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Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Editor]
Designtheoretisches Kolloquium — 14.1990

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Fischer, Michael: Gestaltete Umwelt - gestaltete Gefühle: zu emotionalen Wirkungen von Designobjekten
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https://doi.org/10.11588/diglit.31838#0116
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des Handlungsspielraums stammt aus der Ar-
beitspsychologie, es bezeichnet die von einer
Arbeitsaufgabe gegebenen Freiheitsgrade
des Handelns im Sinne der Eigenbestimm-
barkeit der Art und Weise der Erfüllung der
Aufgabe. Ich bin der Auffassung, daß dieses
Konzept auch zur Beschreibung der gegen-
ständlichen Umwelt herangezogen werden
kann, und zwar zur Erfassung der aufgrund
der gegenständlichen Struktur eines Produkts,
Objektensembles, Raumes bzw. Umweltseg-
ments gegebenen Möglichkeit zu vielfältigem
Verhalten, d. h. zu flexibler oder variabler
Anwendung, Gebrauchsform oder Nutzungs-
weise, die je nach situativer Bedingung und
individueller Voraussetzung realisiert werden
kann.

Auch für die gestalterische Ausformung des so
aufgefaßten Handlungsspielraums der gegen-
ständlichen Umwelt spielt das Prinzip der
Kompatibilität von Umweltbeschaffenheit und
Tätigkeitscharakteristik eine wichtige Rolle. So
sollte der Freiheitsgrad des Handelns zwar bei
den meisten Tätigkeiten möglichst groß sein,
aber etwa bei Bedien- und Steuertätigkeiten,
bei denen es aus Sicherheitserfordernissen
o.ä. auf schnelle und eindeutige Aktivitäten
ankommt (z. B. Führen eines Kraftfahrzeuges,
Überwachen einer Produktionsanlage), sollte
dagegen der Spielraum für die adäquaten Ak-
tivitäten möglichst gering sein, um gerade ein
hohes Dominanzgefühl seitens des Handeln-
den zu gewährleisten.

Für die Bestimmung der optimalen Ausprä-
gung des Handlungsspielraumes der gegen-
ständlichen Umwelt in bezug zur Tätigkeits-
charakteristik erscheint eine von JOERGES
(1977) vorgeschlagene Differenzierung von
Tätigkeiten als hilfreich. JOERGES unter-
scheidet sogenannte betrieblich organisierte
Verhaltenssysteme, für die primär externe,
z. B. durch ein technisches System vorgege-
bene Leistungsparameter des Verhaltens exi-
stieren, die eingehalten werden müssen (vgl.
obige Beispiele), von sogenannten privat or-
ganisierten Verhaltenssystemen (etwa das
Wohnverhalten), bei denen interne Kriterien,
z. B. der personalen Befindlichkeit, primär
sind, und die daher stark der Eigengestaltung
und Selbstbestimmung unterliegen. Für„privat
organisierte“ Verhaltenssysteme ist daher ein
großer, für „betrieblich organisierte“ demge-
genüber ein geringer Handlungsspielraum der
gegenständlichen Umwelt angemessen.

Für die dritte phänomenale Grunddimension
von Emotionen, das „Lustniveau“ in der Pola-
rität von Lust- und Unlusterleben, läßt sich
wegen der inhärenten Komplexität nur schwer
eine damit korrespondierende einheitliche
Qualität der gegenständlichen Umwelt ange-
ben. Betrachtet man die Attribute des Lustni-
veaus wie Befriedigtsein, Zufriedenheitsgefühl
versus Frustriertheit usw., so kann man die
fragliche Umweltqualität bezeichnen als Erle-
benspotential in bezug auf die gebotenen Be-
friedigungsmöglichkeiten von Bedürfnissen.

Ich möchte mit dieser noch recht abstrakten
Aussage gleich übergehen zur erklärenden
Betrachtung von Emotionen und dabei das Be-
dürfnisbefriedigungspotential der gegenständ-
lichen Umwelt näher erörtern.

Dieser Wechsel der Betrachtungsebene ist da-
durch bedingt, daß nach einhelliger psycholo-
gischer Auffassung Emotionen erklärbar sind
als Ausdruck subjektiver Wertungen von Ob-
jekten oder Ereignissen, wobei die Wertungen
auf der Basis von Bedürfnissen erfolgen: Eine
objektbezogene Emotion ergibt sich aus der
Relevanz oder Wertigkeit des Objekts für die
subjektive Bedürfnisbefriedigung.

Nun gibt es unterschiediiche psychologische
Klassifikationsansätze für Bedürfnisse, die zur
weiteren Klärung des Emotionsproblems her-
angezogen werden könnten. Ich stütze mich
im folgenden auf ein sich neuerdings in der
Psychologie immer mehr durchsetzendes Mo-
tivationskonzept, in dem als grundlegendes
Bedürfnis das Bedürfnis nach Umweltkontrolle
herausgestellt wird (vertreten u. a. von HOLZ-
KAMP-OSTERKAMP 1977). Umweltkontrolle
bedeutet dabei die Beherrschbarkeit der ding-
lichen wie sozialen Umwelt im Sinne der Ge-
währleistung von Handlungsfähigkeit gegen-
über der Umwelt.

Mit diesem Konzept sind Emotionen erklärbar
aus dem Grad der Befriedigung des Bedürf-
nisses nach Umweltkontrolle:

Positive Emotionen treten auf bei Gewinn, ne-
gative Emotionen bei Verlust von Umweltkon-
trolle.

Wie stellt sich das allgemeine psychologische
Konstrukt Umweltkontrolle nun konkret dar in
bezug auf das Handeln in der gestalteten ding-
lichen Umwelt?

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