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Becksmann, Rüdiger
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Freiburg im Breisgau: Münster Unserer Lieben Frau — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 2,2, Teil 1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.52840#0360

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359

III. DIE HOCHGOTISCHEN KAPELLEN DES QUERHAUSES

Gegenwärtiger Bestand: Von den drei in hochgotischer Zeit dem spätromanischen Querhaus angefügten Kapellen
hat nur das Endingen-Chörlein in der Nordostecke seine ursprüngliche Farbverglasung bis auf die erneuerten Zwickel
mit insgesamt sieben Scheiben nahezu vollständig bewahrt (s. S. 361-367). Von der originalen Verglasung der Peter-und-
Pauls-Kapelle blieben dagegen in den Bahnen nur vier Rechteck- und zwei Kopfscheiben, im Couronnement der untere
Vierpaß sowie die beiden flankierenden Dreistrahlen erhalten (s. S. 368-377). Hinzu kommen noch je zwei von Geiges
ausgeschiedene Kopf- und Ornamentfragmente im Augustinermuseum, während das zur Hl. Katharina gehörige Schwert-
fragment 1980 wieder in das rekonstruierte Unterfeld ic eingefügt wurde (s. S. 376).

Geschichte des Baues: Bald nach 1300, gleichzeitig mit der Errichtung der nordwestlichen Obergadenfenster des
Langhauses (Fig. 387), müssen nach Ausweis der Formen die beiden gleichartigen spitzbogigen Altarnischen in der
Nordost- bzw. Südostecke des Querhauses aus den 1220/30 aufgemauerten Querhausfassaden ausgebrochen und mit in
der Bildung übereinstimmenden zweibahnigen Maßwerkfenstern (Fig. 417) in eine weniger als halb so starke Mauer ein-
gesetzt worden sein1. Dabei verzichtet das außen zweistufige Maßwerk wie im Hochschiff auf Basen und Kapitelle; mit
seinem schlichten, unten umlaufenden Rahmenprofil nimmt es sogar Rücksicht auf den spezifischen Wandcharakter des
spätromanischen Baues. Dies dürfte auch der Grund dafür gewesen sein, daß im Innern die außen über dem Kämpfer-
punkt ansetzende zweite Profilstufe fehlt, die Scheiben innen also flächig auf den Nasen aufliegen.
Von ganz anderer Art ist die Peter-und-Pauls-Kapelle (Fig. 414E), die im fünften Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts in der
Nordwestecke des Querhauses errichtet worden ist und mit ihrer exzentrischen Erscheinung die schlichte Fassade um
einen außergewöhnlichen architektonischen Kontrapunkt bereichert. Innen mit der Wand bündig hinterschneidet der
queroblonge Raum die Gewölbevorlage, setzt seine kurze Westmauer auf die spätromanische Lisene, während die längere
Ostmauer das Portal hart bedrängt. Zwischen über Eck gestellten Strebepfeilern durchbricht ein tief heruntergezogenes,
dreifach abgestuftes vierbahniges Maßwerkfenster die Front. Zugleich durchstoßen die Kreuzblume des krabbenbesetzten
Kielbogens wie die Riesen der zweigeschossigen Eckfialen das von einer Maßwerkbalustrade bekrönte Abschlußgesims2.
Die im Rhythmus a-b-b-a gebildeten Lanzetten werden im Couronnement mit fünf verschiedenen Maßwerkformen
verbunden, die sich spiegelbildlich entsprechen; die doppelt genasten, nach außen strahlenden Bahnköpfe stellen dabei
die modernste Form dar. Bezeichnenderweise übertrifft das Couronnement die Rechteckfelder an Höhe.
Dieses Kleinod vorparlerischer Baukunst am Oberrhein hat nicht nur bedeutende Reste seiner ursprünglichen Farbver-
glasung, sondern über der heute verlorenen Altarmensa an der Ostwand auch solche eines etwa 1,60 m breiten und 5,80 m
hohen Wandbildes mit der Kreuzigung Christi (Fig. 416) bewahrt; den Schlußstein des Gewölbes ziert das Relief eines
nach Osten gerichteten Antlitzes Christi. Da die Kapelle als Grablege des seit 1335 in Freiburg ansässigen, zwischen 1348
und 1350 verstorbenen Pfründenstifters Werner von Ehren-
stetten, Pfarrektors in Amoltern, diente, dürften Bau und
Ausstattung zum Zeitpunkt seines Todes bereits vollendet
gewesen sein3.
1 Die beiden nachträglich eingefügten Altarnischen und ihre Fenster sind
bisher kein Gegenstand baugeschichtlicher Erörterungen gewesen.
2 Erstmals findet sich dieses Motiv an den Strebepfeilern der 1344 fertig-
gestellten Marienkapelle der Stiftskirche St. Florentius in Niederhaslach
(Bildarchiv Foto Marburg Nr. 26 713; Recht 1974, S. 158). Kurz darauf
taucht es an den Hauptstrebepfeilern des 1344 von Matthias von Arras
begonnenen Chorkapellenkranzes des Prager Veitsdomes auf (hierzu be-
reits Becksmann, in: Kat. Ausst. Köln 1998, S. 294!.).
3 Obwohl Sauer 1911 Architektur und bildliche Ausstattung der Kapelle
in einer für die Zeit mustergültigen Studie vorgestellt hat, ist sie bisher
nicht in übergeordnete Untersuchungen einbezogen worden. Lediglich
ihre stilgeschichtliche Einordnung konnte Ernst Adam, in: Kat. Ausst. Köln
1978, S. 293!., präzisieren und in die vierziger Jahre datieren: »kurz nach
Vollendung des Westturmes und vor Planung der Hahnenturmaufsätze.«

Fig. 415. Peter-und-Pauls-Kapelle. Grundriß. Maßstab 1:60.
 
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