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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Editor]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 16.1915

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Nr. 1
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Gerland, Ernst: Das Wohnhaus der Byzantiner
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https://doi.org/10.11588/diglit.32141#0030

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12

den Hauptbau; Balkone und Erker hängen an der Außenseite der Mauern; schließlich ist das Bauwerk
gekrönt bald durch hohe Satteldächer, bald durch Terrasse, Belvedere oder Kuppeln. Fm Znnern
bildet ein großer Empfangssaal den Hauptraum; dieser nimmt oft den ganzen ersten Oberstock ein,
zuweilen zieht er sich durch die Gesamthöhe des Gebäudes.

Ach muß gestehen, daß ich mir aus diesen verschiedenen Angaben kein klares Bild des byzantinischen
Hauses zu machen vermag. Es scheint mir das zu fehlen, wodurch allein es uns ermöglicht wurde, das alt-
babylonische, hettitische, ägyptische, griechische, etruskische, römische Haus wirklich zu rekonstruieren sowie
in die inneren Bedingungen und Bedürfnisse dieser Haustypen einzudringen, ich meine die Unterlagen
für einen Grundriß. Man kann es nun dahingeftellt sein lassen, ob es durchaus unmöglich sein würde,
diese Anterlagen zu gewinnen. An erster Linie känum hierfür wohl die Nuinen von Mystras in Betracht,
vielleicht auch die Bauten auf dem Athos außer den eigentlichen Klosteranlagen auch die Skiten und

Karyäs^). Z. Strzygowski^) verweist außer-
dem auf Venedig, Großgriechenland und die
Küste der Adria. Allein diese Antersuchungen
müßten im Zusammenhang, immer im Hin-
blick auf den Endzweck durchgeführt werden,
in ähnlicher Weise wie ich mir baugeschicht-
liche Studien über die byzantinischen Wehr-
und Burgenbauten denke, worüber ich an
anderer Stelle gehandelt habe?) Von solchen
Arbeiten sind wir aber — in Deutschland
wenigstens — noch weit entfernt, und so scheint
mir denn ein anderer Weg vorläufig der allein
gangbare. Am näheres über das byzantinische
Haus zu erfahren, möchte ich die vergleichende
Methode zu Hilfe nehmen. Als Vergleichs-
material aber bietet sich nach meiner Aberzeu-
gung das moderne orientalische Haus.

Lernen wir also zunächst dieses orientalische
Haus kennen. Das Wohnhaus in Bagdad und
in anderen Städten des Arak hat uns O. NeutherH vorgeführt. Dabei hat er sowohl auf muhammeda-
nische als auf christliche und jüdische, auf arabische wie persische und türkische Häuser geachtet. Den
türkischen Wohnbauten in Brussa hat H. Wilde^) einen Abschnitt gewidmet. Dasselbe geschieht sür die
türkischen Häuser Konstantinopels von seiten eines feingebildeten vornehmen Türken Djelal Essad.H
Daß General L. de Beylis im Supplement zu seiner ,,Haditation d^antine, sowie E. Gurlitt in
seinem monumentalen Werke über die Baukunst Konstantinopels die Phanariotenhäuser zu Stambul
behandelt haben, wurde bereits erwähnt. Gurlitt hat auch die türkischen Häuser berücksichtigt. Der erste
Eindruck, den ich aus diesen Schriften gewinne, ist der, daß kein prinzipieller Anterschied zwischen den Häusern
der verschiedenen Religionen existiert. Die strenge Scheidung zwischen Selamlik (Divanchane) und Harem,
die allen muhammedanischen Häusern im Gegensah zu den christlichen und jüdischen eigentümlich ist^), kann

y Vgl. H. Brockhaus, Die Kunst in den Athos-Klöstern. Leipzig 1891. S. 24Z—245.

') Byz. Zeitschr. XII, 3ZS.

b) Burgenkunde. Deutsche Literaturzeitung 1912, Nr. 42, Sp. 2629—26Z4.

y Das Wohnhaus in Bagdad und anderen Städten des Irak, Beiträge zur Bauwissenschaft, hgb. von Cornelius Gurlitt,
Nr. 16, Berlin, E. Wasmuth 1910.

°) Brussa, Eine Entwicklungsstätte türkischer Architektur in Kleinasien unter den ersten Osmanen, ebenda Nr. 1Z, 1909.

b) Oonstuntmoxls 6o ü Stamdoul. Paris 1969. S. 242—251. Die Klosterbauten Phrygiens hat K. Wulzinger

untersucht (Drei Bektaschi-Klöster Phrygiens, Beiträge zur Bauwissenschast, Nr. 21, 191Z).

?) Vgl. auch den Grundritz eines islamischen albanischen Herrenhauses auf Tafel VI bei M. Ekrem, bei Vlora, Aus Berat
und vom Tomor. Zur Kunde der Balkanhalbinsel I 1Z. Sarajewo 1911.
 
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