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Becksmann, Rüdiger
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Freiburg im Breisgau: Münster Unserer Lieben Frau — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 2,2, Teil 1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.52840#0216

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ZWEITVERGLASUNG

2IJ

2. DIE ZWEITVERGLASUNG DES LANGHAUSES
Gegenwärtiger Bestand: Von den zehn Seitenschiffenstern, die zwischen 1325 und 1340 neu verglast worden sind,
haben immerhin neun trotz aller Eingriffe in mehr oder weniger großem Umfang originalen Glasbestand in situ bewahrt.
Selbst das Aussehen des zehnten Fensters, der südwestlichen Rose, die nach 1820 weitgehend erneuert worden war und
1944 bis auf zwei Felder zugrundeging, ist gesichert; sie entsprach in allen Einzelheiten der zu großen Teilen noch origi-
nalen nordwestlichen Rose (s. S. 335-342), auch wenn dies heute vor Ort auf Grund der modernen Farbverglasung von
Peter Valentin Feuerstein (s. Anhang II, S. 666) in seiner Wirkung nicht mehr nachzuvollziehen ist.
Überhaupt hat das Schicksal die Verglasung des nördlichen Seitenschiffes entschieden begünstigt. In den drei östlichen
Fenstern enthalten immerhin 40 von 66 Feldern in den Bahnen originalen Bestand; in den drei westlichen Fenstern ist
das Verhältnis mit 36:48 noch wesentlich günstiger. Hinzu kommt, daß die Maßwerkfelder dieser Fenster zwar vielfach
ergänzt, jedoch keines zur Gänze erneuert ist - mit Ausnahme der unteren Zwickel, die 1940 in Unkenntnis der Tat-
sache, daß es sich hierbei um Reste der Erstverglasung handelte, nicht ausgebaut worden waren und 1944 zerstört wurden
(s. S. 258, 294, 326). Im Gegensatz hierzu haben die beiden südlichen Seitenschiffenster, die 1335/40 ihre Zweitverglasung
erhielten, im Couronnement nur 11 von 48 Feldern bewahrt, wodurch der Gesamteindruck spürbar beeinträchtigt wird,
obwohl in den Bahnen von ursprünglich 28 Feldern 25 erhalten blieben (s. S. 273, 310). Dennoch gehört das Tulenhaupt-
Fenster über dem Südportal zusammen mit dem gegenüberliegenden Schmiedefenster zu jenen Seitenschiffenstern, die
dank zurückhaltenderer restauratorischer Eingriffe noch oder wieder ihre ursprüngliche Gestalt präsentieren, auch wenn
dieser Eindruck auf rekonstruktiven Maßnahmen beruht, die sich im Unterschied zu den in allen anderen Seitenschiffen-
stern von Geiges vorgenommenen, historisch fragwürdigen Rekonstruktionen auf archäologische Befunde bzw. bildliche
Überlieferungen stützen können. Daß der Glasbestand auf der Südseite folglich weniger authentisch ist, spiegelt sich
auch in der Anzahl der ausgeschiedenen Fragmente wider: Auf der Nordseite sind es im Schnitt zwei Fragmente pro
Fenster, auf der Südseite hingegen sechs, die heute im Augustinermuseum verwahrt werden.
Da bereits 1820 alle acht westlichen Hochschiffenster blankverglast waren - der überkommene Scheibenstand war schon
früh zur Schließung von Lücken in den Seitenschiffenstern herangezogen worden -, verwundert es nicht, daß dort von
ursprünglich 96 Rechteckscheiben nur 16 erhalten geblieben sind; hiervon befinden sich immerhin 15 heute wieder an
Ort und Stelle, allerdings auf der Süd- statt auf der überlieferten Nordseite (s. S. 344). Hinzu kommen noch zwei Schei-
benfragmente und zwei Scheiben, die sich mit dem Schnewlin sehen Vermächtnis von 1347 verbinden lassen, sowie zwei
Wappen, die um 1340 nachträglich in Lhs. S IX eingesetzt worden waren (s. S. 342).
Komposition, Ornament, Farbigkeit: Charakteristisch für die zweite Verglasungsphase im Langhaus ist, daß keines
der nahsichtigen Seitenschiffenster einem anderen in seiner formalen Gestaltung entspricht - mit Ausnahme der beiden
wesentlich ornamental gestalteten Westrosen. Selbst zwischen den gegensätzlichen Gliederungsformen - kleinteilige sze-
nische Darstellungen in Medaillons und monumentale Standfiguren in Architekturtabernakeln - kommt es zu keinen
rhythmischen Entsprechungen oder auch nur zu Bezugnahmen, obwohl acht von zehn Fenstern der gleichen Werkstatt
in Auftrag gegeben worden waren. Formale und inhaltliche Unverwechselbarkeit der Fensterstiftungen war wohl eine
Hauptforderung ihrer Auftraggeber. Dennoch gab es offensichtlich Vorgaben, die zumindest für die hierarchisch struk-
turierten Seitenschiffenster der zweiten Bauphase verbindlich waren, und zwar sowohl für die vierbahnigen Fenster der
Süd- wie für die dreibahnigen der Nordseite: Alle enthielten ursprünglich drei Wappen und zwei »Signaturen« mit Hand-
werksdarstellungen, wenn auch in unterschiedlicher Verteilung. Befanden sich die »Signaturen« jeweils in den äußeren
Feldern der Sockelzeile, so flankierten sie in den dreibahnigen Fenstern der Nordseite ein Wappen, während die beiden
anderen nach dem Vorbild des bereits um 1270/75 verglasten Maßwerks des Schneiderfensters (Fig. 246) in die beiden
oberen Zwickel des Maßwerks (2 A+C) hinaufgerückt wurden. In den vierbahnigen Fenstern der Südseite wurde das
Wappenfeld der Sockelzeile hingegen gedoppelt und dafür nur ein Wappen in das Maßwerk gesetzt, und zwar in den
Zwickel unter der mittleren Kreisrosette (1 BC). Es spricht einiges dafür, daß das um 1290 ausgeführte, also noch zur
Erstverglasung gehörige Tucherfenster bereits eine solche Anordnung gezeigt hat (s. S. 206). Diesem Gestaltungsprin-
zip folgte sogar das Tulenhaupt-Fenster (Fig. 286), obwohl es nicht von einer Zunft, sondern wie die Langhausapostel
(Fig. 126,131) von Angehörigen der alten Führungsschicht der Stadt gestiftet worden war. Lediglich das von der Schmie-
dezunft in Auftrag gegebene Fenster über dem Nordportal (Fig. 256) enthielt in der Darstellung des Beschlagwunders
des Hl. Eligius nur eine einzige, zudem versteckte »Signatur« über dem Wappen in ib. Allerdings fällt das Schmiede-
 
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