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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 3.1906/​1907

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Opfergelt: Die Doppelkirche zu Schwarz-Rheindorf
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https://doi.org/10.11588/diglit.53750#0292

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SW DIE DOPPELKIRCHE ZU SCHWARZ-RHEINDORF ^3

brechen brauchten, so trugen sie doch während
des Aufenthalts in der Genossenschaft ein
geistliches Gewand und pflegten das gemein-
same Chorgebet weiter. Nach wie vor be-
gingen sie zur eigenen Herzensbefriedigung
und zur Erbauung der Gläubigen feierlichst
ihre kirchlichen Feste. Dann zogen sie in
freudigem Zuge mit Kreuz und Fahne, mit
brennenden Fackeln und klingenden Schellen
unter den anmutigen Arkaden her, von welchen
sich ihnen ein seltsamer Blick auf die herr-
liche Umgebung darbot. Je nach der Biegung
des Rundganges schauten sie bald den maje-
stätisch dahinfließenden Rheinstrom und die
mit Kuppeln und Türmen geschmückte Stadt
Bonn, bald das von Weinreben und Baum-
grün bekränzte Siebengebirge und die geistes-
verwandten klösterlichen Genossenschaften
von Vilich, Siegburg und Pützchen. Singend
und betend gelangten sie auf diesem einzig-
artigen Wege in das obere Stockwerk des
Gotteshauses. Während alsdann unten eine
andächtige Menge aus Stadt und Land sich
versammelt hatte, zelebrierte am Festaltar der
am Stift angestellte Kanonikus unter Assistenz
seiner Amtsbrüder die feierliche Messe.


Blutige Kriege, veranlaßt durch politische
und religiöse Wirren, haben wiederholt in
den ehrwürdigen Bau zerstörend und ver-
derbend die Brandfackel geworfen ; doch stets
wurde von neuem, wenn auch nur notdürftig,
restauriert. Da brausten um die Wende des
18. Jahrhunderts von Westen her die Stürme
der französischen Revolution heran und fegten
mit unerbittlicher Roheit die einstige Pflanz-
stätte der Religion und Tugend hinweg. Das
Damenstift fand durch Aufhebung ein trau-
riges Ende; die umfangreichen Wohnräume
der Abtissin und Kanonessen wurden nieder-
gerissen, und die Materialien von Holz und
Stein zu Festungs- oder Brückenbauten ver-
wandt. Die Kirche allein war übriggeblieben,
doch wurde sie schmählich ausgeraubt und
verwüstet. Wenn auch das Schicksal voll-
ständigen Abbruches durch das rechtzeitige
Eingreifen einsichtsvoller Männer glücklicher-
weise abgewandt wurde, so war sie doch noch
auf lange Zeit, wie die Archivurkunden be-
richten, ein Bild des Jammers und des Elends.
Während der napoleonischen Zeit benutzten
französische Soldaten sie vorübergehend als
Proviantlager, dann wurde sie an einheimische
Bauern als Scheune und Stallung vermietet.
Im Jahre 1831 konnte endlich die Oberkirche
für den Gottesdienst wieder instand gesetzt
werden, der durch einen Vikar an der nahe-
gelegenen Pfarrkirche zu Vilich abgehalten
wurde. »Unten wurde weitergedroschen«,
bis in den sechziger Jahren auch hier ein
Wandel zum Besseren eintrat. Seit dem Jahre
1869 dient die Kirche als Pfarrkirche für die
mit diesem Zeitpunkte gegründete selbständige
Pfarrgemeinde Schwarz-Rheindorf. Von den
verschiedenen Restaurationsarbeiten ist am
wesentlichsten die von 1903, die mit bedeu-
tenden, durch Staat, Provinz und Gemeinde
getragenen Kosten vorgenommen wurde. Es
wurde bei dieser Gelegenheit der nördliche
Anbau mit dem großen Turmbogen, welcher in
den Revolutionsjahren niedergerissen worden
war, neu aufgerichtet, die Galerie über dem-
selben durchgeführt, und das südliche Treppen-
haus in eine angemessenere Verbindung als
bisher mit der Kirche gebracht, so daß heute
das Ganze in einer ihm angepaßten Umgebung
einen durchaus würdigen Eindruck macht.
Seitdem ist in der Presse wiederholt auf die
Kirche, ihre Architektur und Malerei auf-
merksam gemacht worden; dementsprechend
hat auch der Fremdenbesuch erheblich zuge-
nommen. Alle diejenigen, welche zu diesem
Zweck von Bonn oder Beuel aus den idyl-
lischen, zur Siegmündung weiterführenden
Weg nicht gescheut haben, sind entzückt
 
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