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Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Editor]
Designtheoretisches Kolloquium — 16.1995

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Jonas, Wolfgang: De-Materialisierung durch Körperorientierung - ein Gedankenexperiment
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https://doi.org/10.11588/diglit.31840#0082

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weibliche) Zentralmotiv der Todesangst..
TIBON-CORNILLOT (S. 159): „Der Versuch, die
Trennung zwischen dem Artifiziellen und
dem Lebenden aufzubrechen, ist gleich-
zusetzen mit dem Versuch, den Gegensatz
von Leben und Tod des Körpers zu über-
winden. Dies ist wohl der Kern dessen, was
sich zur Zeit in den Industriegesellschaften,
die den aktuellen Umformungen unterwor-
fen sind, abspielt, und der zu zahlende Preis
besteht darin, den menschlichen Körper zu
verändern."

Perspektive: Body-Design statt Welt-Design

Wir stellen die Welt mit Dingen und Appara-
ten und Erlebnisangeboten voll und hoffen,
daß bei uns die gewünschten Wirkungen
hervorgerufen werden. Dabei sind es immer
nur Perturbationen, aus denen das komple-
xe Sensorium unseres Nervensystems (sinn-
volle) Information generiert oder auch nicht.
Soziale Mechanismen helfen zwar dabei, die
gewünschte Wirkung herzustellen (Werbung,
Gruppenzwänge, Moden, Zeitgeist, etc.),
dennoch ist der Ansatz erbärmlich grob. Es
geht häufig - man denke etwa an das Phäno-
men Bungee-Jumping - darum, elementarste
/archaischste Körperprozesse bzw. psychische
Zustände herzustellen.

Warum soll denn stets die Welt dem Men-
schen angepaßt werden? Das kostet einen
enormen Aufwand an Material und Energie
und bringt ständig Fehlschläge. Passen wir
doch lieber den Menschen selbst an seine
Bedürfnisse an, die sensorisch-motorische
Schleife verläuft ohnehin im Innern des Kör-
pers. Das „Wesen" oder die „Natur" des Men-
schen ist antastbar, weil beide immer schon
Konstrukte eines psychoo-soziokulturellen
Prozesses sind. Nicht antastbar sollte die
Würde des Individuums sein (RORTY).

Design in den Zeiten der Bedarfsweckung war
immerschon (auch) Selbst-Design, Design des
individuellen Wesens, der individuellen Na-
tur.

Im Zeitalter des industriell gestalteten Men-
schen ist die Körperoberfläche keine Grenze
mehr. Es eröffnen sich immense neue Aufga-
ben für Design. Die ästhetische Körperorien-
tierung macht den Körper zum symbolischen
Zeichensystem: Fitness-Kult, Körperkult,
Schönheitschirurgie, etc. gehören zum Alltag.
Künstlerlnnen treiben diese Überlegungen
weiter.

Cindy Sherman
(Selbstreferenz durch
Prothesen) Untitled, # 253
1992

ORLAN (Gesichts-Design)

STELARC (Mensch-Maschine)

Hüllen des Selbst:

Auto, Kleidung, Haut (3)

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