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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 19.1918

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Nr. 7
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Doering, Oskar: Verkünder der Schönheit deutscher Lande, 6, Paul Hen
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https://doi.org/10.11588/diglit.34328#0082

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liehe Kopie der Wirklichkeit, überall fein-
stes, dichterisches Ergründen des Sinnes
und der Wahrheit, des Gedankens und
Willens, der schöpsungssreudig und ent-
wicklungsstark das Dauernde werden läßt
und mit Leben erfüllt. Freude und Frie-
den der Natur wiedergespiegelt im Froh-
sinn und der stillen Zufriedenheit schlichter
Menschen.
Schweigend waltet die Nacht über
dem alten Städtlein. Der Mondschein
umwebt Häuser, Markt und Gassen mit
zarten bläulichen Schleiern und malt die
Umrisse der Dächer und Giebel mit breiten
Schlagschatten über Wände und Wege.
Alle Formen vereinfachen und vergrößern
sich, die Kraft des künstlerischen Umrisses
der alten Bauten wirkt mächtiger als am
Tage. Nur hier und dort noch schimmert
die Lampe hinter kleinen Fenstern. Nichts
regt sich mehr. Nur ein einsamer Mann
schreitet mit hell brennender Laterne
dem mächtigen, dunkelschattigen Torbogen
entgegen und das Licht schwankt, vom
Schatten des Laternengestells durchkreuzt,
um seine Füße her. Prachtvoll einfach ist
das Bild, voll großer Stimmung, von der
Natur selbst stilisiert. Was beim Anblick
der Wirklichkeit das Gemüt des empfäng-
lichen Beschauers unbewußt bewegt, das
bringt in Ahnung und Erkenntnis des ab-
sichtsvollen Geistes der Erscheinungswelt
die Kunst ihm zum Bewußtsein.
Mitten im tiefsten Walde ist des Einsiedlers Behausung. In der Höhle einer Felsenwand hat er sie sich ein-
gerichtet, das Bächlein sprudelt frisch zwischen moosigen Steinen dahin. Der Einsiedler ist aber in dieser Wildnis
kein einsamer Mensch. Denn der Ruf seiner Frömmigkeit ist allenthalben verbreitet, und nun kommen Männer,
Frauen und Kinder herbeigewallt, um sein Wort zu hören. Da sitzen sie auf dem Nasen um ihn her, und er predigt
ihnen, freundlich schaut von der Felswand das Bild der Muttergottes auf die kleine andächtige Schar hernieder,
und der Wald rauscht und flüstert leise und geheimnisvoll, gleich als wolle auch er samt der ganzen Natur an
dem schlichten Gottesdienste teilnehmen.
Zum Stimmungsvollsten gehören Hey's Abendbilder. So die „Waldschenke". Irgendwo an einer Straße,
die vom Verkehr altväterischer Frachtwagen belebt ist, steht seit mehr denn anderthalb Jahrhunderten das gern
besuchte Haus. Stattlich und wohlhäbig schaut es drein, gastlich und traulich zugleich, und gar malerisch hebt es
sich ab von dem Bergwalde, der dunkel und kühl dahinter emporstcigt. Das ist ein Platz zum Ausrasten, keinen
schöneren möchte man sich wünschen. Dort auf der Terrasse, wie sitzt es sich da im gemütlichen Schein der abend-
lichen Lampe so prächtig beim Schoppen Wein und gutem Gespräch. And auch den müden Gäulen vor dem
haltenden Wagen merkt man es an, wie sie in dem Frieden dieses Ortes bei ihrem Futter es sich doppelt wohl
sein lassen.
Mit glückseligem Behagen schildert Paul Hey den Frühling. „Pfingsten, das liebliche Fest ist gekommen."
Im warmen Sonnenschein blühen und grünen Wiesen und Fluren und Wälder, in der Tiefe zieht schimmernd
das Flüßchen dahin. Still und stolz schaut die hochragende Burg aus die köstliche Landschaft hernieder. Sie selbst
scheint des Frühlings sich zu freuen. Hat sie ihn nicht seit vielen Hunderten von Jahren immer wiederkehren sehen
mit seiner Lust? Viele Geschlechter kamen und vergingen. Aber immer wieder jung wurde die Welt, immer
neu die Freude. Die Straße entlang, hoch über dem Tale am Berghange dahin zieht eine Schar jubelnder Men-
schen. Der dumpfen Stadt entronnen, wandern sie in die frühlingsduftige Natur hinaus, mancher Alte denkt
schnaufend und schwitzend vergnügt der Rast irgendwo draußen beim guten Bier oder Most, die Mägdlein sam-
meln Blumen, die Buben aber hat der Herr Lehrer zu einen: frischen Sängerchor vereinigt, und wie ein Lied
nach dem andern erschallt, hält er sie gut in Schritt und Zucht. Das schöne Bild der Landschaft stammt von der
Jagst, das Schloß heißt Burleswegen. — And weiter führt uns der Künstler hinaus zu dem Klösterlein, das sich
mit dem zierlichen Turm seiner Barockkirche so traulich und wunderbar malerisch in das waldige Tal einschmiegt.
Da läßt er uns schauen, wie die Kinder, von dm Schwestern wohl bewacht und betreut, aus dem grünen Plan
Blindekuh spielen.


Abb. 40. Paul Hey: Studie aus Kaysersberg.
 
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