uild Hitze begegnen, ist sehr verschieden; niä)t
-überall dient der Ski zur Beherrschung des Schnees. So ist auch der Hausbau nicht se nach
'Alächen- oder Bergeslage verschieden, vielmehr regelt sich die Art des Baues nach ganz
anderen Grundsätzen. Viel hängt vom Klima ab, viel auchvondemvorhandenenBaustoff, vielleicht noch
mehr von der Rasse des Erbauers. Nun treffen wir eiire ganz bestimmte Sonderart des Hausbaues
bei einer ganz erstaunlichen Menge von Völkern, die uiltereinander keineswegs verwandt sind, treffen
die Burg. Hier ist ein Rätsel, das der Lösung harrt.

Es gibt Vurgen in Arabien und Marokko, in Albanien mrd Persien, in Iapan und im Kaukasus. Da-
gegen gibt es wiederum keine in Strichen, die Iapan oder dem Kaukasus eng benachbart sind, keine in
Lhina und der Mongolei, keine in Khiwa und Bochara. China hat wohl Aestungerg hat mn so ziemlich
jede Stadt eine dicke, recht hohe viereckige Mauer von einem Typ, wie er ähnlich in Syrien angetroffen
wird, allein das hat mit Burg nichts zu tun. Die Vurg ist Individual- oder Sippen-, aber nicht Gemeinde-
besitz; bei ihr ist Wohnung unmittelbar mit Befestigung verwachsen, beides ist unlöslich voneinander; nicht
so bei Festungen, die entweder, wenn Forts oder Türme, nicht eigentlich zmn Wohnen dienen, außer in
Zeiten der Gefahr, oder so gebaut sind, daß Verteidigungswerke und bewohnte Stadt getrennte Dinge
darstellen. Gewiß, es gibt Äbergänge. Die gibt es überall. Wir kennen fleischfressende Pflanzen, kennen
Tiere, die zwischen Fisch und Landtier sind. Wo fängt der Amerikaner an und wo hört der Deutsche bei
unseren ausgewanderten Landsleuten auf? Wie bei Naturgeschichte undVolk, so bei der Kunst. Malerei und
Plastik gehen manchmal ineinander über. Das ist allerdings Verfall, ebenso wie heutige Bierkirchen keinen
geschmackvollen Stil darstellen. Auch der Typ der Burg ist mitunter entartet; er kann sich so verwischen,
kann so verschwommen werden, daß es schwer wird zu sagen: haben wir da noch eine Burg oder ein neu-
zeitliches Wohnhaus vor uns, eine Burg oder eine städtische Ansiedlung? Im allgemeinen jedoch ist der
Begriff scharf genug umrissen, und auch, wenn eine ganze, unzusammenhängende Ansiedlung entsteht,
wie bei Burghausen an der Salzach, so ist der ursprüngliche Charakter der Burganlage doch unverkennbar.
Natürlich bedeutet es auf der anderen Seite nur einen Mißbrauch des Wortes, wenn der Wiener Kaiser-
palast „Burg" genannt wird.

Worauf es uns hier ankommt: es läßt sich eine Kette von wirklichen, unzweifelhaften Burgen beob-
achten, die sich von Marokko bis Iapan erstreckt und die zeitlich bis Mykene zurückreicht oder gar bis zum
Kreta des Z. vorchristlichen Iahrtausends, dessen „Labyrinthe" als Burgen angesprochen werden können.
Nun beweist das Auftauchen allein der Burg noch nicht sehr viel. Was ist begreiflicher, als daß der mächtige
Krieger, sei es ein Dynast, der über ganze Länder, oder ein Ritter, der nur über ein Dorf gebietet, sich
baulichen Schutz gegen seine Feinde sucht? Das Merkwürdige ist jedoch, daß in dem so sehr ausgedehnten
Gebiete der Burgen an recht entfernten Stellen mitunter der gleiche Typ austaucht. Der Einzelturm
zum Wohnen überrascht im Kaukasus und in Italien, die zum prunkvollen Herrensitz ausgestaltete Burg
findet sich mit ähnlicher Anlage in Iapan und im Abendland. Zunächst der Turm. Er ist bezeichnend für
die Swaneten im westlichen Kaukasus. Dort herrscht Kampf aller gegen alle, wie in der Arzeit; nicht nur
ist Gau gegen Gau, sondern innerhalb des Gaus ist jedermanns Hand gegen jedermann. Das gleiche
fand ich zwischen Trapezunt und Baiburt bei dem Stamme, den übrigens schon Renophon nannte, der
Drilen. Kein Mensch traut da dem anderen, und so erheben sich schroff und abweisend, in einer Ent-
sernung von je 2—Z Steinwürfen, die isolierten, abschreckend hohen Wohntürme in dem alpinen Ge-
lände — ein ganz abenteuerlicher Anblick. Das gleiche in Albanien. Der Turm, knla genannt, wie im
Georgischen, fehlt in keinem Gau von Hoch- und Mittelalbanien. Die Entfernung von einem zum anderen
ist gerade so weit, daß noch schlechte Schützen einander bequem beschießen können; denn alle leben ja in
Blutrache. Der Turm, nicht so hoch wie in Kaukasien, hat gewöhnlich zwei Stockwerke; er hat keine Fenster,
sondern nur Schießscharten. Das Licht kommt vom Herdfeuer, es fällt durch die lockeren Dachsparren
 
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