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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 16.1915

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Nr. 3
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Hoech, Gottlieb Theodor: Die Entstehung und Entwicklung der Stadt Kolberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.32141#0077

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Das nach Plänen des Kölner Dombaumeisters Zwirner 18ZO—32 mit Staatshilfe für die Stadt-
verwaltung und das Stadtgericht neu erbaute Rathaus, in dem nur die Ecke über dem Ratskeller alt ist,
wurde 1913 durchgreifend umgebaut und neu ausgestattet. Örtliche 1'lberlieferungen waren dabei nicht
zu beachten, wohl aber die reichen Vorbilder anderer Hansastädte.

Von den Toren der mittelalterlichen Stadt, dem Mündertore, dem Mühlentore und dem Stein-
tore nach der Lauenburger Vorstadt zu ist nichts erhalten, da die Befestigungen der Stadt öfters veründert
werden mußten. Auch die drei kleinen Tore nach der Persante zu sind verschwunden. Das Steintor wird
den noch vorhandenen Toren in den Nachbarstädten Rügenwalde une Belgard ühnlich gewesen sein,
wie das Stadtbild bei Merian erkennen lätzt.

Diese Ansicht von Kolberg im Iahr 1652 aus Merians Beschreibung von Brandenburg und Pommern
enthült mehrere Fehler der Lage und auch des Aufrisses: z B. fehlt der Chor des Doms, der sich auf einem

gleichzeitigen Ölgemälde
im Nathause findet. Letz-
teres Bild mag eine Ab-
zeichnung der Ansicht mit
Verbesserungen sein.

Der Lageplan der
Stadt und Amgegend aus
dem Ende des vorigen
Iahrhunderts zeigt noch
die Festungs-Wälle und
-Gräben. Sie sind jeht
bereits verschwunden; an
ihrer Stelle wurden breite
Stratzenzüge angelegt.

Von den nach 1807
umgebauten alten Forts
wird noch die berühmte
Wolfsberg-Schanze östlich
der Stadt, Fort Gneisenau
genannt, und das Fort

Abb. 4ö. Kolberg. Gewölbe im alten Natskeller.

Münde erhalten, beide nur
als geschichtlicheDenkmäler
der Kolberger Wehrfähig-
keit in den beiden ver-
gangenen Iahrhunderten.
Die im siebenjährigen
Kriege gegen die Russen
und 1807 gegen die Fran-
zosen bewährte Stadt-
festung wurde nach 1871
entfestigt.

Der gesteigerte Müh-
lenstau hat die Vertei-
digung Kolbergs 1807
wesentlich unterstützt, weil
das niedrige Gelände auf
drei Seitenüberschwemmt
werden konnte. Anter
Major Gneisenau vertei-
digte Major Waldenfels

die Wolfsberg - Schanze jenseits der überstauten Wiesenflächen, und Bürger Nettelbeck besorgte die
stete Ausbesserung der von den Franzosen zerschossenen Stauschleusen neben den Mühlen.

So war die im frühen Mittelalter gewählte Stadtlage auf einem flachen Hügel am Flusse und
zwischen Sümpfen auch im vorigen Iahrhunderte äutzerst wertvoll. Die Gneisenau- und Waldenfels-
Schanzen liegen auf flachen Lehmrücken jenseits der schützenden Niederung im Osten der Stadt.

Die dort am östlichen Strande auslaufenden Lehmhügel haben das Stadtgebiet auch lange gegen
einen nie dauernd Frieden haltenden Landesfeind geschützt. Die Sturmfluten der Ostsee nämlich sind
in ihrem Landraube durch die festen Lehmufer stark gehemmt, und der Aferabbruch verzögert worden.
Erst als gegen Ende des vorigen Iahrhunderts die wertvollen Parkanlagen am Strande von den Sturm-
wellen angegriffen wurden, mutzte die Stadt zur Errichtung von Wehrbauten aus Pfahlwänden und
Pfahlbuhnen schreiten.

Das starkbesuchte Seebad, verbunden mit Soolebädern, den Nachklängen der früheren Saline, zu
der 1807 noch ein 1^/z Irm langes Gradierwerk gehörte, bildet jetzt den Haupterwerb der Stadt.

In diesen neuzeitigen Wehrbauten gegen die Sturmfluten bilden übrigens die Baureste des Forts
Münde und der Kleist- und Waldenfels-Schanzen wertvolle feste Punkte zur Verteidigung der Land-
grenze. Auch geben sie dem schönen Strandbilde Kolbergs eigenartige Neize, die Auge und Herz des Ge-
schichtskundigen erfreuen.
 
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