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Becksmann, Rüdiger
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Freiburg im Breisgau: Münster Unserer Lieben Frau — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 2,2, Teil 1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.52840#0028

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i. Ansicht der Stadt Freiburg im Breisgau, 1549. Kolorierter Holzschnitt von Hans Rudolf Manuel gen. Deutsch.
Freiburg i. Br., Augustinermuseum Inv. Nr. D 56/18. Erstmals gedruckt in: Sebastian Münster, Cosmographie, 1550.

KUNSTGESCHICHTLICHE EINLEITUNG

Mittelalterliche Glasmalerereien sind nicht nur künstlerische Zeugnisse, sondern immer auch historische Urkunden.
Für die Farbverglasung des Freiburger Münsters gilt dies in besonderem Maße, spiegelt sich in ihr doch auf überaus
komplexe, aussageträchtige Weise die Geschichte der Stadt, ihrer Institutionen, aber auch der sie prägenden Personen
wider. Dies gilt nicht nur für die Zeit ihrer Entstehung, sondern gerade für die Zeit nach 1800, in der sich endgültig jener
Bruch vollzog, der uns noch mit der Mentalität des Mittelalters verband1. Zwei Eingriffe, wie sie gegensätzlicher nicht
hätten sein können, haben nach dieser Zeitenwende ihr Erscheinungsbild tiefgreifend verändert: Ihre frühe Vervoll-
ständigung im Geiste einer romantischen Mittelaltersehnsucht in den Jahren zwischen 1818 und 1827 und die verspätete
historistische Restaurierung der Jahre 1908 bis 1927. Nach 1818 hatte man zunächst versucht, die in den Kriegen des
17. und 18. Jahrhunderts sowie die durch das Lichtbedürfnis der Aufklärung entstandenen Lücken unter rein ästheti-
schen Gesichtspunkten mit Hilfe ortsfremder Glasmalereibestände zu schließen. Für die danach verbliebenen Lücken
schuf Anton Billeisen zunächst aus alten und neuen Farbgläsern zusammengesetzte Pasticci, die er mit Ölfarbe bemalte
(s. S. 294), bevor die Brüder Heimle bald darauf erste Neuschöpfungen für das Margareten- und das Genesisfenster
zu liefern in der Lage waren (s. S. 223f., 169E). Aus heutiger Sicht gehören diese Arbeiten zu den Inkunabeln historisie-
render monumentaler Glasmalerei in Deutschland, für Fritz Geiges waren sie ähnlich wie das »fragwürdige« Flickwerk
Billeisens Fremdkörper, deren hohe Wertschätzung durch die Zeitgenossen ihm unverständlich blieb2. Entscheidend ge-
prägt durch die Maximen eines Viollet-le-Duc war es sein Ziel, auf der Grundlage ausgiebiger (freilich autodidaktischer)
archäologischer und historischer Forschungen den ursprünglichen Zustand der Farbverglasung, soweit als möglich, wie-
derherzustellen, »unter Ausschaltung alles dessen, was nicht ursprünglich für das Münster geschaffen worden ist, unter
Ausmerzung alles dessen, was in späteren Jahrhunderten ergänzt und hinzugefügt wurde und unter Ausfüllung aller sich
ergebenden Lücken durch Imitationen«3. Hatte man 1818 eine Verschönerungskommission gegründet, der außer dem
Münsterprokurator Mäzene und kunstsachverständige Männer der Stadt angehörten4, so hat man Fritz Geiges auf Grund
der hohen Reputation, die er sich seit den 1880er Jahren in Freiburg und weit darüber hinaus als Glasmaler, Restaurator
und Erforscher des Freiburger Münsters erworben hatte, ohne Begleitung durch eine Kommission eigenmächtig schalten
 
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