Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 16.1915

DOI Heft:
Nr. 7
DOI Artikel:
Ritter, Hermann: Burg Rheinfels
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.32141#0156

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1Z8

Abb. 111. Nheinfels und St. Goar stromaus gesehen.

Smlg. B. E.

eingebracht, der sich
als Deserteur aus-
gab und erzählte,
dieneueingetroffene
Division Lebrün
habe zwei Stunden
von Nheinfels eine
Menge Faschinen
und Leitern aufge-
laden, um am näch-
sten Tage einen Ge-
ireralsturm auf die
Festung zu unter-
nehmen. Infolge-
dessen berief von
Nesius auf 7 Uhr
abends einen Kriegs-
rat, in dem man
einstimmig beschloß,
die Festung noch an
demselben Abend
um 12 Uhr in aller
Stille zu verlassen.

Mitbestimmend für diesen Entschluß soll noch eine Mitteilung des Kommandanten von Ehrenbreitstein
gewesen sein, nach der die Franzosen in einigen Tagen eine Diversion auf das rechte Nheinufer aus-
führen würden, um die Besatzung abzuschneiden. Merkwürdigerweise haben aber der Kommandant
der Artillerie, Hauptmann Bach, sowie der Ingenieur-Offizier des Platzes, Oberstleutnant Wetzel, also
die beiden mit dem Verteidigungszustande der Festung am besten vertrauten Offiziere, an jenem Kriegs-
rate gar nicht teilgenommen.

Iedenfalls wagte man nicht, der Vesatzung den hasenherzigen Entschlutz vorzeitig mitzuteilen. Zu
einem angeblichenAusfall lieh man sie in derNacht antreten, um sie dann geräuschlos mittelst der fliegenden
Brücke über den Rhein zu schaffen. Freilich der Bürgerschaft von St. Goar konnte dieser Exodus nicht
verborgen bleiben. Die Offiziere liefen Gefahr, in den Gassen von St. Goar von der aufgebrachten Menge
ermordet zu werden; von Nesius entging nur durch ein Wunder, für das er später dem Himmel freilich
nicht zu danken brauchte, dem vom Metzgermeister Kraft nach seinem Kopfe geführten Axthiebe.

So übereilt und in so blinder Verwirrung vollzog sich die nächtliche Flucht, daß der Kommandant
den vorhandenen ungeheuren Vorrat an Munition und Lebensmitteln, an Geschützen, Flinten, Uniformen
usw. unberührt zurücklietz, datz sogar die dicht neben der fliegenden Brücke aufgefahrenen Kanonen stehen
und die Posten auf dem Wakenberg, in der Neustadt und am Türmchen unabgelöst blieben. Die Zünd-
röhren der Minen und des Pulvermagazins waren freilich von den Hessen angezündet worden, doch
konnten sie am anderenMorgen noch rechtzeitig gelöscht werden. Die Franzosen wollten gar nicht glauben,
datz, wie eine schutzheischende Deputation der Bürgerschaft erzählte, der Nheinfels von seiner Besatzung
geräumt worden sei. Die Einnahme erschien ihnen so beschämenswert leicht, datz sie es für gut fanden,
sie mit einigem heldenhaften Beiwerk zu verbrämen, dessen Verlogenheit durch unsere knappe Dar-
stellung des wahren Sachverhaltes gekennzeichnet werden soll. Gleichzeitig seien Darstellungen, mit
denen man deutscherseits die in der Kriegsgeschichte kaum erhörte Feigheit abzuschwächen suchte, hiermit
richtig gestellt.

Die jedes Schutzes beraubte Stadt St. Goar hatte zunächst die Folgen des Durchbrennens der Be-
satzung zu tragen. Sie hatte vom November 1794 bis Dezember 1796 monatlich eine Ausgabe von 8OOO Fr.
 
Annotationen