Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 19.1918

DOI Heft:
Nr. 7
DOI Artikel:
Doering, Oskar: Verkünder der Schönheit deutscher Lande, 6, Paul Hen
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.34328#0083

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
69


Prachtvoll lebendig wird bei Hey das Leben
der Vergangenheit. Helle Begeisterung herrscht
in der alten Reichsstadt. Fahnen wallen und
wehen, das Volk läuft zusammen, in Scharen
umsäumt es die Ränder der Straßen, alleTreppen
und Mauern sind besetzt, aus allen Fenstern
schauen Köpfe hervor. Und auch der Himmel hat
sein freundlichstes Gesicht aufgesetzt und spendet
wahrhaft festlichen Sonnenschein. Za, so etwas
gibt es auch nicht alle Tage. Denn heute will
kein Geringerer allhero seinen Einzug halten, als
des Kaisers Maximilian hocherlauchte Majestät.
Und nun geht eine Bewegung durch das Volk:
„Er kommt!" und die Stadtdiencr haben Mühe
mit ihren Hellebarden die staunend erregt drän-
gende Menschenmasse zurückzuhalten. Trupps
von Landsknechten, stattliche Reiter ziehen ge-
mach vorüber, man schaut sie mit Verwunderung
an, aber ihr stattlicher und bunter Aufzug bildet
ja nur das Vorspiel. Und nun — dort auf dem
Schimmel der erhabene Mann, der einzeln daher-
reitet, jeder weiß es, das kann nur der Kaiser
selbst sein. Merkt man es doch auch an den näher-
kommenden Hochrufen, dem Jubel und Tücher-
schwenken, daß der ruhmreiche Held, der letzte der
Ritter, des deutschen Landes geliebter Herr sich
naht. Nicht lange, so wird er vorüber sein — aber
an den großen Festen, welche die Stadt demhohen
Herrn zu Ehren veranstaltet, hat die Volksmenge
wohl auch noch ihren Anteil. Und ist Kaiser Max
wieder hinweggezogen, so bleibt doch das An-
denken dieses Tages unvergeßlich in allen Herzen
eingeschrieben, noch viel kräftiger und schöner als
des Rates Schreiber das Ereignis in dem golde-
nen Buche der Stadt zu verzeickmen vermag.
Prächtig sind auch die Heyschen lithographi-
schen Wandbilder, aus denen er die alten Märchen
des Volkes erzählt. Gewissenhaft berichtet er
alles Wichtige von ihnen: in der Mitte die Hauptszene, ringsum die anderen wesentlichen Momente, als Neben-
bilder in Grisaillemalerei, die zu der lebhaften Farbigkeit des Hauptbildes in wirkungsvollen: Gegensätze steht.
Aus anderen ähnlichen Tafeln bietet er Bilder zu volkstümlichen Liedern. Die Lindenwirtin, die Wanderlust,
der Abschied vom Städtlein — wer kennt sie nicht, wem hebt ihre Weise bei solchem Anblicke nicht in Herz und
Brust zu klingen an?
Das sind so etliche Beispiele, die ich aus der gewaltigen Menge der zum Wandschmuck in Haus und Schule
bestimmten Steindrucke Hey's hcrausgegrisfen habe. Ihnen reiht sich eine fast unabsehbare Menge von Zeich-
nungen und Buchillustrationen an. Ein Schatz köstlicher Motive aus alten Kleinstädten ist in ihnen niedergclegt,
zart und heimlich in der Poesie ihrer Gassen, Häuser und Schlösser, von schlichter Schönheit in ihren Gruppie-
rungen und Einzelheiten, in der weltfremden Stille und Einfachheit ihres Menschenlebens. Wir fühlen uns an
Schwind, an Richter erinnert, auch an Spitzweg ohne dessen Satire. Denn alles ist klar und rein in seinen Ab-
sichten, kein Ton klingt verstimmt, und lachen wir bei manchen dieser Bilder, so ist es das goldene Lachen unserer
Kindheit. Dafür sollen wir dem Künstler dankbar sein. — Lebendig und wahr wie die Menschen schildert Hey
auch die Tiere, ja er hat besondere Vorliebe für sie. And wo er aus die Darstellung lebender Wesen ganz ver-
zichtet, da entzückt er uns durch die gemütvolle Erfassung der deutschen Landschaft. Keineswegs gibt er ihre Bilder
immer genau nach der Wirklichkeit. Vieles ist frei umgestaltet, vieles aus dem Kopfe gearbeitet. Aus den
Geist und Charakter kommt es an, und beides ist stets aufs feinste getroffen. Deutsche Burgen auf waldigen
Bergeshöhen spielen häufig dabei eine wichtige Rolle. Wie sein ausgeführt dergleichen Zeichnungen oft sind,
davon mag die Studie des Schlosses Vellberg (bei Schwäbisch-Hall) eine Vorstellung geben.
Viele der kleinen Studien, die des Künstlers Bleistift ins Skizzenbuch wirft (eine Menge solcher Zeichnungen
ist in trefflichen Nachbildungen herausgegeben worden), behaupten Geltung als Bilder von abgeschlossener Wirkung.
Da ist kein Versuchen, kein Tasten, alles ist feste, ihrer Zwecke bewußte und dabei von Wärme des Gemütes ver-
schönerte Absicht, fertige Arbeit, und doch bleibt das alles im Verhältnisse zum Ganzen dieses Schaffens Studien-
material, sichtbares Zeichen der Rechenschaft, die der Künstler sich selbst über Gesehenes und Empfundenes zu
geben strebt. Mehrere dieser Zeichnungen dürfen wir hier vorführen. Sie überzeugen von Schnelligkeit und un-

Abb. 41. Paul Hey: Der Kaiser.
 
Annotationen