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Becksmann, Rüdiger
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Freiburg im Breisgau: Münster Unserer Lieben Frau — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 2,2, Teil 1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.52840#0362

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QUERHAUS nord XVI (FENSTER IM ENDINGEN-CHÖRLEIN)

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QUERHAUS nord XVI (FENSTER IM ENDINGEN-CHÖRLEIN) (15) Fig. 417-432, Abb. 200-202
Lichtes Gesamtmaß: H. 2,24 m, B. 0,96 m. Zweibahniges, dreizeiliges Maßwerkfenster mit genasten Kopfscheiben und
rundbogigem Vierpaß in der Kreisrosette darüber in einfach gefastem Pfostenwerk, dessen Maßwerkformen innen feh-
len, so daß die Scheiben die äußeren Nasen bedecken und durchscheinen lassen. Bahnen außen seit alters vergittert.
Gesamtaufnahmen: MBV 9852 (um 1917); CVMA B 612 (1971), Großdias HII, 104-107 (1980), E 36 (2010)

Bibliographie: Baer 1889, S. 66 (ungenaue Angaben zur Verglasung und seiner Datierung); Kempf 1926, S. 216 (fälsch-
licherweise »als stark ergänzt« bezeichnet); Jantzen 1929, S. 41 (nach Kempf; datiert »gegen 1330«); Geiges 1931—1933,
S. 95-104, 387 (identifiziert die Fensterstiftung der Herren von Endingen mit einer der drei Sühnestiftungen der Üsenberger
für Thomas von Endingen und zwei seiner Vetter, die 1321 in den kriegerischen Auseinandersetzungen um Vogteirechte
der Herren von Falkenstein hinterlistig erschlagen worden waren, und kommt damit zu einer Datierung des Fensters »im
Verlauf des 3. Jahrzehnts«; liefert die erste umfassende Dokumentation dieses Scheibenbestandes mit ausführlichen, je-
doch von falschen Prämissen ausgehenden genealogischen und heraldischen Erörterungen; schreibt seine Ausführung auf
Grund ornamentaler Übereinstimmungen einer jüngeren Kraft jener elsässischen Werkstatt zu, die bereits um 1280/85 die
Langchorverglasung der Freiburger Dominikanerkirche ausgeführt hat); Wentzel 1954, S. 94, Abb. 124 (datiert, Geiges
folgend, um 1320/30); Becksmann 1967, S. 64, 66 (begründet mit formalen und stilistischen Argumenten eine Datierung
um 1310, läßt die Werkstattfrage allerdings offen); Krummer-Schroth 1967, S. 23E, 179 bzw. 1978, S. 13, 90 (hält an
einer Datierung um 1320 fest, sieht Vergleichsmöglichkeiten mit seeschwäbischer Glas- und Buchmalerei, bleibt die
genauen Nachweise jedoch schuldig); Parello 2000, S. 68, 85 (präzisiert die Restaurierungsgeschichte mit Hilfe bisher
unbeachteter Quellen); Mittmann 2005, S. 24E (ungenaue Angaben nach Geiges).

Geschichte der Verglasung: Das Fenster ist bisher zu Unrecht mit der Sühnestiftung der Üsenberger für den 1321
erschlagenen Thomas von Endingen verbunden und in die zwanziger Jahre des 14. Jahrhunderts datiert worden8. Daß das

Präsensbuch des Münsters von 1400 Thomas selbst als Stifter der Pfründe vermerkt, hat Geiges als »irrige Angabe« ab-
getan9. Da die Quellen aber weder 1364 noch 1400 die Üsenberger als Stifter der
Pfründe nennen, fehlt der noch von Mittmann 2005 vertretenen These einer


Fig. 417. Endingen-Fenster in der nördlichen
Querhausfassade. Um 1300/10. Außenansicht.

Sühnestiftung jegliche Legitimation10. Hinzu kommt, daß das Fenster zwei Endin-
gen-Wappen mit unterschiedlicher Helmzier enthält (Fig. 428E). Diejenige unter
dem Hl. Thomas zeigte nach Ausweis einer um 1790 von Geissinger angefer-
tigten Zeichnung über einer weißen Helmdecke einen steigenden schwarzen Adler
oder Falken, diejenige unter dem Hl. Matthias einen dem Wappenbild entspre-
chenden, mit weißen Pfauenspiegeln besetzten steigenden roten Löwenrumpf11.
8 Die fraglichen Quellen zum Schiedsspruch von 1322 hatte bereits Schreiber 1829/30, S. 240-243
(Nr. 115-117) veröffentlicht, während die Vereinnahmung des Fensters als Sühnestiftung der Üsen-
berger auf eine Untersuchung von Hermann Flamm, Das Endinger-Chörlein im Querschiff des
Münsters, in: FMbl 7, 1911, S. 43-46, zurückgeht. Nachdem Joseph Sauer, Kirchliche Denkmals-
kunde und Denkmalpflege in der Erzdiözese Freiburg, in: FDA 41, 1913, S. 387, die These Flamms
sanktioniert hatte, hat Geiges 1931-1933, S. 96-99, sie übernommen, jedoch in Einzelheiten be-
richtigt. Zuletzt ist Gerlinde Person-Weber, in: Die Burgen im mittelalterlichen Breisgau I,i, hrsg.
von Alfons Zeltler und Thomas Zotz, Ostfildern 2003, S. 136-140, auf die Vorfälle von 1321 und
den Schiedsspruch von 1322 im Zusammenhang mit der Zerstörung der Burg Koliberg bei Endin-
gen eingegangen, allerdings ohne die Fensterstiftung im Endingen-Chörlein zu erwähnen.
9 Geiges 1931-1933, S. 99, begründete dies mit einem Verweis auf das Präsensstatut von 1364, das
eine Pfründenstiftung von Ratsherren auf den Altar des Hl. Thomas für das Seelenheil des Thomas
von Endingen, des erschlagenen Ritters, vermerkt. Vgl. hierzu Flamm 1905, S. 72 und 79.
10 Wie Sühnestiftungen im 14. Jh. ausgesehen haben, läßt sich mit zwei Beispielen belegen: dem
Kreuzigungsfenster, das Walter von Eschenbach als persönliches Zeichen der Sühne wegen seiner
Beteiligung an der Ermordung König Albrechts I. bei Windisch nach 1308 in das Langhaus der
Zisterzienserkirche zu Kappel am Albis gestiftet hat (Becksmann, Stifterbilder, 1975, S. 73f-) und
dem Achsenfenster, das die Grafen von Württemberg und die Markgrafen von Baden nach Schlich-
tung der württembergisch-ebersteinischen Fehde durch Kaiser Karl IV 1370 als gemeinsames Zei-
chen der Sühne in den Chor der Pfarr- und Wallfahrtskirche nach Tiefenbronn gestiftet haben
(Becksmann 1979, S. 231-243).
11 Geissinger S. 64, gibt beide Helmzierden noch vollständig, allerdings versehentlich in
vertauschter Position (Geiges 1931-1933, Abb. 272), wieder.
 
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