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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 19.1918

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Nr. 3
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Kohl, Otto: Das Rheingrafenschloß bei Kreuznach und sein hölzerner Wappenhalter
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https://doi.org/10.11588/diglit.34328#0043

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29

Das Rheingrafenschloß bei Kreuznach
und sein hölzerner Wappenhalter.
Von Otto Kohl, Kreuznach.
m Südabhang der 322 m hohen Gans aus dem rechten
Äser der Nahe erhebt sich der senkrecht aus dem Fluß
steigende Rheingrasenstein in 236 m Meereshöhe mit
den Trümmern der sagenumwobenen Burg, und am
Nordostabhang der Gans, nur 40 m unter ihrem Gipfel
steht das sogen. Rheingrasensteiner Schloß dicht am
Walde. Von der Burg führt ein alter, holperiger
Fahrweg auswärts zum Schloß und von da ein guter
an dem nur 3 Minuten entfernten Eutshos vorbei zur Stadt Kreuznach
herab. Die Ruine gehört noch den Rheingrafen, bezw. Fürsten Salm-
Salm zu Anholt in Westfalen; das Schloß, der Gutshos und der ganze einst
rheingräfliche Feld- und Waldbesiß seit einigen Jahren der Stadt Kreuznach.
Als im Jahre 1689 die Burg Rh ein grasenstein von den Franzosen
zerstört war, zog die rheingräsliche Familie zunächst nach dem Schloß Gau-
grehweiler am Appelbach, unweit Alsenz in der Rheinpsalz; zum Ersatz aber
wurde das jetzige Schloß Rheingrasenstein aus dem damaligen Gutshof
umgebaut und der jetzige Gutshos neu angelegt oder vielleicht aus dem ehe-
maligen „Alzeyer Haus" umgebaut, vcn dem es 1362 in dem neuen Burg-
frieden zwischen den Rheingrafen und den Herren von Alzey heißt (Dipl. Rhingrav. II, 367 in Fabricius, die
Herrschaften des unteren Nahcgebietes): der Burgfride get.in die Kerenbach, und umb den born, und den
born of umb die hobstatt, do Alzeyer hus vffe stund, und den rucke wyder yn umb den Altarstein und in die Nahe."
Der letzte Salm-Salm, welcher in dem Schloß wohnte, war der 1842 gestorbene Prinz Franz, durch dessen
Witwe es nach ihrer zweiten Verheiratung mit einem Prinz von Solms an die Grafen Solms und die Freiherrn
von Erlangen kam, denen es schließlich die Stadt Kreuznach abkaufte.
Die jetzigen Schloßgebäude umgeben einen mit einem altcnBrunnen versehenen Hof von 40 mLänge und 26,
bezw. 28 m Breite. Das einzige wirklich alte und unversehrte Gebäude ist das 28m lange und 10 m tiefe Haupt-
haus; es heißt jetzt Rittersaal, weil seine Mitte durch einen 6 m hohen kleinen Saal von fast 8 auf 6,60 m einge-
nommen wird, der rechts und links mit einem Kamin versehen und vom Hof aus durch eine niedrige Freitreppe
aus Stein zugänglich ist. Die Zahl 1722 auf dem Sturz über den 2 nahen Türen zu den seitlichen Zimmern
gibt die Zeit der Erbauung, bezw. Vollendung an. Bei offenbar bescheidenen Mitteln ist dies Hauptgebäude mit
kleinlicher Kunst und Sorgfalt entworfen und ausgeführt. An dem mit gelblichem, in der Nähe gebrochenem
Sandstein verkleideten Havpteingang fehlt jeder ornamentale Schmuck; das Fenster rechts und links ist ziemlich
groß. Zu dem mir unter dem Saal befindlichen, gut gewölbten Keller führt überflüssigerweise rechts und links
eine Steintreppe hinunter, wie darüber auch rechts und links je ein schmales Treppchen zu den zwei seitlichen
Obergeschossen. Die seitlichen Zimmer sind unten und oben nicht ganz 3 m hoch, die im Erdgeschoß bei den dicken
Mauern (86 em) und kleinen Fenstern dumpf. Über den zwei Doppelgeschossen und dem dazwischen sich erhebenden
Saal liegt gleichmäßig ein ganz einfaches, nicht sehr hohes Dach. Ob die über den Kaminen angebrachten präch-
tigen Holzschnitzereien, welche je ein ihnen nicht entsprechendes, kunstloses Salmsches Wappen cinschließen, schon
1722 eingesetzt wurden, ist mir sehr zweifelhaft. Vielleicht stammen sie erst von der von Erlangerschen Familie,
welche auch das 2,60 m lange, 1,40 m hohe und 0,80 m tiefe Sopha mit vorzüglicher Holzschnitzerei irgendwo auf-
gekaust hatte und bald nach 1870 in den Saal setzte; es trägt Wappen und Namen IAIII. v. VVK8I'1A1XII^O.
Xo. L1DXXXVII.
Rechts und links stößt an diesen Rittersaal ein stattliches, breites und hohes Tor, welches oben das Rhcin-
gräsiich-Salmsche Wappen, nämlich 4 Felder mit je einem rheingräflichen Löwen und den 2 aufrechte Salme
enthaltenden Herzschild birgt. Die bildhauerische Verzierung entspricht der Zeit um 1722. In rechtem Winkel an-
stoßend flankiert das gleich tiefe, aber nur 24 m lange sogen. Schlößchen den Schloßhof nach dem zur Schlucht,
dem „Schindgrund" abfallenden Parkteil, einem Grasplatz mit hübschen Bäumen. Die dicken Mauern des
nicht unterkellerten Hauses lassen auf gleichzeitigen Bau schließen. Der Eingang vom Hofe aus zeigt keine
Zahl, wie die des Rittersaales. Das im Dezember 1916 ausgebrannte Gebäude war erst gegen Mitte des
vorigen Jahrhunderts mit Benutzung der alten, übrigens schlechten Mörtel enthaltenden Mauern hergestellt,
der das Dach unterbrechende Giebel an der Schluchtfront war jedenfalls neu, und neu wohl auch der dortige
Ausgang mit der vorgelagerten Treppe. Alles Gebälk im Innern war neu außer dem etwas geschnitzten, kräftigen
Treppenstempel. Die neue Terrasse ruht über einem Doppelkeller, der seinen Eingang vom Weg unmittelbar vor
dem Tore hat, nur 6 m innen breit ist und sich mit eigenen Mauern nach Südosten 7 und 11 m, also 8 m weiter
als die Terrasse hinzieht. Dieser Keller stammt wohl von dem Hause des ursprünglichen Hosgutes. Bei dem Gut-
leuthof (Hof der Aussätzigen) in der Nähe Kreuznachs führt auch ein Keller unter der Landstraße hin; der Anfang
befindet sich aber unter einem Gebäude. Das Schlößchen war das eigentliche Wohnhaus der v.Erlangerschen und
vorher der Gr. Solmsschen Familie und wird wohl auch 1722 als Wohnhaus der Rheingräflichen geplant gewesen



Abb. 14. Schloß Rheingrafenstein bei

Kreuznach. Wappen.
 
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