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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 19.1918

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Nr. 3
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Doering, Oskar: Matthäus Schiestl
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https://doi.org/10.11588/diglit.34328#0042

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Grunde verdanken auch seine Steindrucke ihre Entstehung, aber es
sollte noch viel mehr dafür geschehen, daß diese bildlichen biblischen
Geschichten, diese Legenden, Sagen und Märchen den Kreisen, für
die sie bestimmt sind, und die wahrste Freude an ihnen hätten, aus-
giebigst zugänglich gemacht würden.
Die Charakterisierung der Schiestbschen Gestalten geht ins All-
gemeine und ist doch stets kräftig individuell. Daß dies bei den
Frauen weniger der Fall ist, als bei den Männern, liegt an dem
männlichen Wesen der Kunst Schiestl's und stimmt unbeabsichtigt
mit der gleichfalls männlichen Art unserer alten deutschen Kunst,
bei der das Gleiche zu beobachten ist. Deshalb sind aber die weiblichen
Gestalten mit ihren holden, reinen, stillen, frommen Antlitzen nicht
etwa weniger anziehend. Zu den schönsten dieser Bilder gehört das
deutsche Mädchen, dessen Helle Halbfigur sich entzückend von einem
landschaftlichen Hintergründe abhebt, oder seine „Alpenfee",' sie ist
recht ein Sinnbild der keuschen Gottesherrlichkeit, die im Hinter-
gründe mit gewaltigen schneeweißen Gletscherbergen himmelan
strebt. Ist vielen dieser Frauen etwas Überirdisches eigen, so sind
Schiestl^s Männer mit ihren wetterharten, vom Schicksal gefurchten
Gesichtern Menschen irdischer Art, von kerndeutscher Gesinnung und
Tüchtigkeit, stark ohne Athlctentum, fromm ohne äußerlichen Augen-
aufschlag. Der „Wanderer" gab uns ein Beispiel dafür.
Die Landschaften, mit denen unser Künstler seine Menschen-
darstellungen in tiefe Beziehung seht, sind freie Nachdichtungen
von solchen, die er auf seinen Wanderungen in Franken, Bayern und im Alpenlande erschaut hat, dabei
unübertrefflich naturwahre Charakterbilder. Bewundernswert sind seine Schilderungen der Hochgebirgs-
natur, wie der lyrisch weichen Schönheit der mitteldeutschen Auen, der einsamen „Wildnussen" und der
Fluren, in deren Grün ein Dörflein oder eine Kirche träumt. Nie schildert er die Landschaft im Aufruhr
der Elemente und verfällt doch niemals dabei in Gefühlsseligkeit oder Weichlichkeit. Mel eher ist das
Gegenteil der Fall, wie bei der Iuralandschaft mit dem fast hart darin stehenden Hellen Hausgiebel. Aufs
schönste sind diese Landschaften als Hintergründe oder Schauplätze der Mcnschenschilderungen benutzt.
Besonders gern zeigt Schiestl dabei kleine, urwüchsige Kirchen mit romanischem oder auch bayerischem Ba-
rockturme und ländlichem Schindeldach. Schon jedes solches Gotteshäuslein ist des Liedes eines unserer
besten Dichter wert, oder wäre es vielmehr, wenn wir noch solche besäßen wie Uhland, Eichendorff und
Möricke es waren.
Die Innigkeit und der Feinsinn, der alle bisher besprochenen Werke Matthäus Schiefes kennzeichnet
und sie zu den schönsten der Gegenwart macht, leben auch in seinen Monumentalmalereien. Er hat solche
bereits mehrfach ausgeführt. Sv eine „Maria als Königin der Heiligen" und eine Anbetung der Hirten
in der Marienkirche zu Kaiserslautern, eine „Übertragung der Reliquien des hl. Benno nach der Münchener
Frauenkirche" in der St. Bennokirche der bayerischen Hauptstadt. Zurzeit ist Schiestl mit großen Wand-
malereien im Schlosse Mainburg bei Schweinfurt beschäftigt. Ruhe und Erhabenheit zeichnen alle diese
Monumentalarbeiten aus, die sich dabei gleichzeitig von jeder schablonenhaften Auffassung weit entfernt
halten. Ihr Gelingen, ihre Volkstümlichkeit liefert den Beweis, daß Echtestes Malerei im Großen wie im
Kleinen den rechten Weg zu den Höhen deutscher Kunst gefunden hat.


Abb. 13. Schloß Rheingrafenstein bei
Kreuznach, Wappenhalter.
 
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