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geisterten Zeit, war, geht aus der Menge der Ausgaben in
fast allen europäischen Sprachen und aus der raschen Folge
der Neuauflagen derselben sofort hervor.
Die erste Ausgabe, die uns bekannt ist, ist um oder nach
I486 erschienen. Sie verdankt ihre Veröffentlichung dem
Lehrer der Archäologie an der römischen Akademie zur Zeit
des Papstes Innozenz VIII., Suplicius^).
Der Verlag erfolgte zu Rom, das damit die Ehre der
ersten Drucklegung des großen römischen Meisters für sich in
Anspruch nehmen darf. Der Drucker gehörte dem in Rom
damals wirkenden Kreise deutscher Meister an.
Die Ausgabe des Suplicius wird als verständnisvoll und
grundlegend gerühmt.
Mit dieser Veröffentlichung beginnt dann eine Folge von
Bucherscheinungen, die sich bis in unsere Tage lückenlos fort-
seht. — Wertvoll sind diese Buchausgaben des Vitruv dann
nicht nur des Gegenstandes wegen oder der fortschreitenden
Erkenntnis halber, mit der die Herausgeber und Erläuterer
Abb. 5. Darstellung der Schriftsteller Architas und
Ecatosthenes, Vitruv S. Buch, nach Aucundus,
Venedig 1511 und Durantino, Venedig 1524—1535,
italienisch.
immer tiefer in den Sinn der vielfach dunklen Urschriften eindringen, sondern auch, durch die beigegebenen
Bilder, als ein merkwürdigerAbglanz der Formwandlung der Baukunst vom 15. bis 20. Jahrhundert, z.B.
Abb. 6 und 85 oder 88. Auch als eine hohe Schule der Entwicklung der Buchdruckerkunst und der Kunst
der bildlichen Darstellung in Holzschnitt, Kupferstich, Stahlstich, ja sogar der Buchausstattung und Binderei
usw. kann eine Sammlung der in den verschiedenen Jahrhunderten und Ländern erschienenen Aus-
gaben der Werke des Marcus Vitruvius Pollio angesehen werden. — Endlich aber vermittelt der Ver-
gleich der Abbildungen, mit denen die verschiedenen Zeiten, Völker und Meister die Ausgaben in den
verschiedenen Jahrhunderten ausstatteten, — je nach dem herrschenden Stil, — auch eine wertvolle
Kenntnis der Denkweise und Kunstauffassung der verschiedenen bei der Herstellung der Zeichnungen be-
teiligten Meister des Stiftes, des Grabstiches oder des Holzschnittes^).
Darstellen wollten alle dasselbe, — die Bauten der Alten, ihre Säulenordnungen, ihre Tempel
und Theater, ihre Wehrbauten, Häfen und Maschinen, aber wie verschieden fiel die Lösung derselben Aus-
gabe aus. Man vergleiche die vollendeten Architekturen der Folio-Ausgabe des Barbaro von 1556^),
Abb. 65—67, mit den stammelnden Skizzen des großen Architekten Frater Iucundus 1511—1523H (Abb. 4)
oder mit den kleinlichen Frührenaissance-Bildungen des Titelblattes bei Caporali^) (Abb. 7) einerseits und
mit den feinen völlig formsicheren Architekturbildern derComo-
Ausgabe (Abb. 51) und der darauf aufgebauten deutschen
Ausgaben des RiviusH (Abb. 62), oder mit den glänzenden,
manchmal fast schwülstigen Barockentwürfen des PerraulV)
(Abb. 2, 82 u. 83) andererseits. Jede Zeit, jeder Stil ver-
wandelt die Kunstformen, wie die Handschriften verschie-
dener Menschen das geschriebene Wort verwandeln.
Auch das Wort selbst aber wandelt in allen Zeiten seinen
Sinn und seine Bedeutung. — So wird auch der W o r t -
laut Vitruvs verschieden ausgelegt, so wird die Bedeutung
dessen, was er über rein künstlerische Fragen vorträgt, vor
*) 14S6 erschien eine etwas veränderte Neuauflage, dieses Mal in
Florenz auf SS ungezählten Blättern.
-) Vergl. die Abb. 4, 10, 2S, 7S, 8S oder 36. 37, 53 oder 3, 7, 43,
61, 73, 76, 81.
Sammlung Ebhardt, Seite 71.
H Sammlung Ebhardt, Seite 67, 68.
5) Sammlung Ebhardt, Seite 6S.
°) Sammlung Ebhardt. Seite 70, 73, 74.
") Sammlung Ebhardt. Seite 76, 77 ff.
Abb. 6. Ableitung der dorischen Ordnung vom
Holzbau, Vitruv 4. Buch nach Caporali. Perugia
1536, italienisch.
geisterten Zeit, war, geht aus der Menge der Ausgaben in
fast allen europäischen Sprachen und aus der raschen Folge
der Neuauflagen derselben sofort hervor.
Die erste Ausgabe, die uns bekannt ist, ist um oder nach
I486 erschienen. Sie verdankt ihre Veröffentlichung dem
Lehrer der Archäologie an der römischen Akademie zur Zeit
des Papstes Innozenz VIII., Suplicius^).
Der Verlag erfolgte zu Rom, das damit die Ehre der
ersten Drucklegung des großen römischen Meisters für sich in
Anspruch nehmen darf. Der Drucker gehörte dem in Rom
damals wirkenden Kreise deutscher Meister an.
Die Ausgabe des Suplicius wird als verständnisvoll und
grundlegend gerühmt.
Mit dieser Veröffentlichung beginnt dann eine Folge von
Bucherscheinungen, die sich bis in unsere Tage lückenlos fort-
seht. — Wertvoll sind diese Buchausgaben des Vitruv dann
nicht nur des Gegenstandes wegen oder der fortschreitenden
Erkenntnis halber, mit der die Herausgeber und Erläuterer
Abb. 5. Darstellung der Schriftsteller Architas und
Ecatosthenes, Vitruv S. Buch, nach Aucundus,
Venedig 1511 und Durantino, Venedig 1524—1535,
italienisch.
immer tiefer in den Sinn der vielfach dunklen Urschriften eindringen, sondern auch, durch die beigegebenen
Bilder, als ein merkwürdigerAbglanz der Formwandlung der Baukunst vom 15. bis 20. Jahrhundert, z.B.
Abb. 6 und 85 oder 88. Auch als eine hohe Schule der Entwicklung der Buchdruckerkunst und der Kunst
der bildlichen Darstellung in Holzschnitt, Kupferstich, Stahlstich, ja sogar der Buchausstattung und Binderei
usw. kann eine Sammlung der in den verschiedenen Jahrhunderten und Ländern erschienenen Aus-
gaben der Werke des Marcus Vitruvius Pollio angesehen werden. — Endlich aber vermittelt der Ver-
gleich der Abbildungen, mit denen die verschiedenen Zeiten, Völker und Meister die Ausgaben in den
verschiedenen Jahrhunderten ausstatteten, — je nach dem herrschenden Stil, — auch eine wertvolle
Kenntnis der Denkweise und Kunstauffassung der verschiedenen bei der Herstellung der Zeichnungen be-
teiligten Meister des Stiftes, des Grabstiches oder des Holzschnittes^).
Darstellen wollten alle dasselbe, — die Bauten der Alten, ihre Säulenordnungen, ihre Tempel
und Theater, ihre Wehrbauten, Häfen und Maschinen, aber wie verschieden fiel die Lösung derselben Aus-
gabe aus. Man vergleiche die vollendeten Architekturen der Folio-Ausgabe des Barbaro von 1556^),
Abb. 65—67, mit den stammelnden Skizzen des großen Architekten Frater Iucundus 1511—1523H (Abb. 4)
oder mit den kleinlichen Frührenaissance-Bildungen des Titelblattes bei Caporali^) (Abb. 7) einerseits und
mit den feinen völlig formsicheren Architekturbildern derComo-
Ausgabe (Abb. 51) und der darauf aufgebauten deutschen
Ausgaben des RiviusH (Abb. 62), oder mit den glänzenden,
manchmal fast schwülstigen Barockentwürfen des PerraulV)
(Abb. 2, 82 u. 83) andererseits. Jede Zeit, jeder Stil ver-
wandelt die Kunstformen, wie die Handschriften verschie-
dener Menschen das geschriebene Wort verwandeln.
Auch das Wort selbst aber wandelt in allen Zeiten seinen
Sinn und seine Bedeutung. — So wird auch der W o r t -
laut Vitruvs verschieden ausgelegt, so wird die Bedeutung
dessen, was er über rein künstlerische Fragen vorträgt, vor
*) 14S6 erschien eine etwas veränderte Neuauflage, dieses Mal in
Florenz auf SS ungezählten Blättern.
-) Vergl. die Abb. 4, 10, 2S, 7S, 8S oder 36. 37, 53 oder 3, 7, 43,
61, 73, 76, 81.
Sammlung Ebhardt, Seite 71.
H Sammlung Ebhardt, Seite 67, 68.
5) Sammlung Ebhardt, Seite 6S.
°) Sammlung Ebhardt. Seite 70, 73, 74.
") Sammlung Ebhardt. Seite 76, 77 ff.
Abb. 6. Ableitung der dorischen Ordnung vom
Holzbau, Vitruv 4. Buch nach Caporali. Perugia
1536, italienisch.