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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 16.1915

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Nr. 1
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Gerland, Ernst: Das Wohnhaus der Byzantiner
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https://doi.org/10.11588/diglit.32141#0031

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meiner Ansicht nach nicht als Hauptinerkinal des orientalischen Hauses in Anspruch genommen werden.
Denn diese Scheidung beeinslußt den Plan nirgends. Sie kann mit leichter Mühe hergestellt oder wieder
beseitigt werden, so daß also beim Wechsel des Besitzers ohne besondere Schwierigkeiten aus dem muham-
medanischen Hause ein christliches oder jüdisches und umgekehrt entstehen kann. Auch die zahlreich hervor-
kragenden Crker der Obergeschosse, die dem Straßenbild des Orients sein charakteristisches Aussehen ver-
leihen, möchte ich nicht als Haupteigentümlichkeit betrachten. Näher kommen wir schon dem Zentral-
punkt, wenn wir die rechtwinklige Gestaltung der Znnenräume ins Auge fassen. Die sägesörmige An-
ordnung der Crker (Abb. 11) ist häufig beobachtet worden. Neuther (S. 32) und Wilde(S. 1O9) erklären
sie übereinstimmend aus dem Bestreben, bei schiefer Stratzensront, an die das Erdgeschoß gebunden ist,
in den oberen Stockwerken rechtwinklige Näume zu erhalten. Rechtwinkligkeit aber ist die ideelle Forderung
auch für denjenigen Teil des Hauses, den wir mit Neuther als Tarma bezeichnen. Tarma ist eine
Vorhalle, unter Umständen ein Peristyl. Die
Tarma liegt stets an der Hofsront (über Ausnahmen
in Basra siehe Reuther S. 38). Sie begleitet ent-
weder nur die eine (Abb. 13) oder auch — durch
den Hof getrennt — die gegenüberliegende Seite
des Hauses (Abb. 14) oder sie zieht sich in Form
eines Peristyls um die gesamte Hofsläche herum
(Abb. 15). Die Stützen dieser Vorhalle sind in
Bagdad und im ganzen Arak meist Säulen, über
denen dann eine horizontale Architravabdeckung
ruht. Besitzt das Haus mehrere Stockwerke, so
kann die Tarma ein- oder zweigeschossig sein. In
ersterem Falle zieht sich die Tarma unter ent-
sprechenderVerlängerung der Säulen ohne Zwischen-
boden als offene Halle an den beiden Ober-
geschossen des Hauses hin.

Das Bagdader Haus weist nun noch zwei
weitere eigentümliche Naumglieder auf, die in
den Zeichnungen (Abb. 14) als Liwan und
Talar eingetragen sind. Es handelt sich in
beiden Fällen um Näume, die sich mit einer ganzen
Seite nach der Tarma bzw. wenn diese sehlt, nach dem Hose öffnen. Geschieht das mit der Schmalseite,
so spricht man von einem Liwan (auch Zwan genannt); ist es die Breitseite, so heißt der Naum Talar. Zn
lehterem Falle wird der Querbalken über der Ofsnung durch Säulen gestüht; in ersterem Falle fehlen die
Säulen und ist der horizontale Querbalken meist durch einen Bogen erseht.

Es fragt sich nun, wie stellt sich dieses Haus des Zrak im Norden, also z. B. in Brussa oder in Kon-
stantinopel dar. Dabei ist zunächst eins zu beachten. An Stelle der slachen Abdachung tritt hier häufig,
in den Phanariotenhäusern Stambuls fast durchgehends, die Wölbung. Als Bekrönung des Ganzen tritt
mit Vorliebe das Satteldach aus, doch sind flache Dächer als Hausabschluß, zumal für einzelne Gebäude-
teile, nicht ungewöhnlich. Es ist klar, daß das kältere Klima und zumal die reicheren Niederschläge diese
Abweichungen bedingen. Derselbe Grund dürfte bei einem weiteren Unterschied maßgebend sein. Zwar
ist die Vorhalle des Bagdader Hauses, dort Tarma genannt, auch hier vorhanden, allein sie ist mehr in
die Umfassungsmauern des Gebäudes hineingezogen, sodaß also die Anwendung der Tarma als Peristyl
(Abb. 15) hier unmöglich wird. Auch die Doppeltarma (Abb. 14) habe ich in dem mir zu Gebote stehenden
Material nicht gefunden. Dagegen ähneln die türkischen Häuser in Brussa dem Schema der Abb. 14, sobald
wir nur die eine Hälfte dieser Zeichnung berücksichtigen. Dann entspricht der irakischen Tarma die Vor-
halle dieser Häuser, die in jedem Geschoß vorhanden ist, sich stets nach der Hof- oder Gartenseite öffnet
und nicht nur durch Türen, sondern auch durch Fenster mit den dahinterliegenden Wohnräumen in Ver-
 
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