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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 19.1918

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Nr. 4
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Krollmann, Christian: Nach der Schlacht bei Tannenberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.34328#0054

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neumärkischen Streitpunkte blieben ganz unerledigt. Also trug nur Litauen einen vorläufigen Erfolg davon,
wenn man davon absieht, daß den Polen in Form eines Lösegeldes für die vornehmsten Gefangenen aus der
Schlacht bei Tannenberg eine nicht unerhebliche Kriegsentschädigung bewilligt wurde.
Wenn demnach der unmittelbare Erfolg der Polen nicht groß schien, so war doch der mittelbare desto bedeu-
tender. Er bestand in einer nachhaltigen Schwächung ihres Gegners, des Deutschen Ordens. Die wirtschaftlichen
Grundlagen des Ordensstaates waren auf das tiefste erschüttert. Der Eigenhandel des Ordens, der ihm stets
ungeheure Mittel zur Verfügung gestellt hatte, brach zusammen, da ihm durch die Verwüstung des eigenen Landes
und den auch nach dem Frieden noch lange gestörten Verkehr mit dem polnischen und litauischen Hintcrlande
die wichtigste Ausfuhrware, das Getreide, fehlte. Das führte unmittelbar zu einer beträchtlichen Entwertung
der Landesmünze, worin sich die Erschütterung des Kredites des Ordens im Auslande nur zu deutlich aussprach.
Dieser Umstand erschwerte in hohem Grade das Werk der Wiederherstellung der staatlichen Ordnung, dem sich
der Hochmeister Heinrich von Plauen nun mit größtem Eifer hingab. Es galt die Verräter unter den Untertanen,
die ohne Not zu den Polen übergegangen waren, zu strafen, die aufsässigen großen Städte Danzig und Thorn
wieder in das Staatsgefüge zu zwingen, die unzuverlässigen Prälaten, die Bischöfe von Ermland und von Leslau
wenn möglich daraus zu entfernen. Nicht ohne Gewalttätigkeit wurden diese Maßregeln durchgeführt, gleichzeitig
aber auch vielversprechende Reformen wie die Schaffung eines Landesrates und die Demokratisierung der städti-
schen Verwaltungen ins Leben gerufen. Nach dreijährigem heißen Bemühen glaubte Plauen sein Ziel, die innere
Neuordnung, erreicht zu haben. Nun sollte die Abrechnung mit den Polen erfolgen. Noch war die Wehrmacht
des Ordensstaatcs in ihrer Geschlossenheit und Einheitlichkeit der des Polenkönigs, der stets von dem guten Willen
der anspruchsvollen Adelskommunitäten abhängig war, durchaus überlegen, namentlich, wenn sie entschlossen zum
Angriff geführt wurde. Der Friedenszustand, der von beiden Seiten unaufrichtig gehandhabt wurde, war na-
mentlich infolge der fortwährenden Handelsbeschränkungen, die Preußen als das kultiviertere Land viel schwerer
als Polen trafen, aus die Dauer unerträglich. Gründe genug lagen in polnischen Vertragsverletzungen und
Übergriffen vor. So ergriff Plauen im Sommer 1414 das Schwert und entsandte seine Streitscharen gegen Groß-
polen und Kujawien. Ihn selbst fesselte Krankheit an Marienburg. In diesem Augenblicke sielen ihm die eigenen
Ordensbrüder in den Arm. Schon 1409 hatten sich die Gegensätze zwischen einer Kriegspartei und einer Politiker-
partei im Orden geltend gemacht. Dem Scheine nach hatten die Ereignisse von 1410 der letzteren Recht gegeben,
aber unter dem Drucke der Not hatte sie schweigen müssen. Jetzt gewann sie das Oberwasser. An ihrer Spitze
stand ein äußerst ehrgeiziger und verschlagener Mann, der sich für einen großen Diplomaten hielt und daher glaubte,
daß sich weltgeschichtliche Gegensätze durch diplomatische Winkelzüge, wie er sie in der Schule König Sigismund
gelernt hatte, überbrücken ließen: Michael Küchmeister. Mit seinen Gesinnungsgenossen überfiel er den kranken
Hochmeister in der Marienburg, ließ ihn für abgesetzt erklären und sich selbst an seiner Stelle zum Hochmeister
erwählen. Zn gänzlicher Verkennung der wirklichen Loge rief er die Ordenstruppen aus Polen zurück, ließ den
König Jagiello wegen des Angriffs um Entschuldigung bitten und ihm die deswegen erfolgte Absetzung Plauens
Mitteilen. Seine Hoffnung, dadurch die Fortsetzung des Krieges zu vermeiden, wurde grausam enttäuscht. Kaum
war ihnen der Weg durch die Zurücknahme der preußischen Truppen geöffnet, so brachen die Polen ihrerseits in
das Ordensland ein, und hätte nicht Plauen beizeiten für die Verteidigungsfähigkeit der Burgen und Städte
umsichtig vorgesorgt gehabt, so wäre eine ungeheure Katastrophe unvermeidlich gewesen. Immerhin war die
Verheerung des flachen Landes ausgedehnter und nachhaltiger als nach der großen Niederlage im Jahre 1410.
Aber die von Heinrich von Plauen richtig erkannte ünzulänglichkeit der polnischen Hceresversassung machte auch
diesmal, da der König Jagiello die Verteidigungslinie der preußischen Burgen und Städte nicht zu durchbrechen
vermochte und seine Truppen in dem gründlich verwüsteten Lande dem Hunger preisgegeben waren, dem Rache-
feldzug ein Ende, ohne daß er ein greifbares politisches Ergebnis zutage gefördert hätte.
Der Hochmeister Michael Küchmeister ließ sich aber durch diese Erfahrung nicht belehren, sondern versuchte
weiter durch Politisieren zu erreichen, was nur das Schwert entscheiden konnte. Er brachte den Streit des Ordens
mit Polen vor den internationalen Gerichtshof, die große Kirchenversammlung zu Konstanz. Aber das ürteil
dieses Aeropags, das zugunsten des Ordens ausfiel, wurde von den Polen nicht anerkannt, und der Orden durfte
nur die ungeheuren Kosten tragen. Wie in der äußeren, hat Küchmeister auch in der inneren Politik in allem das
Gegenteil von dem, was sein großer Vorgänger angestrebt hatte. Er ließ die unzuverlässigen Prälaten wieder ins
Land, verzieh der verräterischen Ritterschaft des Kulmerlandes, stellte in den Städten die Herrschaft der oligarchie-
schen Räte wieder her. Indem er begann mit den Ständen wie mit einer gleichberechtigten Partei zu verhandeln
und das, was der Staat von ihnen zu fordern hatte um bestehen zu können, von ihnen durch Konzessionen zu er-
kaufen, die die Rechte und die Macht der Landesherrschaft schmälerten, weckte er das Machtbewußtsein der Stände
und legte den Keim zu den inneren Kämpfen, die schließlich den Untergang des Ordensstaates herbeiführten.
Überall im deutschen Reiche, in der Mark Brandenburg, in Böhmen, Schlesien, Sachsen haben schwache Lan-
desherren im 15. Jahrhundert das Ständewesen so anwachsen lassen, daß es zu gewaltigen ümwälzungen kam,
infolge deren im Westen, in der Mitte und im Osten das Deutschtum ungeheure Verluste erlitt. Wenn in dieser
Beziehung der Ordensstaat nicht allein steht, so ist doch für die Gesamtheit und für ihn selbst die Folge die tief-
greifendste und nachwirkendste gewesen. Aber das kann nicht genug betont werden, die Ursache seines Unterganges
ist nicht in der Überlegenheit der Gegner, auch nicht etwa in einem besonders schlechten inneren Negimentc des
Ordens zu suchen, sondern in der falschen Politik, die durch richterliche Entscheidung, durch Winkelzüge, durch
falsche Nachgiebigkeit das erreichen wollte, was nur durch rücksichtslose Gewalt erreicht werden konnte. Das
von Küchmeister großgezogene Ständetum mit seinen dauernd wachsendenjAnsprüchen wurde Preußens Ver-
derben. Indem es immer mehr Einfluß auch aus die äußere Politik des Ordens gewann, hemmte es dessen Hand-
 
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