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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 19.1918

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Nr. 3
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Doering, Oskar: Matthäus Schiestl
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https://doi.org/10.11588/diglit.34328#0038

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Malerei ganz widmen zu können.
Schiestl kam nach München und
ward an der dortigen Akademie
Schüler bei Wilhelm von Diez
und Ludwig Lösftz. Doch neben
diesen lebenden Lehrern erkor er
sich solche, die längst zur Ewig-
keit abberufen waren. Ihre un-
sterblichen Werke, die herrlichsten
Werke deutscher Vorzeit, fand er
in der Pinakothek und in der
K. Kupferstichsammlung. Aus
den Gemälden Schongauers und
Dürers vernahm und verstand er
die Sprache eines Geistes, dem
der seinige eng verwandt war und
dem er aus innerstem Triebe sich
anzuschließen strebte. Nur zwei
Jahre dauerte dieser folgenreiche
Münchener Aufenthalt, dann
mußte der junge Künstler nach
Innsbruck übersiedcln. Daselbst
war er bis 1896 an der Glas-
malerei-Anstalt von Albert Neu-
hausen tätig — nicht eben mit
Abb. s. Die Weglenburg. viel Freude, wie er selbst gesteht,
aber doch zum Vorteile seiner künstlerischen und technischen Ausbildung. Seitdem ist er wieder nach München
zurückgekehrt, arbeitet und schafft rastlos mit wunderbarem Erfolge und führt, unvermählt geblieben,
unberührt vom Glanze und den Zerstreuungen der großen Stadt, ein stilles, äußerlich mehr als bescheidenes
Dasein. Und drängt es ihn, sich zu erfrischen, Kräfte zu neuem Schaffen zu sammeln, so zieht er hinaus
ins Land Tirol, das er als seine eigentliche Heimat liebt, und sucht droben im Zillertal ein Häuslein auf,
das ihm und seinemBruder Rudolf gemeinsam gehört. Es steht zwischen Zell und Mayerhofen und schaut
zu den schneebedeckten Riesen des Hochgebirges auf. Des Weiteren wäre von Matthäus Schiestls Lebens-
gange nichts zu berichten, es sei denn, daß er in Anerkennung seiner Tüchtigkeit und aus dem besonderen
Anlasse, daß er ein köstliches Altarwerk für die St. Iohanniskapelle zu Freising ausführte, 1912 zum
kgl. Professor ernannt wurde. Das war eine Auszeichnung, die in diesem Falle einem wahrhaft Würdigen
zuteil ward. Sie hat Matthäus Schiestl's Denkungs- und Lebensweise nicht im mindesten geändert, konnte
dies auch gar nicht fertig bringen, weil dieser unendlich zartsinnige, dabei stahlfeste Tiroler von Jugend an
in Sein und Schaffen ein fertiger Mensch war.
Darum hat er auch nicht mühselig nach einem künstlerischen Stile suchen müssen, sondern ihn von
Anfang her besessen, ist sich seiner bei den alten Meistern nur bewußt geworden. Und dieser Stil sitzt so
fest, daß keine moderne „Richtung", sie mag heißen wie sie wolle, und mag ihn noch so sehr interessieren,
ihn zu beeinflussen vermöchte. Beeinflussen hieße in diesem Falle so viel wie trüben, etwas Geringeres
an die Stelle von etwas Wertvollem setzen. Dieser eigene Stil Matthäus Schiestls erinnert in etwas an
den alter deutscher Meister, aber doch nicht anders als etwa die Dichtungsweise Eichendorfsts an jene von
edelsten Dichtern unserer Vorzeit gemahnt. Neue Schöpfung im alten Geiste — das gilt für Form und
Inhalt.
Wer zufrieden damit ist, wenn er durch Äußerlichkeiten geblendet wird, der findet bei Schiestl seine
Rechnung nicht. Zeichnung und Linienführung sind voll Sorgfalt, Werk eines Mannes, der nicht rasch
drauf zu arbeitet, sondern sich Zeit läßt und die rechte Stimmung abwartet. Die Kontur ist scharf und
klar. Die Herbheit geht oft bis zur Härte, ja bis zur scheinbaren Fehlerhaftigkeit, besonders bei den
Tieren, ohne daß sie doch jemals stört, ist vielmehr ein Etwas von seltsamem Reize. Wer einmal bei der
Glasmalerei tätig gewesen, den hält eine Erinnerung daran allzeit fest. Sie ist die Schule des großen
 
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